Grundsätzliches

Der Koalitionsausschuss hat am 23. Februar 2022 weitere Steueränderungen beschlossen. Diese Beschlüsse haben Eingang in den Referentenentwurf eines Steuerentlastungsgesetzes 2022 gefunden.

Es wurden folgende Änderungen beschlossen bzw. es sind folgende Änderungen durch den Entwurf eines Steuerentlastungsgesetzes 2022 vorgesehen:

 

Erhöhung der Entfernungspauschale für Fernpendler und lohnsteuerliche Folgewirkungen

Zur Entlastung der Fernpendler wird die verkehrsmittelunabhängige Entfernungspauschale[1] seit 1. Januar 2021 befristet bis zum
31. Dezember 2026 gestaffelt gewährt.

Ab dem 21. Entfernungskilometer ergibt sich eine erhöhte Entfernungspauschale, durch die Fernpendlern ein erhöhter steuerlicher Abzug gewährt wird. Die erhöhte Entfernungspauschale wird unabhängig vom gewählten Verkehrsmittel gewährt.[2]

 

Übersicht (bisherige Rechtslage)

Vor dem Hintergrund der aktuellen Benzinpreisentwicklung ist eine Erhöhung der Entfernungspauschale für Fernpendler ab dem
21. Kilometer um 3 Cent pro Kilometer von 35 Cent auf 38 Cent geplant. Die eigentlich ab 2024 vorgesehene Erhöhung wird zeitlich vorgezogen und soll rückwirkend zum 1. Januar 2022 zur Anwendung kommen.

Praxishinweis

Es bleibt abzuwarten, ob auch die Fahrtkostenpauschale bei Reisekosten von gegenwärtig 0,30 EUR/km (PKW) rückwirkend ab 1. Januar 2022 angehoben wird.

  • Folgewirkung auf die Lohnsteuer-Pauschalierung

Die geplante Erhöhung der Entfernungspauschale ab dem 21. wirkt sich auch auf das Lohnsteuer-Pauschalierungsvolumen nach § 40 Abs. 2 Satz 2 EStG aus.

Nach § 40 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 EStG kann der Arbeitgeber die Lohnsteuer mit einem Pauschsteuersatz von 15 % für die nicht nach § 3 Nr. 15 EStG steuerfreien Leistungen, die in § 40 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 Buchst. a) bzw. Buchst. b) EStG genannt sind, pauschalieren.

Der Höhe nach ist die Pauschalierung auf die Beträge begrenzt, die der Arbeitnehmer ansonsten als Werbungskosten geltend machen könnte. Die gestaffelte Entfernungspauschale wirkt sich somit auf die Pauschalierungshöhe aus.

 

 

 

Praxishinweis

Neben der Entfernungspauschale lässt die FinVerw. unfallbedingte Kosten zum Abzug zu.[3] Es handelt sich hierbei um allgemeine Werbungskosten, so dass eine Pauschalierung der Lohnsteuer nach Maßgabe von § 40 Abs. 2 S. 2 EStG ausscheidet.

  • Fahrtkostenzuschüsse für Fahrten zur ersten Tätigkeitsstätte

Der Arbeitgeber kann die Lohnsteuer mit 15 % pauschalieren, sofern er Zuschüsse für die Aufwendungen des Arbeitnehmers für die Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn[4] leistet und diese den ansonsten als Werbungskosten abziehbaren Betrag nicht übersteigen.

Beispiel

Die Wegstrecke der Arbeitnehmerin A zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte beträgt 35 Ekm. Sie legt die Fahrt mit dem privaten PKW zurück. A ist wöchentlich an fünf Arbeitstagen im Betrieb tätig. Der Arbeitgeber will den höchstmöglichen monatlichen Betrag an die Mitarbeiterin zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn pauschaliert auszahlen.

Lösung

Bisherige Pauschalierung nach § 40 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1b EStG – Pauschalierungssatz 15 %

15 Arbeitstage x 0,30 EUR x 20 Ekm =                                                                  90,00 EUR
15 Arbeitstage x 0,35 EUR x 15 Ekm =                                                                  78,75 EUR

Summe (monatlich) =                                                                                           168,75 EUR
Pauschalsteuer 15 % v. 168,75 EUR =                                                                 25,31 EUR[5]

Diese Lohnsteuerpauschalierung ist auf der Lohnsteuerbescheinigung betragsmäßig zu vermerken und mindert den Werbungskostenabzug.

Sofern es ab dem Jahr 2022 zu einer Erhöhung der Entfernungspauschale auf 0,38 EUR ab dem 21. Entfernungskilometer kommen sollte, ergäbe sich folgende neue Pauschalierungshöhe:

 

15 Arbeitstage x 0,30 EUR x 20 Ekm =                                                                  90,00 EUR
15 Arbeitstage x 0,38 EUR x 15 Ekm =                                                                  85,50 EUR

Summe (monatlich) =                                                                                           175,50 EUR
Pauschalsteuer 15 % v. 175,50 EUR =                                                                 26,33 EUR[6]

Diese Lohnsteuerpauschalierung ist unverändert auf der Lohnsteuerbescheinigung betragsmäßig zu vermerken und mindert den Werbungskostenabzug.

Praxishinweis

Eine Minderung der Entfernungspauschale tritt bei den steuerfreien Leistungen nach § 3 Nr. 15 EStG bis maximal zur Höhe der als Werbungskosten abziehbaren Aufwendungen ein.[7] Sofern die steuerfreien Leistungen die abziehbaren Werbungskosten übersteigen, wird keine nachträgliche Versteuerung im Rahmen der Veranlagung ausgelöst. Dies gilt nur dann nicht, wenn der Arbeitgeber die Steuerfreiheit nach § 3 Nr. 15 EStG ausnahmsweise zu Unrecht angewandt hat.

Abwandlung

Wie Beispiel zuvor, allerdings legt A die Wegstrecke zur Arbeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln im Linienverkehr zurück. Die Aufwendungen hierfür betragen im Monat 150 EUR. Diese Aufwendungen übernimmt der Arbeitgeber.

Lösung

Der Arbeitgeber kann die von ihm getragenen Aufwendungen i.H.v. monatlich 150 EUR nach § 3 Nr. 15 EStG steuerfrei belassen. Durch die Steuerfreiheit werden die Werbungskosten der Arbeitnehmerin gemindert. Diese steuerfreien Leistungen sind auf der Lohnsteuerbescheinigung betragsmäßig zu vermerken; diese reduzieren den Werbungskostenabzug „Entfernungspauschale“ bis auf maximal 0 EUR.

Der Arbeitgeber kann die Lohnsteuerfreiheit nach § 3 Nr. 15 EStG zu Gunsten einer Lohnsteuerpauschalierung nach § 40 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 EStG abwählen. Der Pauschalierungssatz beträgt 25 %; die Werbungskosten „Entfernungspauschale“ der Arbeitnehmerin werden durch diese Lohnsteuerpauschalierung nicht gemindert. Einer betragsmäßigen Aufführung in der Lohnsteuerbescheinigung bedarf es bei Anwendung dieser Pauschalierungsnorm nicht.

  • Lohnsteuerpauschalierung und Dienstwagen

Der Arbeitgeber kann Sachbezüge für die Fahrten zur ersten Tätigkeitsstätte und denen gleichgestellte Fahrten mit einem Pauschalierungssatz von 15 % versteuern.[8] Der Höhe nach ist auch diese Pauschalierung auf den Betrag begrenzt, den der Arbeitnehmer ansonsten als Werbungskosten geltend machen kann. Damit wirkt sich die geplante Erhöhung der Entfernungspauschale ab dem
21. Entfernungskilometer auch auf diese Pauschalierungshöhe aus.

Praxishinweis

Eine Anwendung der Steuerfreiheit nach § 3 Nr. 15 EStG scheidet für Dienstwagengestellungen selbst dann aus, wenn es sich bei dem Dienstwagen um ein Elektrofahrzeug oder ein Hybridelektrofahrzeug handelt.

 

Beispiel

Der Arbeitgeber stellt dem Mitarbeiter H einen Dienstwagen mit einem inländischen Listenpreis im Zeitpunkt der Erstzulassung von 50.000 EUR zur privaten Nutzung und zur Nutzung für Fahrten zur ersten Tätigkeitsstätte zur Verfügung. Die Wegstrecke zur ersten Tätigkeitsstätte beträgt 30 Entfernungskilometer. H ist wöchentlich an fünf Arbeitstagen im Betrieb tätig. Der Arbeitgeber möchte den höchstmöglichen Betrag pauschalieren.

Lösung

Privater Nutzungsvorteil (monatlich)
1 % v. 50.000 EUR =                                                                                            500,00 EUR

Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte (monatlich)
0,03 % v. 50.000 EUR x 30 Ekm =                                                                       450,00 EUR

Summe=                                                                                                                950,00 EUR

davon pauschalierbar (bisherige Rechtslage)

0,30 EUR x 15 Arbeitstage x 20 Ekm=                                                                   90,00 EUR
0,35 EUR x 15 Arbeitstage x 10 Ekm =                                                                  52,50 EUR

Summe=                                                                                                                142,50 EUR

 

davon pauschalierbar (geplante Rechtslage)

0,30 EUR x 15 Arbeitstage x 20 Ekm=                                                                   90,00 EUR
0,38 EUR x 15 Arbeitstage x 10 Ekm =                                                                  57,00 EUR

Summe=                                                                                                                147,00 EUR

Praxishinweis

Die Erhöhung der ab dem 21. Entfernungskilometer geltenden Entfernungspauschale soll rückwirkend ab dem 1. Januar 2022 zur Anwendung kommen. Es dürfte sich nach Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens die Frage stellen, ob der Arbeitgeber rückwirkend für bereits abgerechnete Monate eine erhöhte Lohnsteuerpauschalierung vornehmen kann. Wir werden Sie informieren, sobald hierzu Informationen vorliegen.

 

Familienheimfahrten im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung und gestaffelte Entfernungspauschale

Für jeweils eine wöchentlich tatsächlich durchgeführte Familienheimfahrt gilt die erhöhte gestaffelte Entfernungspauschale ebenso.[9] Mittelbar wirkt sich die Erhöhung der Entfernungspauschale auch auf die steuerfreie Erstattung von wöchentlichen Familienheimfahrten aus.

 

Praxishinweis

Die Begrenzung auf einen Höchstbetrag von 4.500 EUR gilt bei Familienheimfahrten weiterhin nicht. Die gestaffelte Entfernungspauschale wirkt sich im Falle einer Dienstwagengestellung nicht aus, da für die wöchentliche Familienheimfahrt kein geldwerter Vorteil angesetzt[10] wird und korrespondierend ein Werbungskostenabzug gesetzlich ausgeschlossen[11] ist.

Beispiel

Der Arbeitgeber erstattet die wöchentliche Familienheimfahrt (600 Ekm), die der Arbeitnehmer mit seinem Privatwagen durchführt. Welche steuerfreie Arbeitgebererstattung ist für die wöchentliche Familienheimfahrt möglich?

Lösung (bislang)

20 Ekm x 0,30 EUR =                                                                                               6,00 EUR
580 Ekm x 0,35 EUR =                                                                                         203,00 EUR
Summe                                                                                                                  209,00 EUR

 

Lösung (geplant)

20 Ekm x 0,30 EUR =                                                                                               6,00 EUR
580 Ekm x 0,38 EUR =                                                                                         220,40 EUR
Summe                                                                                                                  226,40 EUR

 

Erhöhung des Arbeitnehmer-Pauschbetrags

Geplant ist ferner die Erhöhung des Arbeitnehmer-Pauschbetrags von bislang 1.000 EUR[12] auf 1.200 EUR rückwirkend zum 1. Januar 2022.

Der Arbeitnehmer-Pauschbetrag wird bereits während des Jahres monatlich beim Lohnsteuerabzug in den Steuerklassen I bis V berücksichtigt.

Erhöht sich der Arbeitnehmer-Pauschbetrag im Laufe des Jahres 2022 mit steuerlicher Rückwirkung, ist diese rückwirkende Gesetzesänderung rückwirkend im Lohnsteuerabzugsverfahren zu berücksichtigen.[13] Eine Arbeitgeberverpflichtung zur rückwirkenden Berücksichtigung besteht nur dann nicht, wenn ihm dies wirtschaftlich nicht zumutbar ist (z. B. weil der Mitarbeiter mittlerweile aus dem Betrieb ausgeschieden ist). Eine Berücksichtigung erfolgt dann im Rahmen der Einkommensteuer-Veranlagung des jeweiligen Arbeitnehmers.

 

Erhöhung des Grundfreibetrags

Geplant ist die Erhöhung des Grundfreibetrags um 363 EUR von derzeit 9.984 EUR (2022: Einzelveranlagung) auf 10.347 EUR. Auch diese Erhöhung ist rückwirkend ab dem 1. Januar 2022 vorgesehen.

Praxishinweis

Bei Berechnung der Lohnsteuer wird der Grundfreibetrag ebenfalls berücksichtigt. Kommt es zu einer rückwirkenden Erhöhung, ist die Lohnsteuer rückwirkend zu korrigieren, wenn dies dem Arbeitgeber wirtschaftlich zumutbar ist.[14]

Eine Verpflichtung zur Neuberechnung scheidet allerdings aus, wenn z. B. der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber keinen Arbeitslohn mehr bezieht oder wenn die Lohnsteuerbescheinigung bereits übermittelt oder ausgeschrieben worden ist.[15] In diesen Fällen tritt der Effekt aus der Erhöhung des Grundfreibetrags im Rahmen der Einkommensteuer-Veranlagung ein.

 

[1]              § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG; siehe auch R 9.10 LStR und hierzu ergangene LStH

[2]              Hörster, NWB 2019, 3202 (3205)

[3]              Siehe BFH-Urt. v. 19.12.2019, VI R 8/18, BStBl II 2020, 291

[4]              § 8 Abs. 4 EStG

[5]              Zuzüglich Solidaritätszuschlag und eventuell Kirchenlohnsteuer

[6]              Zuzüglich Solidaritätszuschlag und eventuell Kirchenlohnsteuer

[7]              § 3 Nr. 15 Satz 3 EStG

[8]              § 40 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Buchst. a) EStG

[9]              § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 9 EStG

[10]            § 8 Abs. 2 Sätze 5 EStG

[11]            § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 5 S. 8 EStG

[12]            § 9a Satz 1 Nr. 1 Buchst. a) EStG

[13]            § 41c Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Satz 2 EStG

[14]            § 41c Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Satz 2 EStG

[15]            § 41c Abs. 3 EStG