Prozesskosten zur Erlangung nachehelichen Unterhalts als Werbungskosten

 

Prozesskosten zur Erlangung nachehelichen Unterhalts sind als Werbungskosten abziehbar, wenn der Unterhaltsempfänger die Unterhaltsleistungen als sonstige Einkünfte versteuert.[1]

Das Realsplitting § 22 Nr. 1a EStG umfasst Unterhaltsleistungen vom geschiedenen oder dauernd getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartner. Diese können unter der Voraussetzung, dass der Geber dies mit Zustimmung des Empfängers beantragt, bis 13.805 EUR jährlich als Sonderausgaben in Abzug gebracht werden. In gleicher Höhe entsteht die Steuerpflicht nach Nr. 1a beim Empfänger. Das sog. Realsplitting bewirkt faktisch eine Verlagerung der Steuerschuld.

Das FG Münster hatte im Streitfall darüber zu entscheiden, ob bei gerichtlicher Erstreitung von nach § 22 EStG steuerpflichtigen Unterhaltsleistungen ein Werbungskostenabzug in Betracht kommen könnte.

Die Klägerin und ihr mittlerweile geschiedener Ehemann trennten sich im Jahr 2012. Vor dem Amtsgericht führten beide ein familienrechtliches Streitverfahren, das die Scheidung, den Versorgungsausgleich sowie den nachehelichen Unterhalt umfasste. Im Jahr 2014 wurde die Ehe durch Beschluss des Amtsgerichts geschieden und der frühere Ehemann der Klägerin zu monatlichen Unterhaltszahlungen verpflichtet.

Gegen den Beschluss des Amtsgerichts erhoben die Klägerin Beschwerde und ihr früherer Ehemann Anschlussbeschwerde beim Oberlandesgericht. Streitgegenstand dieses Verfahrens war die Höhe des zu zahlenden nachehelichen Unterhalts, wobei der frühere Ehemann die gänzliche Aufhebung von Unterhaltsleistungen und die Klägerin hingegen höhere monatliche Zahlungen begehrte. Im Jahr 2015 kam ein gerichtlicher Vergleich über die Unterhaltshöhe zustande.

In ihrer Einkommensteuererklärung 2015 erklärte die Klägerin sog. sonstige Einkünfte in Höhe der erhaltenen Unterhaltszahlungen und machte die Prozessführungskosten (Gerichts- und Rechtsanwaltskosten), die auf die Verfahren zum nachehelichen Unterhalt entfielen, steuermindernd geltend. Das FA lehnte die Berücksichtigung ab.

Das FG Münster gab der Klage statt:

Bei der Klägerin als Unterhaltsempfängerin sind die Prozessführungskosten als Werbungskosten zu berücksichtigen, weil sie den Unterhalt ihres geschiedenen Ehemannes nach § 22 Nr. 1a EStG versteuert.

Die Klägerin hat die Prozessführungskosten aufgewendet, um zukünftig (höhere) steuerbare Einkünfte in Form von Unterhaltsleistungen zu erhalten. Die Unterhaltszahlungen sind gemäß § 22 Nr. 1a EStG als steuerbare Einkünfte zu behandeln, weil der geschiedene Ehemann als Zahlungsverpflichteter die Möglichkeit hatte, seine Unterhaltszahlungen als Sonderausgaben gemäß § 10 Abs. 1a EStG abzuziehen, sog. Realsplitting. Die Unterhaltszahlungen sind den übrigen Einkünften insoweit vollständig gleichgestellt. Daraus folgt, dass auch ein Werbungskostenabzug vollumfänglich möglich sein muss.

Da die Aufwendungen der Klägerin vollständig als Werbungskosten berücksichtigungsfähig waren, musste das FG nicht über die Frage entscheiden, unter welchen Voraussetzungen Prozessführungskosten zur Geltendmachung nachehelichen Unterhalts gemäß § 33 Abs. 2 S. 4 EStG als außergewöhnliche Belastungen abzugsfähig sein können.

 

Praxishinweis

Wegen des beim BFH anhängigen Musterverfahrens sollten vergleichbare Sachverhalte offen gehalten werden.

 

 

Stand: 27.01.2020