[vc_row el_class=”css_individuell_posts”][vc_column css=”.vc_custom_1453901736908{padding-right: 5% !important;padding-left: 5% !important;}”][vc_column_text]Der BFH zweifelt an der Verfassungsmäßigkeit von Nachzahlungszinsen für Verzinsungszeiträume ab dem Jahr 2015. Der IX. Senat des BFH hat mit Beschluss vom 25. April 2018[1] in einem summarischen Verfahren Aussetzung der Vollziehung (kurz: AdV) gewährt.

Praxishinweis

Die Entscheidung ist zu §§ 233a, 238 AO ergangen. Danach betragen die Zinsen für jeden Monat 0,5 Prozent einer nachzuzahlenden oder zu erstattenden Steuer. Allein bei der steuerlichen Betriebsprüfung vereinnahmte der Fiskus im Bereich der Zinsen nach § 233a AO in den letzten Jahren mehr als 2 Mrd €.

Der Entscheidungsfall

Im Streitfall setzte das FA die von den Antragstellern für das Jahr 2009 zu entrichtende Einkommensteuer zunächst auf 159.139 € fest. Im Anschluss an eine Außenprüfung änderte das FA am 13. November 2017 die Einkommensteuerfestsetzung auf 2.143.939 €. Nachzuzahlen war eine Steuer von 1.984.800 €.

Das FA verlangte zudem in dem mit der Steuerfestsetzung verbundenen Zinsbescheid für den Zeitraum vom 1. April 2015 bis 16. November 2017 Nachzahlungszinsen in Höhe von 240.831 €. Die Antragsteller begehren die AdV des Zinsbescheids, da die Höhe der Zinsen von 0,5 Prozent für jeden Monat verfassungswidrig sei.

Das FA und das FG lehnten dies ab.

Entscheidung des BFH

Der BFH hat dem Antrag stattgegeben und die Vollziehung des Zinsbescheids in vollem Umfang ausgesetzt. Nach dem Beschluss des BFH bestehen im Hinblick auf die Zinshöhe für Verzinsungszeiträume ab dem Jahr 2015 schwerwiegende Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Verzinsungsvorschriften.[2]

Der BFH begründet dies mit der realitätsfernen Bemessung des Zinssatzes, die den allgemeinen Gleichheitssatz[3] verletze. Der gesetzlich festgelegte Zinssatz überschreite den angemessenen Rahmen der wirtschaftlichen Realität erheblich, da sich im Streitzeitraum ein niedriges Marktzinsniveaus strukturell und nachhaltig verfestigt habe.

Eine sachliche Rechtfertigung für die gesetzliche Zinshöhe bestehe bei der gebotenen summarischen Prüfung nicht. Auf Grund der auf moderner Datenverarbeitungstechnik gestützten Automation in der Steuerverwaltung könnten Erwägungen wie Praktikabilität und Verwaltungsvereinfachung einer Anpassung der seit dem Jahr 1961 unveränderten Zinshöhe an den jeweiligen Marktzinssatz oder an den Basiszinssatz i.S. des § 247 des BGB nicht mehr entgegenstehen. Für die Höhe des Zinssatzes fehle es an einer Begründung. Der Sinn und Zweck der Verzinsungspflicht bestehe darin, den Nutzungsvorteil wenigstens zum Teil abzuschöpfen, den der Steuerpflichtige dadurch erhalte, dass er während der Dauer der Nichtentrichtung über eine Geldsumme verfügen könne. Dieses Ziel sei wegen des strukturellen Niedrigzinsniveaus im typischen Fall für den Streitzeitraum nicht erreichbar und trage damit die realitätsferne Bemessung der Zinshöhe nicht.

Es bestünden überdies schwerwiegende verfassungsrechtliche Zweifel, ob der Zinssatz dem aus dem Rechtsstaatsprinzip[4] folgenden Übermaßverbots entspreche. Die realitätsferne Bemessung der Zinshöhe wirke in Zeiten eines strukturellen Niedrigzinsniveaus wie ein rechtsgrundloser Zuschlag auf die Steuerfestsetzung.

Der Gesetzgeber sei im Übrigen von Verfassungs wegen gehalten zu überprüfen, ob die ursprüngliche Entscheidung zu der in § 238 Abs. 1 Satz 1 AO geregelten gesetzlichen Höhe von Nachzahlungszinsen auch bei dauerhafter Verfestigung des Niedrigzinsniveaus aufrechtzuerhalten sei oder die Zinshöhe herabgesetzt werden müsse. Dies habe er selbst auch erkannt, aber gleichwohl bis heute nichts getan, obwohl er vergleichbare Zinsregelungen in der Abgabenordnung und im Handelsgesetzbuch dahin gehend geändert habe.

Praxishinweis

Nach Auffassung des III. Senats des BFH verstößt die Höhe der Nachforderungszinsen[5] auch für in das Jahr 2013 fallende Verzinsungszeiträume weder gegen den Gleichheitssatz noch gegen das Übermaßverbot.[6] Dem hat sich der IX. Senat des BFH nunmehr nicht angeschlossen.

Das BVerfG wird sich im Laufe des Jahres 2018 mit dem Zinssatz von 6 % p.a.- auch wegen einer hohen Zinsbelastung nach einer Betriebsprüfung – befassen. Zu empfehlen ist, gegenwärtig Einspruch gegen Zinsbescheide einzulegen und zumindest das Ruhen des Verfahrens zu beantragen.[7]

Für die Zinszeiträume ab 2015 könnte zudem die Aussetzung der Vollziehung beantragt werden. Abzuwarten bleibt gegenwärtig, wie die Finanzverwaltung auf diese unliebsame Rechtsprechung reagieren wird.

 

[1] BFH-Beschluss v. 25.04.2018, IX B 21/18

[2] § 233a AO i.V.m. § 238 Abs. 1 Satz 1 AO

[3] Art. 3 Abs. 1 GG

[4] Art. 20 Abs. 3 GG

[5] § 233a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 238 Abs. 1 Satz 1 AO

[6] BFH-Urteil v. 09.11.2017 – III R 10/16, DStR 2018, 465; kritisch hierzu Jonas,  DStR 2018, 545

[7] Köstdi 4/2018, 20698

 

 

Stand: 16.05.2018[/vc_column_text][/vc_column][/vc_row][vc_row el_class=”est_seminar_blog_footer”][vc_column css=”.vc_custom_1453901736908{padding-right: 5% !important;padding-left: 5% !important;}”][vc_column_text el_class=”meldungen_footer”][shortcode id=”1539″][/vc_column_text][/vc_column][/vc_row][vc_row][vc_column][vc_empty_space height=”” el_class=”abstand_content_footer”][/vc_column][/vc_row]