Mit dem Gesetz zur Vermeidung von Umsatzsteuerausfällen beim Handel mit Waren im Internet und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften v.11.12.2018 (BGBl I 2018, 2338) wurde die Umsatzbesteuerung für nach dem 31.12.2018 ausgestellte Gutscheine neu geregelt. Es wird dabei zwischen Einzweck- und Mehrzweck-Gutscheinen unterschieden. Bereits die Ausgabe eines Einzweck-Gutscheins stellt eine Lieferung bzw. sonstige Leistung dar, die der Umsatzsteuer unterliegt. Die spätere Einlösung hat hingegen keine Konsequenzen. Die Ausgabe von Mehrzweck-Gutscheinen führt hingegen noch nicht zu einem Leistungsaustausch, sondern erst bei tatsächlicher Erbringung der Leistung im Zeitpunkt der Einlösung des Gutscheins.

Streitig ist, ob die Übertragung von Guthabenkarten oder Gutscheincodes für den Erwerb digitaler Inhalte für das X-Network (X), sog. X Cards, der Umsatzsteuer unterliegt. Mit seiner Vorlagefrage will der BFH u.a. für den Fall der mehrfachen Übertragung eines Gutscheins klären, ob sich das Erfordernis beim Einzweck-Gutschein, dass der Ort der Leistung feststehen muss, auch auf die Übertragung zwischen Steuerpflichtigen (“Verkauf eines Gutscheins zwischen Unternehmern”), also den Übertragungsumsatz, beziehen muss.

In diesem Zusammenhang legt der BFH dem EuGH die folgenden Fragen zur Auslegung von Art. 30a Nr. 2 und Art. 30b Unterabs. 2 MwStSystRL zur Vorabentscheidung vor:

  1. Liegt ein Einzweck-Gutschein im Sinne von Art. 30a Nr. 2 MwStSystRL vor, wenn

– zwar der Ort der Erbringung von Dienstleistungen, auf die sich der Gutschein bezieht, insoweit feststeht, als diese Dienstleistungen im Gebiet eines Mitgliedstaats an Endverbraucher erbracht werden sollen,

– aber die Fiktion des Art. 30b Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 1 MwStSystRL, nach der auch die Übertragung des Gutscheins zwischen Steuerpflichtigen zur Erbringung der Dienstleistung, auf die sich der Gutschein bezieht, zu einer Dienstleistung im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats führt?

  1. Falls die Frage 1 verneint wird (und damit im Streitfall ein Mehrzweck-Gutschein vorliegt): Steht Art. 30b Abs. 2 Unterabs. 1 MwStSystRL, wonach die tatsächliche Erbringung der Dienstleistungen, für die der Erbringer der Dienstleistungen einen Mehrzweck-Gutschein als Gegenleistung oder Teil einer solchen annimmt, der Mehrwertsteuer gemäß Art. 2 MwStSystRL unterliegt, wohingegen jede vorangegangene Übertragung dieses Mehrzweck-Gutscheins nicht der Mehrwertsteuer unterliegt, einer anderweitig begründeten Steuerpflicht (EuGH-Urteil Lebara vom 03.05.2012 – C-520/10, EU:C:2012:264) entgegen?

 

BFH-Beschluss v. 29.11.2022 – XI R 11/21

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