Das EStG lässt es zu, die tatsächlich niedrigere Gebäudenutzungsdauer statt der typisierten Gebäudenutzungsdauer (z. B. 50 Jahre bei Anwendung der 2%igen Abschreibung) zu berücksichtigen.[1] Im EStG wird jedoch nicht näher beschrieben, wie die kürzere Nutzungsdauer zu bestimmen und nachzuweisen ist.

Die Finanzverwaltung orientiert sich hierzu bislang an dem BMF mit Schreiben v. 22.2.2023.[2]

Die dort verlangten Nachweise widersprechen in weiten Teilen der Rechtsprechung.[3] So wird für die Schätzung nicht zwingend ein Bausubstanzgutachten oder ein bestimmtes Ermittlungsverfahren verlangt. Nach Auffassung des BFH kann zur Darlegung einer kürzeren tatsächlichen Nutzungsdauer eines Gebäudes jede sachverständige Methode angewandt werden. Eine Ableitung der Restnutzungsdauer aus der ImmoWertV wird – abweichend von der Verwaltungsauffassung – zugelassen. Dem Sachverständigen wird „Beinfreiheit“ hinsichtlich der Wahl der (Gutachten-)Methode eingeräumt.[4]

Praxishinweis

Der BFH verwirft die Gutachtensvorgaben des BMF.[5]

Die Finanzverwaltung hat nunmehr auf die (fortdauernde) BFH-Rechtsprechung reagiert und das bisherige BMF-Schreiben v. 22.2.2023[6] ersatzlos aufgehoben.[7] Diese Aufhebung dürfte für alle noch offenen Fälle bedeutsam sein.

Praxishinweis

Der Referentenentwurf einer Siebten Verordnung zur Änderung steuerlicher Verordnungen sah zunächst in § 11c EStDV-E Kriterien für den Nachweis der kürzeren tatsächlichen Gebäudenutzungsdauer vor. Die von der Bundesregierung beschlossene Siebte Verordnung zur Änderung steuerlicher Verordnungen enthält eine solche Regelung nicht.[8] Der Bundesrat wird am 19.12.2025 entscheiden, ob er dieser Verordnung zustimmen wird. Die Zustimmung gilt nicht zwingend als sicher. Der Finanzausschuss der Länder hat sich dafür ausgesprochen, eine Regelung in § 11c EStDV aufzunehmen.[9] Danach soll § 11c EStDV den Nachweis einer kürzeren tatsächlichen Nutzungsdauer eines Gebäudes durch ein Gutachten eines öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen nach persönlicher Vorortbesichtigung vorschreiben.

Gegenwärtig bleibt der Fortgang des Gesetzgebungsverfahrens abzuwarten. Wir werden berichten.

 
[1] § 7 Abs. 4 Satz 2 EStG
[2] BMF-Schr. v. 22.2.2023 – BStBl I 2023, 332
[3] BFH-Urt. v. 23.1.2024 – IX R 14/23, BFH/NV 2024, 823, BFH-Urt. v. 7.10.2025 – IX R 26/24, DStR 2025, 2719 und FG Münster, Urt. v. 2.4.2025 – 14 K 654/23 E, EFG 2025, 1153, rkr.
[4] Graw, jurisPR 5/2022 Anm. 3 unter C.III und D.
[5] BMF-Schr. v. 22.2.2023 – a.a.O. Rz. 24
[6] A.a.O.
[7] BMF-Schr. v. 1.12.2025 – DStR 2025, 2848
[8] BR-Drs. 626/25 v. 5.11.2025
[9] BR-Drs. 626/1/25 v. 5.12.2025