EuGH: Personengesellschaft als Organgesellschaft
Nach der Entscheidung des EuGH v. 15.4.2021 – C-868/19 ist es nicht unionsrechtskonform, dass eine Personengesellschaft nur dann zusammen mit dem Unternehmen des Organträgers eine Mehrwertsteuergruppe bilden kann, wenn Gesellschafter der Personengesellschaft neben dem Organträger nur Personen sind, die in dieses Unternehmen finanziell eingegliedert sind. Damit stellt sich der EuGH gegen die Sichtweise des V. Senats des BFH sowie der Finanzverwaltung.
Hintergrund:
Der EuGH urteilte 2015 in den Verfahren „Larentia + Minerva“ und „Marenave“, dass auch Personengesellschaften Organgesellschaft sein können. Personengesellschaften dürfen nur dann von der Organschaft ausgeschlossen werden, wenn dies zur Verhinderung missbräuchlicher Praktiken oder Verhaltensweisen und der Vermeidung von Steuerhinterziehung oder -umgehung erforderlich und geeignet ist. Daraufhin hat der V. Senat des BFH entschieden, dass eine Personengesellschaft dann Organgesellschaft sein kann, wenn neben dem Organträger nur finanziell in den Organträger eingegliederte Personen Gesellschafter sind. Die Finanzverwaltung hat diese Auffassung in Abschn. 2.8. Abs. 5a UStAE übernommen. Der XI. Senat des BFH hingegen ist davon ausgegangen, dass eine GmbH & Co. KG generell eine Organgesellschaft sein kann.
Sachverhalt:
Die M-GmbH ist Kommanditistin einer GmbH & Co. KG. In der Gesellschafterversammlung der KG hat die M-GmbH sechs Stimmen. Die Komplementärin sowie weitere vier Kommanditisten haben jeweils eine Stimme. Sie sind finanziell nicht in die M-GmbH eingegliedert, so dass nach Auffassung der Finanzverwaltung und der Rechtsprechung des V. Senats die GmbH & Co. KG nicht Organgesellschaft der M-GmbH sein kann. Gesellschafterbeschlüsse der GmbH & Co. KG werden grundsätzlich mit einfacher Mehrheit gefasst. Die wirtschaftliche und organisatorische Eingliederung liegt vor.
Das FG Berlin-Brandenburg hat dem EuGH Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt, ob eine Beschränkung des Tatbestandsmerkmals „Organgesellschaft“ in § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG auf juristische Personen und Personengesellschaften, bei denen Gesellschafter neben dem Organträger nur Personen sind, die in das Unternehmen des Organträgers finanziell eingegliedert sind, mit den Vorgaben des Art. 11 MwStSysRL vereinbar ist.
Entscheidung des EuGH:
Nach Auffassung des EuGH in seiner Entscheidung vom 15.4.2021 – C-868/19 ist die enge Auslegung des V. Senats des BFH und des BMF zu Personengesellschaften als Organgesellschaft nicht mit dem EU-Recht vereinbar. Die finanzielle Eingliederung der GmbH & Co. KG in die M-GmbH liegt vor, da diese durch die Mehrheit in der Gesellschafterversammlung ihren Willen in der GmbH & Co. KG durchsetzen kann. Die theoretische Möglichkeit der mündlichen Änderung des Gesellschaftsvertrages dahingehend, dass Beschlüsse einstimmig zu fassen sind, genügt nicht, um eine finanzielle Eingliederung abzulehnen.
Objektive Anhaltspunkte für eine missbräuchliche Praxis, welche eine Rechtfertigung der Auffassung des BMF und des V. Senats zur Vermeidung von Steuerumgehungen ermöglichen würde, liegen ebenfalls nicht vor.
Im Ergebnis widerspricht der EuGH in seiner jüngsten Entscheidung also der Auffassung des V. Senats sowie des BMF und bestätigt vielmehr die Ansicht des XI. Senats. Ist eine Organgesellschaft mit einer Personengesellschaft gewollt und sind nicht alle Gesellschafter in den Organträger eingegliedert, können sich Unternehmer nun auf diese Rechtsprechung berufen. Die Abweichung vom UStAE sollte dann jedoch in der Steuererklärung kenntlich gemacht werden.
EuGH-Urteil v. 15.4.2021 – C-868/19 >>
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Stand: 19.04.2021