Vorsteuerberichtigung bei Erfolglosigkeit
Ändern sich bei einem Wirtschaftsgut, für das der Vorsteuerabzug erfolgte, innerhalb von fünf bzw. zehn Jahren die für den ursprünglichen Vorsteuerabzug maßgebenden Verhältnisse, so ist eine Vorsteuerkorrektur nach § 15a UStG durchzuführen. Doch wie ist zu verfahren, wenn ein Gebäude umgebaut wird, um darin zum Beispiel eine Cafeteria zu betreiben, sich diese Investition aber nach einiger Zeit als erfolglos herausstellt und die Cafeteria anschließend leer steht? Müssen “erfolglose Unternehmer” die Vorsteuer für ungenutzte Räumlichkeiten korrigieren?
Der BFH hatte diese Frage dem EuGH vorgelegt[1], der mit Urteil vom 9.7.2020 entschieden hat, dass der Steuerpflichtige zur Berichtigung des ursprünglichen Vorsteuerabzugs verpflichtet sein kann.[2] Das ist der Fall, wenn Räumlichkeiten leer stehen, diese aber seit dem Leerstand einer (anderweitigen) steuerfreien Tätigkeit zuzuordnen sind. In der Sache war nunmehr wieder der BFH am Zuge, der die – leider nur recht schwer verständlichen – Ausführungen des EuGH mit Leben gefüllt hat.[3] Die Thematik soll hier noch einmal kurz dargestellt werden, da sie für die Praxis erhebliche Bedeutung haben kann.
Der Sachverhalt:
Die Klägerin betreibt ein Alten- und Pflegeheim. Im Jahr 2003 errichtete sie in einem Anbau eine Cafeteria, die sie auch für einige Jahre betrieb und damit fast ausschließlich umsatzsteuerpflichtige Umsätze erzielte, da die Cafeteria nur für auswärtige Gäste gedacht war. In den Streitjahren 2009 bis 2012 wurden in der Cafeteria jedoch keine Warenumsätze mehr ausgeführt. Nach Angaben der Klägerin seien die Räumlichkeiten nur sporadisch für Versammlungen oder Feierlichkeiten der Heimbewohner weiter genutzt worden. An den restlichen Tagen stünden sie leer. Dies führte nach Ansicht des Finanzamts zu einer Berichtigung nach § 15a UStG, da keine Nutzung für Umsätze mit Recht auf Vorsteuerabzug vorliege. Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg.
Die Begründung des FG: Da eine umsatzsteuerpflichtige Nutzung durch auswärtige Besucher weggefallen sei, hätten sich zwangsläufig die Nutzungsanteile dahingehend geändert, dass nunmehr die Heimbewohner diese zu 100 Prozent nutzen. Eine Nutzung zu anderen als zu umsatzsteuerfreien Zwecken liege nicht vor.
Hiergegen wandte sich die Klägerin mit der Revision. Werde ein Gegenstand des Unternehmensvermögens ohne private Nutzungsmöglichkeit nicht mehr verwendet, liege keine Nutzungsänderung vor, die zu einer Vorsteuerberichtigung nach § 15a UStG führe. Die Cafeteria sei eine Fehlinvestition. Eine solche dürfe aus Gründen der steuerlichen Neutralität nicht zu einer Vorsteuerberichtigung führen.
Die Stellungnahme des EuGH dazu kann in etwa mit folgenden Worten wiedergegeben werden:
- Eine Vorsteuerkorrektur nach § 15a UStG ist vorzunehmen, wenn Räumlichkeiten, für deren Anschaffungs- oder Herstellung zuvor der Vorsteuerabzug in Anspruch genommen wurde, leer stehen, diese aber seit dem Leerstand einer (anderweitigen) steuerfreien Tätigkeit zuzuordnen
- Werden Ausgaben zwar zu dem Zweck getätigt, besteuerte Umsätze auszuführen, realisieren sich diese aber nicht, so dass überhaupt keine Umsätze getätigt wurden, wird der ursprüngliche Vorsteuerabzug nicht gekürzt. Der bloße Leerstand ohne Verwendungsabsicht bewirkt keine Änderung der Verhältnisse.
Die Stellungnahme des BFH:
Die eigentliche Frage ist also, wann Räumlichkeiten einer “anderweitigen steuerfreien Tätigkeit” zuzuordnen sind. Dazu führt der BFH unter Berufung auf den EuGH aus: Es kommt darauf an, ob die Räumlichkeiten der Cafeteria nunmehr ausschließlich für die Zwecke der steuerbefreiten Umsätze verwendet wurden. Nur dann wäre eine Vorsteuerkorrektur nach § 15a UStG jeweils für das gesamte Jahr angezeigt. Waren die Räume der Cafeteria hingegen fast das ganze Jahr über verschlossen (= Leerstand) und lag nur eine punktuelle Verwendung für Veranstaltungen des Heims vor, so gilt etwas anderes. Im Umfang eines derartigen Leerstands liege keine Nutzung für steuerfreie Umsätze vor. Es käme dann nur eine anteilige Vorsteuerberichtigung im Umfang der Verwendung für die Veranstaltungen, nicht aber eine vollumfängliche Berichtigung für das gesamte Jahr in Betracht.
Praxishinweise
Der BFH hat die Sache an das FG zurückzuverweisen. Dieses muss nun prüfen, ob die Räumlichkeiten tatsächlich verschlossen waren und in welchem zeitlichen Umfang die ehemalige Cafeteria noch für Versammlungen usw. genutzt wurde. Jedenfalls sollten Unternehmer mit leer stehenden Immobilien oder Räumlichkeiten Beweisvorsorge treiben, um entweder eine weitere Nutzung zu umsatzsteuerpflichtigen Zwecken begründen zu können, um nachzuweisen, dass die Räumlichkeiten objektiv nicht genutzt werden konnten oder um lediglich die punktuelle “Einzelverwendung” (hier: für Veranstaltungen) zeitlich einzugrenzen.
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[1] BFH-Beschluss vom 27.3.2019, V R 61/17, BFH/NV 2019 S. 786 Nr. 7
[2] EuGH-Urteil vom 9.7.2020, C-374/19; vgl. Umsatzsteuer-Info 20/2020
[3] BFH-Urteil vom 27.10.2020, V R 20/20 (V R 61/17), NWB BAAAH-72340
Stand: 14.04.2021