Geschäftsveräußerung im Ganzen bei Immobilienverkauf durch Bauträger
Der BFH hat bereits mehrfach entschieden, dass auch die Veräußerung eines einzelnen Grundstücks eine Geschäftsveräußerung im Ganzen darstellen kann. Letztlich kommt es darauf an, ob der Erwerber das betreffende Unternehmen oder Teilunternehmen des Veräußerers tatsächlich fortführen kann.
Beispiel 1:
V vermietet seit Jahren ein Grundstück. Er veräußert es an E. Dieser beabsichtigt, die Vermietungstätigkeit dauerhaft fortzuführen. Folge: Es liegt eine Geschäftsveräußerung vor, denn E führt die Vermietungstätigkeit des Veräußerers, also dessen (Teil-)Unternehmen, fort.
Beispiel 2:
V betreibt ein Bauträgerunternehmen, das auf ein Großprojekt beschränkt ist. Er erwirbt ein Grundstück und bebaut es. Um es möglichst gut veräußern zu können, sucht er Mieter und schließt mit ihnen Mietverträge ab. Er veräußert das Grundstück unmittelbar nach Abschluss der Mietverträge an E, der die Räume vermietet. Folge: Es liegt keine Geschäftsveräußerung vor. E führt zwar die Vermietungs-, nicht aber die Bauträgertätigkeit des V fort. Letztere steht hier im Vordergrund.[1]
Die beiden Beispiele verdeutlichen bereits, wie schwierig die Abgrenzung zwischen einem steuerbaren Grundstücksverkauf und einer nicht steuerbaren Geschäftsveräußerung sein kann. Vor allem die Bauträgerfälle sind streitbefangen, das heißt die Fälle, in denen ein Bauträger ein Gebäude errichtet und die Immobilie erst nach Abschluss von Mietverträgen veräußert. Umso mehr gilt dies, wenn das Grundstück – anders als in Beispiel 2 – nicht zeitnah, sondern erst nach mehreren Monaten veräußert wird und die Vermietung die eigentliche Bauträgertätigkeit sozusagen nach und nach verdrängt oder überlagert.
Der BFH hatte in einem solchen Fall entschieden: Die Übertragung eines vermieteten Grundstücks führt zu einer nicht umsatzsteuerbaren Geschäftsveräußerung im Ganzen, wenn der Erwerber durch den mit dem Grundstückserwerb verbundenen Eintritt in bestehende Mietverträge vom Veräußerer ein Vermietungsunternehmen übernimmt. Das ist auch dann der Fall, wenn der Veräußerer ein Bauträger ist, der ein Gebäude erworben, saniert, weitgehend vermietet und sodann veräußert hat, falls im Zeitpunkt der Veräußerung infolge einer nachhaltigen Vermietungstätigkeit beim Veräußerer ein Vermietungsunternehmen vorliegt, das vom Erwerber fortgeführt wird.[2]
Und in einem weiteren Urteil heißt es: Die für eine Geschäftsveräußerung oder für eine Teilgeschäftsveräußerung in Bezug auf ein Vermietungsunternehmen erforderliche Nachhaltigkeit der Vermietung liegt bei einer Vermietung über insgesamt 17 Monate vor.[3] Nun übernimmt das BMF diese Rechtsprechung. Die Absicht eines Bauträgers, das Objekt wieder zu verkaufen, steht einer nachhaltigen Vermietungstätigkeit also nicht zwingend entgegen. Nach Ansicht des BMF ist eine nachhaltige Vermietungstätigkeit widerlegbar anzunehmen, wenn die Vermietungsdauer mindestens sechs Monate betragen hat.[4]
Praxishinweis
Mithin lässt das BMF also einen Zeitraum von sechs Monaten genügen, um beim Bauträger insoweit ein Vermietungsunternehmen anzusehen. Folglich kann in recht vielen Fällen eine Geschäftsveräußerung im Ganzen anzunehmen sein.
Das BMF befasst sich in seinem Schreiben mit einem weiteren Aspekt, nämlich der so genannten Kettenübertragung bzw. der Frage, wie eine Geschäftsveräußerung im Ganzen bei Bauten auf fremden Grund und Boden zu werten ist.
Beispiel:
Die C-GmbH und die H-GmbH erwerben in 2018 ein Grundstück „in Miteigentum zu je einem Halb“. Kurze Zeit später schließen die Gesellschafter, und zwar in der Rechtsform einer GbR, einen Mietvertrag über ein noch zu errichtendes Werkstatt-Gebäude ab und optieren dabei zur Umsatzsteuer. Mietbeginn soll Januar 2020 sein. Die GbR errichtet auf diesem Grundstück tatsächlich fristgerecht ein Gebäude; der Grund und Boden bleibt im Eigentum der Gesellschafter und wird kein Gesellschaftsvermögen der GbR. Die Gesellschafter der GbR bemühen sich wenige Monate nach der Fertigstellung und dem Mietbeginn um einen Verkauf des Grundstücks; dieser gelingt im Februar 2021. Die Gesellschafter handeln bei der Veräußerung im eigenen Namen ohne Bezugnahme auf die GbR. Der Erwerber setzt das Mietverhältnis fort. Liegt eine Geschäftsveräußerung im Ganzen vor? Ja, sagt der BFH im Urteil vom 25.11.2015.[5]
Die GbR habe das von ihr errichtete Gebäude mit der Beendigung ihrer eigenen Vermietungstätigkeit zunächst an die Grundstückseigentümer und damit an ihre Gesellschafter geliefert. Diese Lieferung führte zu einer gemäß § 1 Abs. 1a UStG nicht steuerbaren Teilgeschäftsveräußerung. Dass die Gesellschafter nicht selbst in die Mietverträge eintraten, sondern der Grundstückskäufer, stehe der Anerkennung der Geschäftsveräußerung nicht entgegen. Da der Käufer des bebauten Grundstücks die Vermietungstätigkeit fortsetzt, liege die für die Geschäftsveräußerung erforderliche Fortführung der Unternehmenstätigkeit in der Kette vor. Es handele sich hierbei nicht um ein höchstpersönliches Kriterium, das in der Person des jeweiligen Leistungsempfängers vorliegen muss, der die Fortführung der Unternehmenstätigkeit beabsichtigt.
Das BMF erkennt auch diesen Teil des Urteils an und verfügt: Die für die Geschäftsveräußerung notwendige Fortführung der Geschäftstätigkeit muss bei einer im engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang stehenden mehrstufigen Übertragung nur dem Grunde nach, nicht aber auch höchstpersönlich beim jeweiligen Erwerber vorliegen. Für das Vorliegen der Rechtsfolgen einer Geschäftsveräußerung auf jeder Stufe ist allerdings erforderlich, dass auch auf jeder Stufe der Übertragung der jeweilige Erwerber Unternehmer im Sinne des § 2 UStG ist.
Praxishinweise
Es empfiehlt sich, bei ähnlich gelagerten Sachverhalten eine verbindliche Auskunft der Finanzverwaltung einzuholen. Und bei Bedarf sollte im Rahmen des Notarvertrags vorsichtshalber eine Optionsklausel für den Fall aufgenommen werden, dass die Parteien von einer Geschäftsveräußerung im Ganzen ausgehen und sich diese Annahme als falsch erweisen könnte.
Das heißt: Gehen die Vertragspartner übereinstimmend von einer Geschäftsveräußerung im Ganzen aus und beabsichtigen sie lediglich für den Fall, dass sich ihre rechtliche Beurteilung später als unzutreffend herausstellt, eine Option zur Steuerpflicht, so sollte diese Option vorsorglich und im Übrigen unbedingt im notariellen Kaufvertrag erklärt werden.[6] Zu beachten ist darüber hinaus das BFH-Urteil vom 21.10.2015: Danach ist eine Option – sofern sie zulässig und gewünscht ist – nur in dem ursprünglichen notariellen Kaufvertrag möglich.[7]
Bezüglich der Option bei Veräußerung eines Gebäudes auf fremden Grund und Boden an den Eigentümer des betreffenden Grundstücks sollten Sie die Verfügung der OFD Hannover vom 27.6.2006[8] zur Hand nehmen.
Die Regelungen des BMF-Schreibens sind in allen noch offenen Fällen anzuwenden.
Seminarempfehlung: Umsatzsteuer in der Immobilienwirtschaft
[1] BFH-Urteil vom 24.2.2005, V R 45/02, BStBl 2007 II, S. 61
[2] BFH Urteil vom 12.8.2015, XI R 16/14 BStBl 2020 II S. 790
[3] BFH-Urteil vom 25.11.2015, V R 66/14, BStBl 2020 II S. 793
[4] BMF-Schreiben vom 16.11.2020, III C 2-S 7100-b/19/10001:004, BStBl 2020 I S. 1267
[5] BFH-Urteil vom 25.11.2015, V R 66/14, BStBl 2020 II S. 793
[6] Vgl. BMF-Schreiben vom 23.10.2013, IV D 3-S 7198/12/10002, BStBl 2013 I S. 1304
[7] BFH-Urteil vom 21.10.2015, XI R 40/13, BStBl 2017 II Seite 852; s.a. § 9 Abs. 3 UStG
[8] OFD Hannover, Verfügung vom 27.6.2006, S 7162-25-StO 173, NWB IAAAB-92056
Stand: 09.03.2021