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BMF-Diskussionsentwurf soll den Risiken in der Praxis entgegensteuern
Der zur Erörterung gestellte Diskussionsentwurf des Bundesfinanzministeriums (BMF) zur Berichtigungspflicht von Erklärungen gleicht einem historischen Moment. Seit rund 80 Jahren irrlichtert die gesetzliche Pflicht durch das hochkomplexe Steuerrecht, ohne dass der Finanzverwaltung bisher ein Erlass an die Hand gegeben wurde. Dies ist umso erstaunlicher, als die Pflicht sich auf dem schmalen, unsicheren Grat zwischen Steuerstraf- und Steuerverfahrensrecht bewegt und sie insbesondere in der Unternehmenspraxis zunehmend eine Kriminalisierung auslöst.
Der BMF-Diskussionsentwurf soll den Risiken in der Praxis erfreulicherweise entgegensteuern und enthält bereits einige wichtige sowie sinnvolle Punkte. Gemeinsam mit den Spitzenverbänden der deutschen gewerblichen Wirtschaft sieht der Deutsche Steuerberaterverband e.V. (DStV) in der Stellungnahme S 11/15 aber noch weiteren Klarstellungsbedarf.
Praxisproblem: Berichtigung oder (unwirksame) Selbstanzeige?
Den Buchführungen in der Unternehmenspraxis liegen komplexe Beurteilungen einer Vielzahl von Einzelfällen zugrunde. Der Steuerpflichtige gibt beispielsweise aufgrund der Komplexität der Geschäftsvorfälle eine versehentlich fehlerhafte Umsatzsteuerjahreserklärung ab, aus der eine Steuerverkürzung folgt. Kurze Zeit später nach Abgabe der Erklärung erkennt er die Unrichtigkeit. Aufgrund der gesetzlichen Pflicht muss er sie unverzüglich gegenüber der Finanzverwaltung anzeigen und den Fehler berichtigen (§ 153 AO). Der Veranlagungsbeamte ist unsicher, ob mit der Abgabe der fehlerhaften Steuererklärung eine Steuerhinterziehung begangen wurde. Um sich nicht selbst einer Strafvereitelung im Amt schuldig zu machen, reicht er den Sachverhalt an die Bußgeld- und Strafsachenstelle (BuStra) weiter. Diese leitet ein Steuerstrafverfahren ein und prüft, ob die von ihr als Selbstanzeige erkannte steuerliche Berichtigung zur
Strafbefreiung führt. Allein die strafrechtlichen Ermittlungen der BuStra belasten den Unternehmer. Zudem muss er das Risiko eines Strafprozesses fürchten. Ob die Straffreiheit in vorgenannter Konstellation tatsächlich eintritt, hinge u.a. davon ab, ob der Unternehmer noch weitere Angaben rückwirkend für die letzten 10 bis 12 Jahre hätte berichtigen müssen (§ 371 Abs. 1 AO).
BMF-Diskussionsentwurf als Lösungsversuch
Mit dem Diskussionsentwurf eines Anwendungserlasses zu § 153 AO geht das BMF die insbesondere für die Unternehmenspraxis hochbrisante Abgrenzungsproblematik erfreulicherweise an. Angesichts der übermäßigen Verschärfungen der Selbstanzeige in den letzten Jahren sowie der sich daraus ergebenden Rechtsunklarheiten bedarf es, wie in der gemeinsamen Stellungnahme des DStV und der Spitzenverbände der deutschen gewerblichen Wirtschaft aufgezeigt, dringend eines Ausgleichs im Spannungsfeld zwischen den geltenden weitreichenden steuerverfahrensrechtlichen Mitwirkungspflichten und dem Steuerstrafrecht. Infolgedessen steigt das Bedürfnis in der Praxis, dass strafrechtlich irrelevante Fehler wieder rechtssicher berichtigt werden können.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sind die weitreichenden steuerlichen Mitwirkungspflichten insbesondere wegen der sanktionsbefreienden Wirkung der Selbstanzeige gerechtfertigt. Aufgrund des im allgemeinen Strafrecht von Verfassungs wegen geltenden „nemo-tenetur“-Grundsatzes muss sich der Steuerpflichtige nicht selbst mit einer (Steuer-)Straftat belasten. Gerade durch die Berichtigungspflicht nach § 153 AO wird er jedoch dazu gezwungen, maßgeblich zur Entdeckung einer möglichen Steuerhinterziehung beizutragen. Kommt er dieser Pflicht nicht nach, begeht er eine weitere Steuerhinterziehung. Folglich erhöht sich das Sanktionsrisiko. Nach Auffassung des DStV ergibt sich aus diesem Spannungsfeld, dass, je mehr die Erlangung der Strafbefreiung durch die Verschärfungen der Selbstanzeige erschwert wurde, umso mehr die Mitwirkungspflicht des Steuerpflichtigen im Besteuerungsverfahren eingeschränkt werden müsste.
Positive Vorgaben
Vor diesem Hintergrund enthält der BMF-Diskussionsentwurf bereits eine Reihe von positiven Ausführungen. Insbesondere folgende Hinweise mildern überschießende Wirkungen der Verschärfung der Selbstanzeige ab und sind, wie in der gemeinsamen Stellungnahme hervorgehoben, daher zu begrüßen:
- Nicht jede objektive Unrichtigkeit soll den Verdacht einer Steuerstraftat oder Steuerordnungswidrigkeit nahelegen. Vielmehr soll es einer sorgfältigen Prüfung durch die Finanzbehörde bedürfen.
- Erfreulicherweise wird klargestellt, dass nicht automatisch allein aufgrund der Höhe der steuerlichen Auswirkung der Unrichtigkeit der abgegebenen Erklärung oder aber aufgrund der Anzahl der abgegebenen Berichtigungserklärungen vom Vorliegen eines strafrechtlichen Anfangsverdachtes ausgegangen werden kann.
- Ebenfalls dem Grunde nach positiv zu werten ist, dass innerbetriebliche Kontrollsysteme ein Indiz gegen das Vorliegen des Vorsatzes bzw. einer Leichtfertigkeit darstellen können.
- Auch die Aufnahme von praxisrelevanten Beispielen ist zweckmäßig sowie im Entwurf teilweise zielführend gelöst.
- Entsprechend des Wortlauts von § 153 AO wird richtigerweise hervorgehoben, dass lediglich die Anzeige des Fehlers gegenüber der Finanzverwaltung unverzüglich zu erfolgen hat, die Berichtigungserklärung selbst hingegen zu einem späteren Zeitpunkt nachgeholt werden kann.
- Die Praxis entlastend ist zudem die Ausführung, dass die Finanzverwaltung dem Steuerpflichtigen eine vom Einzelfall abhängende, angemessene Frist für die Berichtigungserklärung zu gewähren hat, damit er ausreichend Zeit für die notwendige Aufklärung von unternehmensinternen Prozessen hat. Dies ist insbesondere bei länger zurückliegenden Sachverhalten sinnvoll. Auch die Größe des Unternehmens soll die Angemessenheit der Frist bedingen.
- Der ausdrücklichen Klarstellung, dass Steuerberater, Rechtsanwälte und Wirtschaftsprüfer keine Anzeige- sowie Berichtigungspflicht hinsichtlich der Angelegenheiten der Mandanten trifft, ist uneingeschränkt zuzustimmen – bestätigt dieser Hinweis doch die bisher geltende Rechtsauffassung.
Weiterer Klarstellungsbedarf
Trotz der guten Ansätze bedarf der Entwurf weiterer, die Praxis entlastende Ergänzungen. Wie in der gemeinsamen Stellungnahme aufgezeigt, sollten u.a. die folgenden Aspekte berücksichtigt werden:
- Die Bestimmung des Begriffs „Erkennen“ sollte dahingehend präzisiert werden, dass das positive Wissen erst dann vorliegt, wenn die Tatsachengrundlagen des Fehlers vollständig aufgeklärt sind, d.h. die Sach- und Rechtsaufklärung abgeschlossen ist. Zudem soll klargestellt werden, dass den Steuerpflichtigen keine Pflicht zur aktiven Nachprüfung oder Nachforschung trifft.
- Aufgrund des regelmäßig arbeitsteilig organisierten Aufbaus von Unternehmen muss im Anwendungserlass geklärt werden, auf wessen Erkennen abzustellen ist und wer in diesen Fällen anzeige- sowie berichtigungspflichtig ist. Wird beispielsweise eine juristische Person aufgrund ihrer Satzung durch zwei (von mehreren) Vorstandsmitglieder oder einem Vorstandsmitglied und einem Prokuristen gesetzlich vertreten, sollte die Berichtigungspflicht grundsätzlich den Personenkreis treffen, der aufgrund interner Aufgabenverteilung zuständig ist.
- In den Erlass sollten Ausführungen aufgenommen werden, wie zu verfahren ist, wenn Fehler während laufender Betriebsprüfungen durch die Prüfer erkannt werden. Ausgehend vom Sinn der Pflicht gem. § 153 AO sowie von der Zielsetzung einer Betriebsprüfung sollte insoweit klargestellt werden, dass die Anzeige- sowie Berichtigung der Unrichtigkeit wenigstens innerhalb des angeordneten Prüfungszeitraums entbehrlich ist. Die Mitwirkungspflicht soll gewährleisten, dass die Finanzverwaltung von Besteuerungsgrundlagen Kenntnis erlangt, die ihr bislang noch nicht bekannt waren. Im Falle des Erkennens einer unrichtigen Erklärung im Rahmen der Betriebsprüfung entfällt dieses Aufklärungsbedürfnis. Die vollständige sowie richtige Sachverhaltsaufklärung und damit die Verwirklichung einer gesetzmäßigen Besteuerung werden durch das Betriebsprüfungsverfahren selbst sichergestellt.
- Um den unterschiedlichen Strukturen sowie Größen von Unternehmen gerecht zu werden, sollten die Organisationsmaßnahmen zur Sicherstellung der ordnungsgemäßen Erfüllung der steuerlichen Pflichten, die ein Indiz gegen das Vorliegen des Vorsatzes bzw. einer Leichtfertigkeit darstellen können, unterschiedlich ausgestaltet sein können. Statt den Begriff des innerbetrieblichen Kontrollsystems zu verwenden, sollten die exkulpierend wirkenden Organisationsmaßnahmen durch die in der Stellungnahme ausgeführte, offenere Formulierung beschrieben werden.
- In puncto „Umfang der Pflicht“ sollte klargestellt werden, dass die Mitwirkungspflicht nicht greift, wenn sich eine Rechtsprechung oder Verwaltungsauffassung nach Abgabe der Erklärung ändert und der Steuerpflichtige dies nachträglich erkennt.
- Wünschenswert sind detailliertere Ausführungen, wann eine Anzeige nicht mehr unverzüglich, also schuldhaft verzögert ist. Für eine Anzeige bedarf es regelmäßig weitergehender Ermittlungen zum Sachverhalt. Zudem bedarf es der Prüfung, ob eine Selbstanzeige oder lediglich eine einfach Berichtigung geboten ist, die regelmäßig durch eine rechtliche Beratung unterstützt wird. Dementsprechend darf ein schuldhaftes Zögern dann nicht angenommen werden, wenn der Steuerpflichtige vor Abgabe der Anzeige noch Ermittlungen zu Art und Umfang des Fehlers durchführt oder sich rechtlich beraten lässt und diese Beratung noch nicht abgeschlossen ist.
- Um der unterschiedlichen Komplexität der Sachverhalte Rechnung zu tragen, sollte keine einheitliche Frist für die Berichtigungserklärung festgesetzt werden, sondern von den Umständen des Einzelfalls (z.B. der Größe des Unternehmens) abhängig gemacht werden.
Wie geht es weiter?
Der Diskussionsentwurf stellt lediglich einen ersten Aufriss dar und gibt noch keinen zwischen den obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder abschließend diskutierten Stand wieder. Insbesondere die kontrovers diskutierte Frage, ob die Anzeige- und Berichtigungspflicht auch in Fällen bedingt vorsätzlicher Steuerhinterziehung besteht, ist noch nicht endgültig geklärt. Der Diskussionsentwurf bringt zwar nach Ansicht der Stellungnehmenden ausgesprochen begrüßenswert zum Ausdruck, dass „nachträgliches Erkennen“ und der bedingte Vorsatz sich gegenseitig ausschließen, weshalb die Mitwirkungspflicht in diesen Fällen ausgeschlossen wäre. Mit Blick auf die augenblickliche Offenheit des weiteren Erörterungsprozesses bitten der DStV sowie die Spitzenverbände der deutschen gewerblichen Wirtschaft mit Nachdruck darum, in die weiteren Beratungen eingebunden zu werden.
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