BFH: Höchstbetragsberechnung und Günstigerprüfung bei der Einzelveranlagung von Ehegatten
Beantragen Ehegatten die Einzelveranlagung und den hälftigen Abzug von Sonderausgaben nach § 26a Abs. 2 Satz 2 EStG, so sind die von beiden Ehegatten getragenen Vorsorgeaufwendungen zusammenzurechnen und hälftig zu verteilen. Erst danach ist getrennt für jeden Ehegatten die Höchstbetragsberechnung und Günstigerprüfung nach § 10 Abs. 4a EStG durchzuführen (BFH-Urteil v. 28.11.2019 – III R 11/18).
Sachverhalt:
Die Klägerin ist verheiratet. Für das Streitjahr beantragte sie die Einzelveranlagung nach § 26a EStG. Übereinstimmend mit ihrem Ehemann beantragte sie außerdem, die Sonderausgaben gemäß § 26a Abs. 2 Satz 2 EStG hälftig aufzuteilen.
Im Rahmen der Veranlagung wurde die Berechnung des Höchstbetraga der Vorsorgeaufwendungen gemäß § 10 Abs. 4a EStG nach der für die Klägerin günstigeren Regelung des § 10 Abs. 3 in der für das Kalenderjahr 2004 geltenden Fassung des EStG zuzüglich des Erhöhungsbetrags nach Satz 3 durchgeführt (Günstigerprüfung mit Erhöhungsbetrag). Hierzu ermittelte das FA Vorwegabzug, Grundhöchstbetrag, hälftigen Höchstbetrag und Erhöhungsbetrag, indem es bei beiden Ehegatten zunächst die Vorsorgeaufwendungen ansetzte, welche die Klägerin und ihr Ehemann jeweils getragen hatten. Anschließend verteilte es die beiden Ergebnisse jeweils hälftig auf die Ehegatten. Abgezogen wurde bei der Klägerin letztlich die Hälfte aus dem Ergebnis ihrer Höchstbetragsberechnung zuzüglich der Hälfte der Höchstbetragsberechnung ihres Ehemannes (2.981 €).
Hiergegen wandte sich die Klägerin mit dem Einspruch. Sie trug vor, dass die Aufwendungen vor der Günstigerprüfung den jeweiligen Ehegatten hälftig zuzurechnen seien und erst im Anschluss die Günstigerprüfung zu erfolgen habe. Mit dergestalt auf beide Ehegatten hälftig aufgeteilten Sonderausgaben legte sie eine Berechnung vor, in der sie auf einen abziehbaren Betrag von 4.557 EUR kam. Der Rechtsbehelf hatte keinen Erfolg. Das FG gab der anschließenden Klage statt (FG Baden-Württemberg, Urteil v. 29.11.2017 – 2 K 1032/16).
Entscheidung des BFH:
Der BFH wies die Revision des FA als unbegründet zurück. Die Vorsorgeaufwendungen sind hälftig auf die Ehegatten aufzuteilen und die Höchstbetragsberechnungen und Günstigerprüfungen erst in einem zweiten Rechenschritt individuell bei jedem der Ehegatten vorzunehmen.
Dies ergibt sich aus dem Wortlaut der Vorschrift, denn das Wort „sie“ in Satz 2 bezieht sich auf die in Satz 1 genannten Aufwendungen und nicht auf die „Sonderausgaben…“ oder Abzugsbeträge. Dem steht nicht entgegen, dass Satz 2 – anders als Satz 1 – vom „Abziehen“ statt vom „Zurechnen“ spricht, da beide Worte im Kontext des § 26a EStG synonym verwendet werden.
Bestätigt wird dies auch durch die ebenfalls in § 26a Abs. 2 Satz 2 EStG in Bezug genommenen außergewöhnlichen Belastungen und die Steuerermäßigung nach § 35a EStG. Denn auch hier ist eine Aufteilung der Aufwendungen vorzunehmen.
Zu Unrecht meint das FG, dass nur die Verteilung der Abzugsbeträge der vom Gesetzgeber gewollten Steuervereinfachung gerecht würde. Vielmehr erübrigt sich durch die hälftige Aufteilung der Aufwendungen die Prüfung, wer von beiden Ehegatten die jeweilige Belastung wirtschaftlich getragen hat.
Dem gefundenen Ergebnis steht auch nicht das Prinzip der Individualbesteuerung entgegen, denn § 26a Abs. 2 Satz 2 EStG stellt eine Ausnahme von diesem Grundsatz dar.
BFH-Urteil v. 28.11.2019 – III R 11/18 >>
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Stand: 17.04.2020