Der Bundestag hat am 19.5.2022 das mittlerweile Vierte Corona-Steuerhilfegesetz verabschiedet.[1] Der Bundesrat hat diesem Gesetzesbeschluss des Bundestags am 10.6.2022 zugestimmt.[2] Mit einer Verkündung im BGBl ist in Kürze zu rechnen.

 

Praxishinweis

Durch die Beschlussempfehlung und den Bericht des BT-Finanzausschusses[3] wurden in das Gesetz letzte Änderungen im Vergleich zu den vorherigen Entwürfen aufgenommen. Die Beratungspraxis sollte gerade auch auf die Änderungen der letzten Sekunde ein besonderes Augenmerk legen.

Das Vierte Corona-Steuerhilfegesetz enthält zum einen lange erwartete Änderungen:

  • Verlängerung der degressiven Abschreibung[4] bis zum 31.12.2022. Ob Unternehmen vor dem Hintergrund der gegenwärtigen Lieferschwierigkeiten hiervon profitieren können, muss im Einzelfall beurteilt Ob und wann eine im Koalitionsvertrag festgeschriebene „Superabschreibung“ beschlossen wird, ist unklar.
  • Verlängerung der bisherigen Regelung zur Homeoffice-Pauschale[5] bis zum 31.12.2022. Wegen der drastisch gestiegenen Energiekosten dürfte zumindest eine Wertanpassung – auch beim Abzugshöchstbetrag bei einem häuslichen Arbeitszimmer – angezeigt sein. Die Ampelkoalition ist sich aber darüber einig, dass bei der Abziehbarkeit der Arbeitszimmeraufwendungen etwas geschehen muss. Vor dem Hintergrund der geänderten Lebens- und Arbeitswirklichkeit ist mit einer strukturellen Änderung der Abzugsmöglichkeiten von Aufwendungen für ein Arbeitszimmer zu rechnen.[6]
  • Die IAB-Fristen und die § 6b EStG-Fristen, die in 2022 enden, werden um jeweils um ein weiteres Jahr verlängert.
  • Ertragsteuerlich wird bis 2023 die bisherige Verlustrücktragshöhe von 10 Mio. EUR / 20 Mio. EUR (Einzel- / Zusammenveranlagung) fortgeschrieben. Ab dem VZ 2022 existiert die Möglichkeit, einen ertragsteuerlichen Verlustrücktrag von
    2 Jahren zu wählen; eine Verlustrücktragsmöglichkeit existiert bei der Gewerbesteuer weiterhin nicht. Im Vergleich zur bisherigen Regelung kann der Verlustrücktrag der Höhe nach nicht mehr begrenzt werden, so dass sich hierdurch ansonsten mögliche Steuerermäßigungen nach §§ 35, 35a sowie 35c EStG endgültig verloren gehen. Gleiches gilt für den Sonderausgabenabzug, den Abzug von außergewöhnlichen Belastungen und den Grundfreibetrag. Die Inanspruchnahme eines Verlustrücktrags muss damit künftig gut überlegt werden.
  • Die Steuerfreiheit von Arbeitgeberaufstockungsbeträgen zum Kurzarbeitergeld[7] wird auf Lohnzahlungszeiträume verlängert, die vor dem 1.7.2022 enden. Wenngleich die Regelung viel zu spät vom Gesetzgeber verabschiedet wurde und rückwirkend ab Januar 2022 gilt, ist sie zu begrüßen.

 

Auf Vorschlag des Bundesrates hat der Gesetzgeber die Steuererklärungs- und Feststellungserklärungsfristen zeitlich weiter verlängert als zunächst vorgesehen.

 

Übersicht

Pflichtveranlagung VZ 2020 VZ 2021 VZ 2022 VZ 2023 VZ 2024
Steuerlich nicht beratene Personen (§ 149 Abs. 2 Satz 1 AO) 31.10.2021 31.10.2022 30.09.2023 31.08.2024 31.07.2025
Steuerlich beratene Personen (§ 149 Abs. 3 Satz 1 AO)          
Allgemein 31.08.2022 31.08.2023 31.07.2024 31.05.2025 30.04.2026
Überwiegend L+F 31.01.2023 31.01.2024 31.12.2024 31.10.2025 30.09.2026
           
Antragsveranlagung 31.12.2024 31.12.2025 31.12.2026 31.12.2027 31.12.2028

 

Praxishinweis

Die erst jetzt beschlossene Verlängerung der Erklärungsfrist für den Besteuerungszeitraum 2020 hat die Finanzverwaltung bereits vor deren gesetzlicher Verabschiedung angewandt.[8]

Das Vierte Corona-Steuerhilfegesetz enthält zum anderen unerwartete Änderungen, die in letzter Sekunde Eingang in das Gesetz gefunden haben:

  • Neu aufgenommen wurde, dass unverzinsliche Verbindlichkeiten nicht mehr abzuzinsen sind.[9] Das Abzinsungsgebot entfällt auch wegen der bisherigen Niedrigzinsphase. Zur zeitlichen Anwendung bestimmt § 52 Abs. 2 Satz 2 und 3 EStG Folgendes: Unverzinsliche Verbindlichkeiten sind in nach dem
    12.2022 endenden Wirtschaftsjahren nicht mehr abzuzinsen. D. h. spätestens dann ist die Verbindlichkeit steuerlich ohne Abzinsung zu passivieren. Auf formlosen Antrag kann die Abzinsungspflicht bereits in vor dem 1.1.2023 endenden Wirtschaftsjahren vorzeitig entfallen, soweit die betroffenen Veranlagungen nicht bestandskräftig sind. Durch das eingeräumte erstmalige Anwendungswahlrecht ergeben sich steuerliche Gestaltungsmöglichkeiten – auch in Bezug auf das Jahr der gewinnmindernden Erhöhung der bislang bilanzierten unverzinslichen Verbindlichkeit.

 

Praxishinweis

Rückstellungen für Verpflichtungen sind jedoch weiterhin mit einem Zinssatz von 5,5 % abzuzinsen, wenn deren Laufzeit am Bilanzstichtag mindestens 12 Monate beträgt.[10] Rückstellungen für Verpflichtungen, die verzinslich sind oder auf einer Anzahlung oder Vorausleistung beruhen, sind davon ausgenommen. Durch die unterschiedliche Behandlung von unverzinslichen Verbindlichkeiten und unverzinslichen Rückstellungen kommt der Abgrenzung künftig eine hohe steuerliche Bedeutung zu.

 

  • Beachtenswert sind die Regelungen zum steuerfreien Pflegebonus.[11] Der steuerfreie Pflegebonus wird bis zu 4.500 EUR (zunächst geplant: 3.000 EUR) gewährt. Der Leistungszeitraum erstreckt sich vom11.2021 bis zum 31.12.2022. Die Steuerfreiheit wird für zweckgebundene Zusatzleistungen[12] zur Anerkennung besonderer Leistungen während der Corona-Krise gewährt. Zunächst war vorgesehen, dass die besonderen Arbeitgeberleistungen nur dann steuerfrei sein sollten, wenn sie aufgrund bundes- oder landesrechtlicher Regelungen geleistet würden. Dies ist im verabschiedeten Gesetzeswortlaut nicht mehr enthalten. Damit sind auch Zahlungen aufgrund eines Tarifvertrags oder aufgrund einer einzelvertraglichen Vereinbarung steuerfrei leistbar. Außerdem wurde der Kreis der Begünstigten erheblich erweitert. Voraussetzung für die Steuerbefreiung ist, dass die Arbeitnehmer in Einrichtungen im Sinne des § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 bis 4, 8, 11 oder Nr. 12 des Infektionsschutz-gesetzes oder § 36 Abs. 1 Nr. 2 oder Nr. 7 des Infektionsschutzgesetzes tätig sind. Auch bei Beschäftigten in Einrichtungen für ambulantes Operieren, bestimmten Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen, Dialyseeinrichtungen, Arzt- und Zahnarztpraxen sowie Rettungsdienste kann die neue Steuerfreiheit angewandt werden.

 

[1] BT-Drs. 223/22 v. 20.5.2022

[2] BR-Drs. 223/22 (Beschluss) v. 10.6.2022

[3] BT-Drs. 20/1906 v. 18.5.2022

[4] § 7 Abs. 2 EStG

[5] § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 4 EStG

[6] Plenarprotokoll 20/35 v. 19.5.2022 S. 50

[7] § 3 Nr. 28a EStG

[8] BMF-Schr. 1.4.2022 – IV A 3-S 0261/20/10001:016, BStBl I 2022, 319

[9] § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG

[10] § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. e EStG

[11] § 3 Nr. 11b EStG

[12] Siehe § 8 Abs. 4 EStG