Grundsatzentscheidung des BFH
Der BFH hat mit Urteil vom 13. August 2020[1] Folgendes entschieden:
Der Arbeitgeber als Halter eines Kfz leistet die Zahlung eines Verwarnungsgeldes wegen einer ihm erteilten Verwarnung[2] auf seine eigene Schuld. Die Zahlung führt daher nicht zu Arbeitslohn des die Ordnungswidrigkeit begehenden Arbeitnehmers.
Entscheidung Teil 1
Die Arbeitgeberin übernahm im Entscheidungsfall als Halterin eine eigene Verbindlichkeit. Dies gilt auch, wenn die Halterin sich weigert, die Personalien des Fahrers zu nennen. Ein Zufluss von Arbeitslohn liegt hierdurch nicht bei dem Arbeitnehmer vor, der die Ordnungswidrigkeit begangen hat, obwohl die Arbeitgeberin gezahlt hat.
Entscheidung Teil 2
Der Erlass einer Forderung, die dem Arbeitgeber gegen den Arbeitnehmer zusteht, kann Arbeitslohn auslösen. Liegt eine durch den Arbeitgeber gegenüber dem Arbeitnehmer realisierbare Forderung vor, die sich durch die Tragung der Bußgelder begründet, und nimmt der Arbeitgeber auf den Arbeitnehmer keinen Rückgriff, löst dies einen geldwerten Vorteil aus.[3] Dies gilt zumindest dann, wenn der Arbeitnehmer sich hiermit einverstanden erklärt.[4]
Praxishinweis
Der BFH ordnet den Forderungserlass als geldwerten Vorteil ein. Dieser dürfte nach
§ 8 Abs. 2 Satz 1 EStG zu bewerten sein, so dass hierfür auch die 50 EUR-Freigrenze[5] bzw. eine Pauschalierung nach Maßgabe von § 37b Abs. 2 EStG in Frage kommen kann.
Der BFH hatte den Entscheidungsfall an das FG zurückverwiesen. Dieses FG hatte die Frage zu klären, ob der Klägerin ein (gesetzliches oder vertragliches) Rückgriffsrecht gegenüber dem jeweiligen Arbeitnehmer wegen der Parkverstöße und der hiermit verbundenen Kostenübernahme zusteht.
Sollte ein Schadensersatzanspruch bestehen und wird dieser erlassen, kann der Forderungserlass nach Auffassung des BFH keine Leistung im ganz überwiegend eigenbetrieblichen Interesse sein. Denn ein rechtswidriges Tun kann eine solche Leistung – selbst in Bagatellfällen – nicht begründen.
Der Arbeitslohnzufluss findet im jeweiligen Erlasszeitpunkt statt. Dieser ist i.d.R. nicht identisch mit dem Zeitpunkt der Kostenübernahme durch den Arbeitgeber. Auch insoweit bleibt abzuwarten, wie das nunmehr entscheidende FG Düsseldorf den eventuellen Zuflusszeitpunkt bestimmen wird.
Praxishinweis
Der Zuflusszeitpunkt ist auch wegen der Anwendung der 50 EUR-Freigrenze und der dann notwendigen Zusammenrechnung mit weiteren geldwerten Vorteilen nach § 8 Abs. 2 Satz 1 EStG bedeutsam.
Das FG Düsseldorf ist in dem zurückgewiesenen Verfahren nunmehr zur Auffassung gelangt, dass ein Rückgriffsrecht gegenüber dem Arbeitnehmer fehle und demgemäß in der Übernahme von Verwarnungsgeld wegen Falschparkens durch Postzusteller kein steuerpflichtiger Arbeitslohn ausgelöst werde. Dies wird damit begründet, dass die Kostenübernahme auf einer langjährigen betrieblichen Praxis beruht.[6] Vergleichbare Sachverhalte, in denen die Finanzverwaltung von Arbeitslohn ausgeht, sollten offen gehalten werden.
[1] BFH v. 13.8.2020 – VI R 1/17, BStBl II 2021, 103; siehe auch OFD FfM v. 30.6.2021, S 2332 A-094-St 212, DStR 2021, 2203
[2] § 56 Abs. 1 Satz 1 OWiG
[3] BFH-Urt. v. 13.8.2020 – VI R 1/17, BStBl II 2021, 103, Rz. 28
[4] Unbestrittene Forderung: BFH-Urt. v. 13.8.2020 – VI R 1/17, BStBl II 2021, 103, Rz. 28
[5] Bis 2021: 44 EUR
[6] FG Düsseldorf, Urt. v. 12.11.2021 – 1 K 2470/14 L, BeckRS 2021, 38638, NZB eingelegt, Az. des BFH: VI B 89/21