Forderungseinziehung kein „Veräußerungs“geschäft

 

Mit Urteil v. 3. September 2019[1] hat der BFH entschieden, dass die Einziehung einer Forderung, die von einem Dritten unter Nennwert entgeltlich erworben wurde, keine „Veräußerung“ i.S.d. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG darstelle.

Anders als der Fall einer Weiterveräußerung einer zuvor angeschafften Forderung vollziehe sich die Einziehung derselben durch eine Leistung des Schuldners, der hierdurch die Forderung zum Erlöschen bringe (§ 362 Abs. 1 BGB). Die Leistung des Schuldners sei folglich nicht auf eine Übertragung der Forderung (und mithin nicht auf einen Rechtsträgerwechsel) gerichtet. Überdies setze die Einziehung keine Mitwirkung des Forderungsinhabers voraus.

 

Beispiel

A erwirbt von der H-KG eine Forderung gegenüber der C-GmbH i.H.v. 410.000 EUR im Juni 2008 für 200.000 EUR. Am 22. Dezember 2008 zahlt die C-GmbH an A 400.000 EUR zur Begleichung der Forderung.

 

Lösung

A hat kein privates Veräußerungsgeschäft i.S.d. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG a.F. zu versteuern. Der Forderungsausgleich der von einem Dritten erworbenen Forderung stellt keine „Veräußerung“ dar.

 

Praxishinweis

Die durch den BFH geklärte Streitfrage ist nur für die Einziehung von Kapitalforderungen, die vor dem 1. Januar 2009 erworben wurden, relevant. Insoweit konnten Wertsteigerungen bei Kapitalanlagen nur unter den Voraussetzungen des § 23 EStG a.F. (Veräußerung innerhalb der Jahresfrist) besteuert werden.[2]

Durch die Abgeltungsteuer werden auch Wertzuwächse, die bei einer Veräußerung oder der Einlösung der jeweiligen Kapitalanlage entstehen, der Besteuerung nach § 20 Abs. 2 EStG unabhängig von der Haltedauer unterworfen. Nach § 20 Abs. 2 Satz 2 EStG gilt als Veräußerung auch die Einlösung einer Forderung.[3]

Offen ist, ob die künftige BFH-Rechtsprechung die Einziehung einer Forderung in der ab 2009 geltenden Rechtslage als nicht steuerbare Einnahme ansehen wird. Dies dürfte nicht mit dem Gesetzeswortlaut des § 20 Abs. 2 Satz 2 EStG im Einklang stehen.[4] Denn der Gesetzgeber wolle durch § 20 Abs. 2 Satz 2 EStG eine vollständige steuerliche Erfassung aller Vermögenszuwächse im Zusammenhang mit Kapitalanlagen erreichen,[5] wobei auch Verluste denkbar sind.[6] Höchstrichterlich geklärt ist diese Rechtsfrage bislang jedoch nicht.

Entstehen Veräußerungsverluste nach dem 31. Dezember 2019, gilt einschränkend die neue Regelung zur Verlustausgleichsbeschränkung (10.000 EUR-Regelung).[7]

 

 

[1] BFH-Urt. v. 3.9.2019 – IX R 12/18, BStBl II 2020, 94

[2] § 52 Abs. 31 Satz 2 EStG

[3] Siehe auch BMF-Schr. v. 10.5.2019 – IV C 1 – S 2252/08/100004:026, 2019/0194959, BStBl I 2019, 464 Rn. 59

[4] Steinhauff, jurisPR-SteuerR 7/2020 Anm. 4

[5] BT-Drs. 16/4841, 56; so auch Schmidt/Levedag, 39. Aufl. EStG-Komm., § 20 Rz. 147

[6] BFH-Urt. v. 12.6.2018 – VIII R 32/16, BStBl II 2019, 221

[7] § 20 Abs. 6 Satz 6 EStG; siehe auch Perschon, AktStR special 16, S. 53 f.

 

 

Stand: 24.04.2020