Grundsätzliches

Mit BMF-Schreiben v. 25. Januar 2023[1] hat sich die Finanzverwaltung
– wie bereits seit geraumer Zeit erwartet – zur lohnsteuerlichen Abrechnung behördlicher Erstattungsbeträge für Verdienstausfallentschädigungen nach § 56 IfSG näher geäußert.

 

Zeitlicher Anwendungsbereich

Die Grundsätze des BMF-Schreibens v. 25. Januar 2023[2] sind im Hinblick auf die lohnsteuerliche Abrechnung behördlicher Erstattungsbeträge für Verdienstausfallentschädigungen nach § 56 IfSG anzuwenden, wenn eine für die Kalenderjahre 2020 bis 2023 vorzunehmende Änderung des Lohnsteuerabzugs nicht mehr zulässig ist.[3]

 

Allgemeines

Arbeitnehmer, die sich – ohne krank zu sein – auf Anordnung des Gesundheitsamts als Krankheits- oder Ansteckungsverdächtige in Quarantäne begeben müssen oder einem Tätigkeitsverbot unterliegen, erhalten im Falle des Verdienstausfalls im Regelfall eine Entschädigung nach § 56 Abs. 1 IfSG.

Auch Arbeitnehmer, die aufgrund der vorübergehenden Schließung von Einrichtungen zur Betreuung von Kindern, Schulen oder Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen ihre Kinder oder behinderte Menschen selbst beaufsichtigen, erhalten im Falle des Verdienstausfalls unter den Voraussetzungen des § 56 Abs. 1a IfSG eine Entschädigung.

  • Die Verdienstausfallentschädigung ist für die Dauer des Arbeitsverhältnisses, längstens für sechs Wochen, zu zahlen.
  • Die Zahlung der Verdienstausfallentschädigung leistet der Arbeitgeber für die Entschädigungsbehörde.
  • Die gezahlte Verdienstausfallentschädigung wird dem Arbeitgeber auf Antrag von der Entschädigungsbehörde erstattet.
  • Die Verdienstausfallentschädigung ist für den Arbeitnehmer steuerfrei[4] und unterliegt dem Progressionsvorbehalt.[5]
  • Sie ist vom Arbeitgeber im Lohnkonto aufzuzeichnen und in der elektronischen Lohnsteuerbescheinigung (eLStB) bzw. der Besonderen Lohnsteuerbescheinigung (bes. LStB) wertmäßig zu bescheinigen.

Praxishinweis

Ob und in welcher Höhe eine Verdienstausfallentschädigung i.S.d. § 3 Nr. 25 EStG vorliegt, wird durch die zuständige Entschädigungsbehörde bestimmt.

 

Änderungen des Lohnsteuerabzugs

  • Grundsätzliches

Oftmals kommt die Entschädigungsbehörde bei der Berechnung des Erstattungsbetrags zu einem anderen Ergebnis als der Arbeitgeber. Stellt der Arbeitgeber im Nachhinein fest, dass seine ursprüngliche Behandlung der Lohnzahlung/Verdienstausfallentschädigung (Lohnversteuerung bzw. Steuerfreistellung) unzutreffend war, ist er verpflichtet, zu viel erhobene Lohnsteuer bei der nächsten Lohnzahlung zu erstatten bzw. noch nicht erhobene Lohnsteuer bei der nächsten Lohnzahlung einzubehalten.[6]

Eine Änderung des Lohnsteuerabzugs ist nur bis zur Übermittlung bzw. bis zum Ausstellen der Lohnsteuerbescheinigung zulässig.[7]

Praxishinweis

Hat der Arbeitgeber die Lohnsteuerbescheinigung bereits übermittelt bzw. ausgestellt, scheidet nach Auffassung des BMF eine Änderung des Lohnsteuerabzugs aus.[8]

Das vorliegende BMF-Schreiben geht nicht auf die BFH-Entscheidung vom 30. Oktober 2008[9] ein. Eine Erhöhung der Lohnsteuer-Entrichtungsschuld ist danach unter den Voraussetzungen des § 164 Abs. 2 Satz 1 AO auch nach Übermittlung oder Ausschreibung der Lohnsteuerbescheinigung zulässig.

Da die eLStB bzw. die bes. LStB bis zum letzten Tag des Monats Februar des Folgejahres zu übermitteln[10] bzw. zu übersenden ist[11], ist die Änderung des Lohnsteuerabzugs spätestens ab dem 1. März des Folgejahres ausgeschlossen.

Praxishinweis

Nach der Übermittlung bzw. Ausstellung der Lohnsteuerbescheinigung bekanntgewordene Abweichungen der Entschädigungsbehörde von der ursprünglichen Berechnung des Arbeitgebers rechtfertigen für sich genommen keine Änderung der Lohnsteuerbescheinigung. Denn insoweit handelt es sich nicht um die (zulässige) bloße Korrektur eines zunächst unrichtig übermittelten Datensatzes.[12]

  • Abweichungen zwischen Antrags- und Erstattungsvolumen

Weichen Antrags- und Erstattungsvolumen voneinander ab und scheidet eine Änderung des Lohnsteuerabzugs aus, so ist zu unterscheiden, ob es sich um einen Fall

  • der unzutreffenden Lohnversteuerung oder
  • der unzutreffenden Steuerfreistellung

handelt.

  • Unzutreffende Lohnversteuerung

Zahlt der Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer Arbeitslohn, der zunächst versteuert wird, und erhält der Arbeitgeber später auf seinen Antrag hin von der Entschädigungsbehörde eine Erstattung nach § 56 IfSG, so liegt insoweit eine unzutreffende Lohnversteuerung zuungunsten des Arbeitnehmers vor.

Denn die Zahlung einer Verdienstausfallentschädigung nach dem IfSG ist nach § 3 Nr. 25 EStG steuerfrei.

Im Falle der unzutreffenden Lohnversteuerung unterliegt der Arbeitgeber in der Regel keiner lohnsteuerlichen Mitteilungspflicht gegenüber dem Betriebsstättenfinanzamt. Insbesondere liegt kein Fall der sog. haftungsbefreienden Anzeige des Arbeitgebers nach § 41c Abs. 4 EStG vor, da zu viel und nicht zu wenig Lohnsteuer einbehalten wurde.

Praxishinweis

Der Arbeitnehmer kann seinen Anspruch auf Erstattung der vom Arbeitgeber zu Unrecht einbehaltenen Lohnsteuer daher nur im Rahmen seiner Einkommensteuerveranlagung geltend machen.[13]

  • Unzutreffende Steuerfreistellung

Geht der Arbeitgeber zunächst davon aus, dass eine Zahlung an den Arbeitnehmer als Verdienstausfallentschädigung nach dem IfSG steuerfrei ist[14] und wird der Erstattungsantrag des Arbeitgebers später von der Entschädigungsbehörde abgelehnt oder ein niedrigerer Betrag als beantragt erstattet, beschränkt sich der Umfang der Steuerfreiheit nach
§ 3 Nr. 25 EStG der Höhe nach auf den von der Entschädigungsbehörde erstatteten Betrag.

Der Arbeitgeber hat in der Folge die Lohnsteuer nicht vorschriftsmäßig einbehalten.

Denn die Zahlung des Arbeitgebers stellt steuerpflichtigen Arbeitslohn dar, soweit dieser unzulässigerweise als steuerfrei behandelt wurde.

Fordert der Arbeitgeber eine zu viel gezahlte Verdienstausfallentschädigung vom Arbeitnehmer zurück, mindert der Rückforderungsbetrag im Jahr der Rückzahlung die zu bescheinigenden Leistungen.

Übersteigt der Rückforderungsbetrag im Jahr der Rückzahlung die für das Kalenderjahr zu bescheinigenden Leistungen, so ist der übersteigende Betrag mit einem Minuszeichen in der Lohnsteuerbescheinigung zu bescheinigen.[15]

Praxishinweis

Der Rückforderungsbetrag ist m. E. nur dann zu berücksichtigen, wenn dieser von dem Arbeitnehmer auch tatsächlich geleistet wurde.

Verzichtet der Arbeitgeber auf die Rückforderung einer an den Arbeitnehmer zu viel gezahlten Verdienstausfallentschädigung, weil er beispielsweise aus tariflichen oder anderen innerbetrieblichen Gründen (wie Erhaltung des Betriebsfriedens) daran gehindert ist, und kommt alternativ eine Steuerbefreiung der überzahlten Verdienstausfallentschädigung nach

  • 3 Nr. 11a (Corona-Bonus),
  • 11b (Corona-Pflegebonus) oder
  • 11c EStG (= steuerfreie Inflationsausgleichsprämie)

nicht zur Anwendung, so hat der Arbeitgeber dem Betriebsstättenfinanzamt die Fälle nach § 41c Abs. 4 EStG in der Regel unter Angabe der persönlichen Daten des betreffenden Arbeitnehmers sowie der zutreffenden Werte unverzüglich schriftlich anzuzeigen.[16]

Praxishinweis

Eine Richtigstellung erfolgt im Rahmen der ESt-Veranlagung oder über eine Lohnsteuer-Nachforderung gegenüber dem Arbeitnehmer.[17]

  • Befreiung des Arbeitgebers von der Anzeigepflicht nach § 41c Absatz 4 EStG (Nichtbeanstandung)

In den Fällen unzutreffender Steuerfreistellung wird es von der Finanzverwaltung nicht beanstandet, wenn der Arbeitgeber von seiner Anzeigepflicht nach § 41c Abs. 4 EStG absieht, sofern die Differenz zwischen der dem Arbeitnehmer gezahlten Verdienstausfallentschädigung und der dem Arbeitgeber bewilligten Erstattung 200 € pro Quarantänefall nicht übersteigt. Insoweit haftet der Arbeitgeber auch nicht für die nicht vorschriftsmäßig einbehaltene Lohnsteuer.[18] Von einer Nachforderung der zu wenig erhobenen Lohnsteuer beim Arbeitnehmer wird abgesehen.

In diesen Fällen unterbleibt auch eine Korrektur der unzutreffenden Steuerfreistellung im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung des Arbeitnehmers.

 

[1] BMF-Schr. v. 25.1.2023 – IV C 5 – S 2342/20/10008 :003 DOK 2023/0067104

[2] a.a.O.

[3] § 41c Abs. 3 EStG

[4] § 3 Nr. 25 EStG

[5] § 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. e) EStG

[6] § 41c Abs. 1 EStG

[7] § 41c Abs. 3 EStG

[8] siehe R 41c.1 Abs. 7 LStR; das BMF-Schreiben geht nicht

[9] BFH v. 30.10.2008 – BStBl II 2009, 354

[10] § 41b Abs. 1 Satz 2 EStG i. V. m. § 93c Abs. 1 Nr. 1 AO

[11] § 41b Abs. 1 Satz 4 bzw. Abs. 3 Satz 1 EStG

[12] R 41c.1 Abs. 7 Satz 2 LStR

[13] H 41c.1 LStH „Erstattungsantrag“

[14] § 3 Nr. 25 EStG

[15] vgl. I. Nummer 8 des BMF-Schreibens v. 9. September 2019 -BStBl I 2019, 911

[16] R 41c.2 LStR

[17] R 41c.2 Abs. 3 LStR

[18] analoge Anwendung des § 42d Abs. 2 EStG