Gesetzgebungsverfahren

Das Bundesfinanzministerium hat am 2. Februar 2022 den Entwurf eines Vierten Gesetzes zur Umsetzung steuerlicher Hilfsmaßnahmen zur Bewältigung der Corona-Krise (Viertes Corona-Steuerhilfegesetz) vorgelegt. Mit einem Kabinettbeschluss ist am 16. Februar 2022 zu rechnen. Das Gesetzgebungsverfahren wird voraussichtlich im März 2022 abgeschlossen werden.

Der Gesetzesentwurf enthält diverse Änderungen. Die lohnsteuerrelevanten Änderungen werden nachfolgend dargestellt.

 

Arbeitgeberzuschüsse zum Kurzarbeitergeld (§ 3 Nr. 28a EStG)

Arbeitgeberzuschüsse zum Kurzarbeitergeld sind nach Maßgabe von § 3 Nr. 28a EStG steuerfrei. Die Steuerfreiheit lief bislang zum 31. Dezember 2021 aus. Der Gesetzgeber plant, diesen Befreiungstatbestand auf Lohnzahlungszeiträume, die vor dem 1. April 2022 enden, zu verlängern.[1]

 

Praxishinweis

Sofern der Arbeitgeber solche Zuschüsse zunächst steuerpflichtig abgerechnet hat, sind diese nach der Gesetzesverkündung (rückwirkend) steuerfrei.[2] Der Arbeitgeber ist zu einer Abrechnungskorrektur verpflichtet, sofern ihm dies wirtschaftlich zumutbar ist.[3] Von einer wirtschaftlichen Zumutbarkeit ist im Allgemeinen auszugehen. Dies gilt nur dann nicht, wenn der begünstigte Mitarbeiter mittlerweile aus dem Dienstverhältnis ausgeschieden ist. Die Steuerfreiheit des zunächst steuerpflichtig abgerechneten Arbeitgeberzuschusses ist dann im Rahmen der persönlichen Einkommensteuerveranlagung zu beantragen.

Die rückwirkende Steuerfreiheit dürfte eine rückwirkende Sozialversicherungsfreiheit nach sich ziehen. Stellungnahmen der Sozialversicherung bleiben abzuwarten.

 

Steuerfreier Pflegebonus (§ 3 Nr. 11b EStG-E)

 

Geplante Gesetzesänderung

Es ist geplant, mit § 3 Nr. 11b EStG-E eine neue Steuerbefreiungsvorschrift aufzunehmen. Danach soll steuerfrei bleiben:

1zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn vom Arbeitgeber in der Zeit vom
18. November 2021 bis zum 31. Dezember 2022 an seine Arbeitnehmer zur Anerkennung besonderer Leistungen während der Corona-Krise aufgrund bundes- oder landesrechtlicher Regelungen gewährte Sonderleistungen bis zu einem Betrag von 3 000 Euro.

2Voraussetzung für die Steuerbefreiung ist, dass die Arbeitnehmer in Einrichtungen im Sinne des § 23 Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 oder Nummer 11 des Infektionsschutzgesetzes oder § 36 Absatz 1 Nummer 2 oder Nummer 7 des Infektionsschutzgesetzes tätig sind.

3Die Steuerbefreiung gilt entsprechend für Personen, die in den in Satz 2 genannten Einrichtungen im Rahmen einer Arbeitnehmerüberlassung oder im Rahmen eines Werk- oder Dienstleistungsvertrags eingesetzt werden.

4Nummer 11a findet auf die Leistungen im Sinne der Sätze 1 bis 3 keine Anwendung.“

 

Zeitlicher Anwendungsbereich

§ 3 Nr. 11b EStG-E soll erstmals für den VZ 2021 anzuwenden sein. Sofern durch die erst in 2022 verabschiedete Gesetzesänderung Zahlungen aus 2021 nachträglich steuerfrei bleiben, ist diese Befreiung mit der Einkommensteuer-Erklärung 2021 zu beantragen.

Praxishinweis

Da Arbeitgeber die bereits an die Finanzverwaltung übermittelten Lohnsteuerbescheinigungen 2021 nicht mehr ändern dürfen,[4] ist davon auszugehen, dass die neue Steuerfreiheit für den VZ 2021 über das Veranlagungsverfahren zu beantragen ist. Hierauf sollte bei Erstellung der Einkommensteuer-Erklärung 2021 geachtet werden.

 

Leistung zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn

Durch § 8 Abs. 4 S. 2 EStG wird bestimmt, dass von einer zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn erbrachten Leistung auch dann auszugehen ist, wenn der Arbeitnehmer arbeitsvertraglich oder auf Grund einer anderen arbeits- oder dienstrechtlichen Rechtsgrundlage (wie Einzelvertrag, Betriebsvereinbarung, Tarifvertrag, Gesetz) einen Anspruch auf diese hat.

Hierbei handelt es sich um eine gesetzliche Klarstellung. Z. T. wurde die Auffassung vertreten, dass eine Arbeitgeberzusatzleistung zu verneinen sei, wenn diese ihren Ursprung in einer arbeitsvertraglichen oder einer anderen arbeits- oder dienstrechtlichen Regelung hat.

Praxishinweis

Eine Arbeitgeberzusatzleistung kann vorliegen, wenn diese verwendungs- bzw. zweckgebunden geleistet wird. Unerheblich ist, ob der ArbG diese freiwillig erbringt oder der ArbN hierauf einen arbeitsrechtlichen Anspruch z. B. nach Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung oder nach einzelvertraglicher Regelung hat.[5]

 

  BFH v. 19.9.2012[6] BFH v. 1.8.2019[7]
Ohnehin geschuldeter Arbeitslohn Arbeitsrechtlich geschuldeter Arbeitslohn Arbeitslohn, der verwendungsfrei und ohne Zweckbestimmung geleistet wird.
Zusätzlicher Arbeitslohn Freiwillig erbrachter Arbeitslohn Arbeitslohn, der verwendungs- bzw. zweckgebunden geleistet wird.

 

Praxishinweis

Da der durch den Arbeitgeber weitergeleitete Pflegebonus eine zweckgebundene Leistung ist, liegen die Voraussetzungen für das Vorliegen eines zusätzlichen Arbeitslohns vor. Tarifvertragliche Ansprüche sind hierfür unerheblich.

 

Hintergrund für die Gesetzesänderung

Die besonderen Arbeitsbedingungen aufgrund der fortdauernden SARS-CoV-2-Pandemie und die Versorgung von mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 infizierten Personen stellen insbesondere für Pflegekräfte besondere Herausforderungen dar.

Dementsprechend ist es angezeigt, insbesondere den in Krankenhäusern auf Intensivstationen tätigen Pflegekräften eine Prämie als finanzielle Anerkennung zu gewähren (Pflegebonus).

Die Auszahlung sollte dabei durch den Arbeitgeber erfolgen, und die Kosten sollten durch den Bund erstattet werden.

Neben dem Bund planen auch die Länder teilweise eigene Prämienzahlungen. Um die finanzielle Wirkung der Prämie noch zu verstärken, wird diese – unabhängig davon, ob sie aufgrund bundes- oder landesrechtlicher Regelungen gezahlt wird – bis zu einer Höhe von 3.000 EUR steuerfrei gestellt.

Nicht begünstigt sind freiwillige Leistungen des Arbeitgebers, die nicht aufgrund bundes- oder landesrechtlicher Regelungen gewährt werden.

Der Kreis der Anspruchsberechtigten in Bezug auf die Steuerbefreiung umfasst nicht nur Pflegekräfte, sondern auch weitere in Krankenhäusern sowie in Pflegeeinrichtungen und – diensten tätige Arbeitnehmer. Dies schließt unter anderem auch in den in § 3 Nr. 11b Satz 2 EStG-E genannten Einrichtungen tätige Auszubildende, Freiwillige im Sinne des § 2 des Bundesfreiwilligendienstgesetzes und Freiwillige im Sinne des § 2 des Jugendfreiwilligendienstegesetzes im freiwilligen sozialen Jahr ein.

Begünstigt ist der Auszahlungszeitraum ab dem 18. November 2021, da an diesem Tag der maßgebliche Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz über die Gewährung von weiteren Prämien gefasst worden ist.

Um ausreichend Zeit für die Auszahlung zur Verfügung zu stellen, sind Auszahlungen bis zum 31. Dezember 2022 begünstigt. Voraussetzung für die Steuerbefreiung ist, dass die Arbeitnehmer in einer der folgenden Einrichtungen oder in einem der folgenden Dienste tätig sind

  • Krankenhäuser,
  • ambulante Pflegedienste, die ambulante Intensivpflege in Einrichtungen, Wohngruppen oder sonstigen gemeinschaftlichen Wohnformen erbringen,
  • nicht unter § 23 Abs. 5 Satz 1 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) fallende voll- oder teilstationäre Einrichtungen zur Betreuung und Unterbringung älterer, behinderter oder pflegebedürftiger Menschen oder vergleichbare Einrichtungen (vgl. § 36 Abs. 1 Nummer 2 IfSG) oder
  • nicht unter § 23 Abs. 5 Satz 1 IfSG fallende ambulante Pflegedienste und Unternehmen, die den Einrichtungen nach § 36 Abs. 1 Nr. 2 IfSG vergleichbare Dienstleistungen anbieten. Angebote zur Unterstützung im Alltag im Sinne von § 45a Abs. 1 Satz 2 des Elften Buches Sozialgesetzbuch zählen nicht zu den Dienstleistungen, die mit Angeboten in Einrichtungen nach § 36 Absatz 1 Nummer 2 IfSG vergleichbar sind.
  • 3 Nr. 11b Satz 3 EStG-E erweitert den Kreis der Berechtigten auf Personen, die in den in Satz 2 genannten Einrichtungen im Rahmen einer Arbeitnehmerüberlassung oder im Rahmen eines Werk- oder Dienstleistungsvertrags eingesetzt werden. Auf das Bestehen eines Arbeitsvertragsverhältnisses zum Inhaber der Einrichtung kommt es insoweit nicht an.
  • 3 Nr. 11b Satz 4 EStG-E stellt zur Abgrenzung klar, dass auf die in den § 3 Nr. 11b Sätzen 1 bis 3 EStG-E geregelten Prämienzahlungen § 3 Nummer 11a EStG keine Anwendung findet.

 

Praxishinweis

Es bleibt abzuwarten, ob die Begünstigung einzelner Berufsgruppen verfassungsgemäß ist. Dies ist zu bezweifeln, weil sämtliche Mitarbeiter und auch deren Arbeitgeber unter der Corona-Pandemie leiden. Zumindest mit der Einkommensteuer-Erklärung 2021 bzw. 2022 sollte für freiwillige Sonderzahlungen des Arbeitgebers im Zeitraum vom 18. November 2021 bis zum 31. Dezember 2022 bis zur Höhe von 3.000 EUR eine Steuerfreiheit beantragt werden.

 

 

[1] § 3 Nr. 28a EStG-E

[2] § 41c Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG

[3] § 41c Abs. 1 Satz 2 EStG

[4] § 41c Abs. 3 Satz 1 EStG

[5] BFH-Urt. v. 1.8.2019 – VI R 32/18, BStBl II 2020, 106 Rz. 18; siehe auch BMF-Schr. v. 8.8.2019 – IV C 5-S 2333/19/100001, BStBl I 2019, 834

[6] BFH-Urt. v. 19.9.2012 – VI R 54/11, BStBl II 2013, 395 und VI R 55/11, BStBl II 2013, 398

[7] BFH-Urt. v. 1.8.2019 – VI R 32/18, BStBl II 2020, 106