Umsatzsteuerbefreiung für Leistungen per Gesundheitstelefon

 

Telefonische Beratungsleistungen, die eine GmbH im Auftrag von gesetzlichen Krankenkassen durch „Gesundheitscoaches“ ausführt, können als umsatzsteuerfreie Heilbehandlungen gelten. Sofern bestimmte Qualitätsstandards gewährleistet sind, können die steuerfreien telefonischen Beratungen auch von medizinischen Fachangestellten oder Krankenschwestern durchgeführt werden. So hatte der EuGH mit Urteil vom 5.3.2020 entschieden. Der BFH hat nun seine Nachfolgeentscheidung veröffentlicht.[1]

 

 

Der Sachverhalt:

Im Streitfall betrieb die Klägerin im Auftrag gesetzlicher Krankenkassen ein Gesundheitstelefon zur Beratung von Versicherten in medizinischer Hinsicht. Sie führte zudem Patientenbegleitprogramme durch, bei denen bestimmte Versicherte auf der Basis von Abrechnungsdaten und Krankheitsbildern über eine medizinische Hotline situationsbezogene Informationen zu ihrem Krankenbild erhielten. Die telefonischen Beratungsleistungen wurden durch Krankenschwestern und medizinische Fachangestellte erbracht, die größtenteils auch als „Gesundheitscoach“ ausgebildet waren. In ca. einem Drittel der Fälle wurde ein Arzt hinzugezogen, der die Beratung übernahm bzw. bei Rückfragen Anweisungen oder eine Zweitmeinung erteilte.

 

 

Die Entscheidung des EuGH:

Nach Ansicht des EuGH können telefonisch erbrachte Heilbehandlungen unter die in
Art. 132 Abs. 1 Buchst. c MwStSystRL vorgesehene Mehrwertsteuerbefreiung fallen. Es obliege aber dem BFH zu klären, inwieweit die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden telefonischen Beratungen hierunter fallen. Dabei werde er zu prüfen haben, ob mit den Beratungen ein therapeutischer Zweck verfolgt wird, da dieser ausschlaggebend dafür ist, ob eine medizinische Leistung von der Mehrwertsteuer zu befreien ist. Der EuGH sieht einen therapeutischen Zweck als gegeben an,

  • wenn dem Patienten Diagnosen und Therapien erläutert werden,
  • wenn Änderungen der durchgeführten Behandlungen vorgeschlagen werden,
  • wenn den betroffenen Personen ermöglicht wird, ihre medizinische Situation besser zu verstehen und
  • insbesondere, wenn die Patienten daraufhin entsprechend tätig werden, etwa indem sie ein bestimmtes Arzneimittel einnehmen oder nicht einnehmen.

Entsprechende Beratungsleistungen, die per „Gesundheitstelefon“ von Ärzten erbracht werden, fallen folglich unter die Mehrwertsteuerbefreiung. Der BFH müsse aber darlegen, welche Qualifikation das Fachpersonal (Krankenpfleger, medizinische Fachangestellte) aufweisen muss, damit auch deren Leistungen der Umsatzsteuerfreiheit unterliegen.

Dagegen fallen Leistungen, die in der Erteilung von Auskünften über Erkrankungen oder Therapien bestehen, aber aufgrund ihres allgemeinen Charakters nicht geeignet sind, zum Schutz, zur Aufrechterhaltung oder zur Wiederherstellung der menschlichen Gesundheit beizutragen, nicht unter den Begriff „Heilbehandlung“.

 

 

Die Entscheidung des BFH:

Naturgemäß folgen die BFH-Richter den Vorgaben des EuGH. Danach gilt: Auch telefonische Beratungen im Rahmen eines Gesundheitstelefons können einen therapeutischen Zweck verfolgen und unter den Begriff „Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin“ fallen. Werden die telefonischen Heilbehandlungsleistungen durch einen „Katalogberufler“ des § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG erbracht, also insbesondere durch einen Arzt, sind diese mithin steuerfrei. Werden die Leistungen der Heilbehandlung aber nicht durch einen Katalogberufler erbracht, müsse eine bestimmte Berufsqualifikation vorliegen, die sich entweder aus einer berufsrechtlichen Regelung ergeben kann oder daraus, dass die betreffenden heilberuflichen Leistungen üblicherweise von den Sozialversicherungsträgern finanziert werden.

Eine Kostentragung durch gesetzliche Krankenkassen sei dann von Bedeutung, wenn sie den Charakter eines Befähigungsnachweises hat. Dies könne sich im Einzelfall aus den Beziehungen der Krankenkassen zu den Leistungserbringern nach den nationalen Regelungen im Vierten Kapitel des SGB V und damit aus den §§ 69 ff. SGB V ergeben. So sei zum Beispiel die Aufnahme der betreffenden Leistungen in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen nach § 92 SGB V, der Abschluss eines Versorgungsvertrags nach § 111 SGB V oder die Zulassung nach § 124 SGB V als Indiz für das Vorliegen der erforderlichen Berufsqualifikation anzusehen. Auch aus der Kostentragung nach § 43 SGB V i.V.m. einer Gesamtvereinbarung könne sich der erforderliche Qualifikationsnachweis ergeben.

Im vorliegenden Fall waren Krankenschwestern und medizinische Fachangestellte (Arzthelfer), die größtenteils auch als Gesundheitscoach ausgebildet waren, tätig. Bei gegebener Relevanz wurden diese in mehr als einem Drittel der Fälle von Fachärzten unterstützt. Die betreffenden Kosten wurden vollständig von gesetzlichen Krankenkassen getragen. Daraus könne grundsätzlich auf die für die erbrachten Leistungen erforderliche Qualifikation des eingesetzten Personals geschlossen werden. Allerdings erfolgte dies möglicherweise auf einzelvertraglicher Grundlage außerhalb des Leistungskatalogs und nicht aufgrund eines Versorgungsvertrags. Dazu müsse die Vorinstanz nun weitere Feststellungen treffen.

 

 

Praxishinweise

Angesichts der Corona-Pandemie ist es erfreulich, dass der EuGH und nun auch der BFH für Klarheit sorgen und die Steuerfreiheit von telefonisch erbrachten Heilbehandlungen gewähren.

Anbieter von Gesundheitstelefonen sollten aber genau dokumentieren, wann tatsächlich Diagnosen gestellt und Therapien erbracht und wann lediglich allgemeine Auskünfte erteilt werden. Diese Dokumentation dürfte aber allein schon aus abrechnungs- und gegebenenfalls haftungsrechtlichen Gründen im eigenen Interesse der Anbieter von Gesundheitstelefonen liegen.

Zu der Frage, welche Qualifikation das Fachpersonal aufweisen muss, damit auch deren Leistungen der Umsatzsteuerfreiheit unterliegen, verweist der BFH – wenig überraschend – auf die Handhabung der Sozialversicherungsträger. Betroffene sollten daher entsprechende Vereinbarungen, wenn sich diese nicht bereits aus allgemeinen Leistungskatalogen ergeben, ebenfalls dokumentieren. Gegebenenfalls können auch Ausbildungsverordnungen etc. hilfreich sein, die die Qualifikation der Mitarbeiter belegen.

 

 

[1] EuGH-Urteil vom 5.3.2020, C-48/19, DStR 2020, 550; BFH-Urteil vom 23.9.2020, XI R 6/20 (XI R 19/15), DStR 2021, 157

 

 

 

 

Stand: 09.02.2021