Gesetzgebungsverfahren

Das Bundesfinanzministerium hat den Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung von Wachstumschancen, Investitionen und Innovation sowie Steuervereinfachung und Steuerfairness (Wachstumschancengesetz) nunmehr vorgelegt.

Der Gesetzgeber plant darin Maßnahmen, um die Wachstumschancen der Wirtschaft zu erhöhen, Investitionen und Innovation in neue Technologien zu ermöglichen und die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Deutschland zu stärken.

Praxishinweis

Es ist vorgesehen, dass das Bundeskabinett das Wachstumschancengesetz bereits am
16. August 2023 beschließt und in den Bundestag einbringt. Mit dem Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens ist frühestens im November bzw. Dezember 2023 zu rechnen. Eine abschließende Behandlung im Bundesrat ist für den 15. Dezember 2023 vorgesehen. Eine Verabschiedung im Bundestag ist im November 2023 geplant.

 

 

Lohnsteuerrelevante Änderungen im Überblick

 

Mehraufwendungen für Verpflegung

Mehraufwendungen für Verpflegung können nach Maßgabe von
§ 9 Abs. 4a EStG als Werbungskosten geltend gemacht werden.

In Höhe des Werbungskostenabzugs kann der Arbeitgeber einen steuerfreien Reisekostenersatz leisten.[1] Sofern der Arbeitgeber eine steuerfreie Erstattung leistet, mindert dies den möglichen Werbungskostenabzug.[2]

Der Gesetzgeber plant ab 2024 eine Erhöhung der für das Inland geltenden Mehraufwendungen für Verpflegung.

Mehraufwendung für Verpflegung (Inland) 2023 2024
Auswärtstätigkeit (ohne Übernachtung)    
Abwesenheit 8 Stunden oder weniger   0 EUR 0 EUR
Abwesenheit mehr als 8 Stunden 14 EUR 15 EUR
Auswärtstätigkeit (mit Übernachtung)    
Anreisetag 14 EUR 15 EUR
Abreisetag 14 EUR 15 EUR
Zwischentage 28 EUR 30 EUR

 

Praxishinweis

Die Änderung gilt für Auswärtstätigkeiten, die ab 2024 durchgeführt werden. Erstattet der Arbeitgeber in 2024 Reisekosten für eine in 2023 durchgeführte Auswärtstätigkeit, gelten noch die für 2023 geltenden Sätze. Geprüft werden sollte, ob auch die Arbeitgeber den betrieblichen Anspruch auf Tagegeld entsprechend erhöhen.

Ferner lässt § 40 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 EStG eine Lohnsteuerpauschalierung von überzahlten Tagegeldern zu. Auf die Pauschalierungshöhe wirkt sich die Tagegeldsatzerhöhung ebenso aus.

Wird dem Arbeitnehmer anlässlich oder während einer Tätigkeit außerhalb seiner ersten Tätigkeitsstätte vom Arbeitgeber oder auf dessen Veranlassung von einem Dritten eine Mahlzeit zur Verfügung gestellt, sind die ermittelten Verpflegungspauschalen wie folgt zu kürzen:[3]

 

  • Für das Frühstück um 20 % und/oder
  • für das Mittag- und Abendessen um jeweils 40 %

der Verpflegungspauschale für den vollen Kalendertag. Die Kürzung darf die ungekürzte Verpflegungspauschale nicht übersteigen.

Praxishinweis

Durch die Erhöhung der Inlandstagegelder ab 2024 ergeben sich für die Kürzungshöhe Folgewirkungen.

Kürzungshöhe Inland 2023 Inland 2024
Frühstück

20 % von 28 EUR =

20 % von 30 EUR =

 

5,60 EUR

 

 

6,00 EUR

Mittag- und Abendessen
40 % v. 28 EUR =

40 % v. 30 EUR =

11,20 EUR  

 

12,00 EUR

Darüber hinaus gibt das BMF traditionell zum Jahreswechsel Auslandsreisekosten bekannt. Vor dem Hintergrund der erhöhten Inlandstagegeldsätze ist auch mit der inflationsbedingten Anpassung der Auslandstagegelder mit Folgewirkung auf die Kürzungshöhe zu rechnen.

Praxishinweis

Eine Kürzung der Verpflegungspauschale hat selbst dann zu erfolgen, wenn der ArbN die Mahlzeiteneinnahmemöglichkeit nicht wahrnimmt.[4] Außerdem wird die Kürzung selbst dann vorgenommen, wenn der ArbN in dem Dienstverhältnis keine erste Tätigkeitsstätte unterhält.[5] Bei Gewinneinkünften findet demgegenüber keine Kürzung der Verpflegungsmehraufwendungen statt. Vielmehr wirken sich die tatsächlichen Verpflegungskosten steuerlich nicht aus; als Ausgleich dafür sind die ungekürzten Verpflegungskosten als Betriebsausgaben absetzbar.

 

Betriebsveranstaltungen

Die Unschädlichkeitsgrenze von 110 EUR bei Betriebsveranstaltungen wird mit Wirkung ab 2024 auf 150 EUR angehoben.

Soweit solche Zuwendungen den Betrag von 110 EUR (ab 2024: 150 EUR) je Betriebsveranstaltung und teilnehmenden Arbeitnehmer – unter den weiteren in § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1a EStG genannten Voraussetzungen – nicht übersteigen, gehören sie nicht zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit.[6]

Praxishinweis

Vor dem Hintergrund dieser Freibetragserhöhung kann es sich anbieten, zur Sicherung der Steuerfreiheit eine Weihnachtsfeier auf den Jahresbeginn 2024 zu legen. Die Erhöhung dürfte sich auch auf die Umsatzsteuer auswirken. Nur sofern der Betrag von 110 EUR (ab 2024: 150 EUR) überschritten wird, soll ein Vorsteuerabzug insgesamt entfallen (Fallbeilregelung).[7] Es bleibt abzuwarten, ob der BFH dies in einem gegenwärtig anhängigen Verfahren ebenso beurteilen wird.[8]

 

Keine Fünftelungsregelung im Lohnsteuerabzugsverfahren

Nach § 39b Abs. 3 S. 9 und 10 EStG kann bislang die Tarifermäßigung des § 34 Abs. 1 EStG (sog. Fünftelungsregelung/-methode) für bestimmte Arbeitslöhne (Entschädigungen, Vergütungen für mehrjährige Tätigkeiten) bereits bei der Berechnung der Lohnsteuer berücksichtigt werden.

Die Regelungen zur Berechnung der Lohnsteuer im Zusammenhang mit tarifermäßigt zu besteuerndem Arbeitslohn soll mit Wirkung ab 2024 ersatzlos aufgehoben werden.

Für den Arbeitnehmer ergeben sich nach der Gesetzesbegründung keine Nachteile, denn die Tarifermäßigung des § 34 Abs. 1 EStG könne – wie bisher – im Rahmen der Veranlagung zur Einkommensteuer geltend gemacht werden.

Praxishinweis

Ganz ohne Nachteil ist die Rechtsänderung jedoch nicht für den Arbeitnehmer; er muss bis zur Durchführung der Veranlagung auf eine Steuerrückerstattung warten und einen Liquiditätsnachteil hinnehmen, bis ihm die Steuerermäßigung aus der Fünftelungsregelung gewährt wird. Die Änderung ist erstmals für den Lohnsteuerabzug 2024 anzuwenden.

Durch diese Änderung ergeben sich Folgewirkungen auf den Lohnsteuer-Jahresausgleich[9] und die Veranlagungspflicht[10].

 

 

Praxishinweis

Für beschränkt steuerpflichtige Arbeitnehmer mit tarifermäßigt zu besteuerndem Arbeitslohn soll eine Antragsveranlagung möglich sein.[11]

 

Gruppenunfallversicherung[12]

Von den steuerpflichtigen Beiträgen für eine Unfallversicherung des Arbeitnehmers kann der Arbeitgeber die Lohnsteuer mit einem Pauschsteuersatz von 20 % der Beiträge erheben, wenn

  • mehrere Arbeitnehmer gemeinsam in einem Unfallversicherungsvertrag versichert sind und
  • der Teilbetrag, der sich bei einer Aufteilung der gesamten Beiträge nach Abzug der Versicherungsteuer durch die Zahl der begünstigten Arbeitnehmer ergibt, 100 EUR im Kalenderjahr nicht übersteigt.[13]

Praxishinweis

Die Begrenzung auf 100 EUR soll mit Wirkung ab 2024 ersatzlos gestrichen werden.

[1] § 3 Nr. 13 bzw. 16 EStG

[2] § 3c EStG

[3] § 9 Abs. 4a S. 8 EStG

[4] BFH-Urt. v. 7.7.2020 – VI R 16/18, BStBl II 2020, 783

[5] BFH-Urt. v. 12.7.2021 – VI R 27/19, BStBl II 2021, 642

[6] § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1a S. 3 EStG

[7] BMF-Schr. v. 14.10.2015 – BStBl I 2015, 832; a. A. Seifert, NWB 2016, 431

[8] FG Hamburg, Urt. v. 5.12.2019 – 5 K 222/18, EFG 2022, 64, Rev. eingelegt, Az. des BFH: V R 16/21

[9] § 42b Abs. 2 S. 2 EStG wird aufgehoben

[10] § 46 Abs. 2 Nr. 5 EStG wird aufgehoben.

[11] § 50 Abs. 2 S. 2 Nr. 4 Buchst. d EStG-E

[12] § 40b Abs. 3 EStG

[13] Siehe auch BMF-Schr. v. 28.10.2009 – BStBl I 2009, 1275