[vc_row el_class=“css_individuell_posts“][vc_column css=“.vc_custom_1453901736908{padding-right: 5% !important;padding-left: 5% !important;}“][vc_column_text]Rechtsschutz im Vollstreckungsverfahren

 

Die Durchführung von Vollstreckungsmaßnahmen steht im pflichtgemäßen Ermessen der Vollstreckungsbehörde. Christoph Schirp, Richter am Niedersächsischen Finanzgericht, wies im Rahmen seines Fachvortrags bei der SFT „Steuerfachtagung und Zukunftskongress Celle 2019“ darauf hin, dass die Formulierung „Finanzbehörden können vollstrecken“ missverständlich sei, denn es gebe praktisch kein Ermessen hinsichtlich des „Ob“ der Vollstreckung. Dagegen habe die Behörde einen weiten Ermessensspielraum, wenn es darum geht, in welchen Vermögensgegenstand sie wann und in welchem Umfang vollstreckt. Ein Auswahlermessen steht der Behörde auch dann zu, wenn sie mehrere Vollstreckungsschuldner zur Verfügung hat. Ermessenskriterien können unter anderem die Höhe und Dauer der Rückstände, die Erfolgsaussichten der Vollstreckung und die Schwere des Eingriffs sein.

Rechtsschutz gegenüber Maßnahmen der Vollstreckungsbehörden wird im finanzgerichtlichen Hauptsacheverfahren durch Anfechtungsklagen gegen Vollstreckungsverwaltungsakte, durch Leistungsklagen gegen Vollstreckungshandlungen und durch Verpflichtungsklagen gegen die Ablehnung der Einstellung oder Aussetzung der Vollstreckung gewährt. Nach Erledigung der Beschwer ist gegebenenfalls eine Fortsetzungsfeststellungsklage möglich. Einstweiliger Rechtsschutz wird gegen vollziehbare Vollstreckungsverwaltungsakte durch Aussetzung der Vollziehung und im Übrigen durch einstweilige Anordnung gewährt. Ist die Vollstreckung erledigt, werden die Eilanträge unzulässig, es gibt keine einstweilige Forstsetzungsfeststellung.

Schirp hob hervor, dass der Vollstreckungsschuldner nicht mit Einwendungen gegen die der Vollstreckung zugrundeliegenden Steuerfestsetzungen gehört wird. Dies gilt aber nicht für Einwendungen gegen die Wirksamkeit der Steuerfestsetzung und gegen den daraus folgenden Bestand der Steuerforderung. Die Existenz des Bescheids ist nämlich Voraussetzung für die Vollstreckung ist. Die Vollstreckung ist einzustellen, soweit die Steuerforderung erloschen ist. Schirp wies auch ausdrücklich darauf hin, dass bei der Wahl des Mittels mit dem Ziel, den Steuerpflichtigen mit Hilfe von Rechtsbehelfen vor Vollstreckungsmaßnahmen der Finanzbehörden zu schützen, Sorgfalt geboten sei. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ist nämlich die Umdeutung eines von einem Rechtsanwalt oder Steuerberater eindeutig bezeichneten Rechtsbehelfs nicht möglich. Allerdings werden die beiden Begriffe „Aussetzung der Vollstreckung“ und „Aussetzung der Vollziehung“ in der finanzgerichtlichen Praxis häufig verwechselt. Im Rechtsschutzinteresse nicht (sachkundig) vertretener Vollstreckungsschuldner ermitteln die Finanzgerichte daher, wie das Rechtsschutzbegehren auszulegen ist.

Entgegen der in den Erhebungsstellen der Finanzämter weit verbreiteten Auffassung ist ein Antrag auf Stundung auch noch möglich, wenn das Vollstreckungsverfahren bereits eingeleitet ist. Die Stundung hat den Vorteil für den Steuerpflichtigen, dass keine Säumniszuschläge anfallen, sondern lediglich die niedrigeren Stundungszinsen.

Nach Schirps Erfahrungen sind Vollstreckungsverwaltungsakten häufig keine Rechtsbehelfsbelehrungen beigefügt. Dann beträgt die Einspruchsfrist ein Jahr. Wegen der belastenden Wirkung der Vollstreckungsmaßnahme wird häufig Anlass für eine Sprungklage und/oder einen Eilantrag gegeben sein. Die angemessene Frist für die Entscheidung über einen zuvor eingelegten Einspruch respektive die Zulässigkeit einer Untätigkeitsklage dürfte bei Vollstreckungsverwaltungsakten in der Regel deutlich kürzer sein als sechs Monate. Für die Zulässigkeit eines Aussetzungsantrags reiche es aus, wenn die Anfechtung bis zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung nachgeholt wird.

 

 

Stand: 18.9.2019