Das Gesetz zur temporären Senkung des Umsatzsteuersatzes auf Gaslieferungen über das Erdgasnetz enthält auch eine neue Steuerfreiheit nach § 3 Nr. 11c EStG (= steuerfreie Inflationsausgleichsprämie – kurz: IAP).[1] Das Gesetz hat der Bundestag am 30. September 2022 beschlossen und der Bundesrat hat diesem am 7. Oktober 2022 zugestimmt.[2]
Danach bleiben steuerfrei …
„zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn vom Arbeitgeber in der Zeit vom 26. Oktober 2022[3] bis zum 31. Dezember 2024 in Form von Zuschüssen und Sachbezügen gewährte Leistungen zur Abmilderung der gestiegenen Verbraucherpreise bis zu einem Betrag von 3 000 Euro;“
Die Finanzverwaltung hat in einer FAQ-Liste zu den Einzelfragen zur Gesetzesanwendung Stellung genommen. Hierauf wird nachfolgend mit Praxisanmerkungen eingegangen.
Praxishinweis
Die vom BMF veröffentlichte FAQ zur Inflationsausgleichsprämie nach § 3 Nr. 11c EStG wurde mit Datum vom 24. Mai 2023 neu gefasst. Auf die neuen Aussagen wird nachfolgend näher eingegangen.
Die Steuerfreiheit nach § 3 Nr. 11c EStG kommt nur auf Arbeitgeberleistungen zur Anwendung, die zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn erbracht werden.
Der Begriff der Arbeitgeberzusatzleistung wird in § 8 Abs. 4 EStG wie folgt definiert:
1Im Sinne dieses Gesetzes werden Leistungen des Arbeitgebers oder auf seine Veranlassung eines Dritten (Sachbezüge oder Zuschüsse) für eine Beschäftigung nur dann zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn erbracht, wenn
- die Leistung nicht auf den Anspruch auf Arbeitslohn angerechnet,
- der Anspruch auf Arbeitslohn nicht zugunsten der Leistung herabgesetzt,
- die verwendungs- oder zweckgebundene Leistung nicht anstelle einer bereits vereinbarten künftigen Erhöhung des Arbeitslohns gewährt und
- bei Wegfall der Leistung der Arbeitslohn nicht erhöht
wird.
2Unter den Voraussetzungen des Satzes 1 ist von einer zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn erbrachten Leistung auch dann auszugehen, wenn der Arbeitnehmer arbeitsvertraglich oder auf Grund einer anderen arbeits- oder dienstrechtlichen Rechtsgrundlage (wie Einzelvertrag, Betriebsvereinbarung, Tarifvertrag, Gesetz) einen Anspruch auf diese hat.
Praxishinweis
Die Steuerfreiheit ist im Falle eines Entgeltverzichts oder der Gehaltsumwandlung ausgeschlossen.[4]
Beispiel
Der Arbeitgeber A gewährt arbeitsrechtlich freiwillig[5] im Dezember ein Weihnachtsgeld. In 2023 leistet der A statt des freiwilligen Weihnachtsgeldes eine steuerfreie Inflationsausgleichsprämie.
Lösung
Die Inflationsausgleichsprämie ist nach § 3 Nr. 11c EStG steuerfrei. Es ist zulässig, eine freiwillige Leistung durch eine andere zweckgebundene freiwillige Leistung auszutauschen. Dagegen darf ein Anspruch auf Arbeitslohn nicht zugunsten einer anderen – steuerbegünstigten – Leistung herabgesetzt werden.[6]
Praxishinweis
Es muss im jeweiligen Einzelfall nach arbeitsrechtlichen Grundsätzen geprüft werden, ob eine freiwillige Arbeitgeberleistung allein durch Aufnahme eines Freiwilligkeitsvermerks vorliegt. Trotz Freiwilligkeitsvermerks kann aufgrund der betrieblichen Übung ein arbeitsrechtlicher Anspruch vorliegen. Schriftliche Einschätzungen sollten für künftige Außenprüfungen im Lohnkonto hinterlegt werden.
Die Steuerbefreiung gilt bis zur Höhe von insgesamt 3.000 EUR je Dienstverhältnis auch für mehrere (Teil-) Leistungen, die der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer im begünstigten Zeitraum gewährt. Auch eine Auszahlung beispielsweise in monatlichen Teilbeträgen ist aus steuerlicher Sicht zulässig. Die Teilleistungen müssen nicht auf einer einheitlichen Entscheidung über die Gewährung beruhen, sondern können jeweils eigenständig beschlossen oder vereinbart werden.
Praxishinweis
Wird die Inflationsausgleichsprämie in Teilleistungen erbracht (z. B. ab Januar 2023 bis Dezember 2024 in Höhe von monatlich 125 EUR), stellt sich die Frage, ob diese Zahlung nach der betrieblichen Übung auch über 2024 hinaus vom Arbeitgeber – aber dann steuerpflichtig – zu leisten ist. Auf diese arbeitsrechtliche Frage geht die FAQ nicht näher ein; es sollte im Einzelfall eine arbeitsrechtliche Beurteilung eingeholt werden. Insbesondere sollte die Frage geklärt werden, ob durch einen Freiwilligkeitsvermerk bzw. eine Freiwilligkeitsvereinbarung eine betriebliche Übung verhindert werden kann. Außerdem muss arbeitsrechtlich geprüft werden, ob der Gleichbehandlungsgrundsatz erfordert, dass auch andere Mitarbeiter diese Zahlung erhalten.
Beispiel
Der Arbeitgeber A zahlt ab Jan. 2023 bis Dez. 2024 an den neu eingestellten Mitarbeiter C monatlich 125 EUR zweckgebunden als steuerfreie IAP aus.
Lösung
Die Inflationsausgleichsprämie muss zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn geleistet werden. Hierfür darf der Arbeitslohn nach Wegfall der begünstigten Leistung nicht erhöht werden; § 8 Abs. 4 S. 1 Nr. 4 EStG. Ob § 8 Abs. 4 S. 1 Nr. 4 EStG erfüllt ist, siehe hierzu die nachfolgenden Ausführungen.
Fällt die steuerfreie Teilleistung, die bis Dezember 2024 geleistet wird, ab Januar 2025 weg und wird als Ausgleich der Arbeitslohn ab Januar 2025 erhöht, kann dies die Gefahr auslösen, dass rückwirkend eine Arbeitgeberzusatzleistung wegfällt. § 8 Abs. 4 S. 1 Nr. 4 EStG bestimmt, dass eine Zusatzleistung voraussetzt, dass bei Wegfall der (begünstigten) Leistung der Arbeitslohn nicht erhöht wird.
Durch die nun vorliegenden FAQ nimmt die Finanzverwaltung zu dieser Thematik in den neuen Ziffern 5a und 5b näher Stellung.
Ziffer 5a:
Gilt die Steuerbefreiung auch für dauerhafte Lohnerhöhungen?
Nein.
Die Steuerbefreiung findet auf dauerhafte Lohnerhöhungen keine Anwendung, da der Sinn und Zweck der Regelung darin besteht, Sonderleistungen zu begünstigen.
Praxishinweis
Die Finanzverwaltung geht im Falle einer dauerhaften Lohnerhöhung offensichtlich von Anfang an nicht von einer Leistung zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn aus. Dies wird damit begründet, dass bei Wegfall der Leistung der Arbeitslohn erhöht wird.
Ziffer 5b:
Gilt die Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 11c EStG auch für (mehrere) Leistungen, die der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer im begünstigten Zeitraum im Zusammenhang oder in Kombination mit einer dauerhaften Lohnerhöhung gewährt?
Ja.
Die Steuerbefreiung gilt bis zur Höhe von insgesamt 3.000 Euro auch für mehrere (Teil-) Leistungen, die der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer im begünstigten Zeitraum gewährt. Hierbei spielt es keine Rolle, ob die Auszahlung beispielsweise in Form einer Einmalleistung, in mehreren Teilbeträgen oder gleichmäßig über den Zeitraum bis zum 31. Dezember 2024 verteilt erfolgt (siehe dazu Ziffer 5). Für die Steuerfreiheit ist es auch unschädlich, wenn die IAP im Zusammenhang beziehungsweise in Kombination mit einer dauerhaften Lohnerhöhung zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn gewährt wird.
Beispiel
Der Arbeitgeber gewährt seinen (tariflich oder außertariflich gebundenen) Arbeitnehmern Leistungen zum Inflationsausgleich in Höhe von insgesamt 2.000 EUR, deren Zahlung in mehreren Schritten erfolgen soll, beginnend mit einer Sonderzahlung von 1.000 EUR im Juni 2023.
In den Monaten Juli 2023 bis einschließlich November 2023 sollen dann monatliche Sonderzahlungen in Höhe von jeweils 200 EUR geleistet werden.
Ab dem 1. Dezember 2023 soll der Lohn dauerhaft um monatlich 300 EUR erhöht werden. Auch die dauerhafte Lohnerhöhung wird mit Inflationsgesichtspunkten begründet.
Lösung
Die einzelnen Komponenten der Lohnerhöhung sind getrennt voneinander zu beurteilen:
Die in mehreren Teilbeträgen gewährte IAP in Höhe von insgesamt 2.000 EUR ist steuer- und sozialversicherungsfrei.
Die danach einsetzende reguläre – und dauerhaft wirkende – Lohnerhöhung von monatlich 300 EUR unterliegt dagegen der Steuer- und der Sozialversicherungspflicht.
Praxishinweis
Die Finanzverwaltung begründet nicht näher, weshalb die einzelnen Komponenten der Lohnerhöhung getrennt voneinander zu beurteilen sind. Auch aus § 8 Abs. 4 S. 1 Nr. 4 EStG ergibt sich diese Rechtsauslegung nicht zwingend. Offensichtlich ist diese „Klarstellung“ den im öffentlichen Dienst vereinbarten Tarifverträgen geschuldet. In der Praxis dürfte in der Zukunft verstärkt die Diskussion aufkommen, in welchen Fällen Lohnerhöhungen getrennt von dem Wegfall einer Lohnbegünstigung zu beurteilen sind. Vor dem Hintergrund der neuen Verwaltungsaussage dürfte z. B. bei altersbedingtem Wegfall einer steuerfreien Kita-Leistung[7] und anschließender zuvor nicht vereinbarte Lohnerhöhung von einer Arbeitgeberzusatzleistung auszugehen sein. Zur Haftungsvermeidung sollte eine Anrufungsauskunft eingeholt werden. Alternativ könnte die Lohnerhöhung zwei Monate vor Leistungswegfall gewährt werden; es dürfte kein Anwendungsfall von § 8 Abs. 4 S. 1 Nr. 4 EStG vorliegen.
[1] BR-Drs. 476/22
[2] BR-Drs. 476/22 (Beschluss) v. 7.10.2022
[3] Verkündung im BGBl I 2022, 1743 am 25.10.2022
[4] § 8 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 EStG
[5] Arbeitsrechtliche Prüfung ist nötig
[6] § 8 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 EStG
[7] § 3 Nr. 33 EStG