Abfindungszahlungen an Mieter, die zwecks Durchführung von Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen i. S. von § 6 Abs. 1 Nr. 1a Satz 1 EStG geleistet werden, stellen anschaffungsnahe Herstellungskosten dar. EStG § 6 Abs. 1 Nr. 1a, § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7 und Abs. 5 Satz 2.

FG Münster, Urteil v. 12. November 2021 – 4 K 1941/20 F, EFG 2022, 152 – Rev. eingelegt (Az. des BFH: IX R 29/21).

 

Grundsätzliches

§6 Abs. 1 Nr. 1a EStG bestimmt Folgendes:

1Zu den Herstellungskosten eines Gebäudes gehören auch Aufwendungen für Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen, die innerhalb von drei Jahren nach der Anschaffung des Gebäudes durchgeführt werden, wenn die Aufwendungen ohne die Umsatzsteuer 15 Prozent der Anschaffungskosten des Gebäudes übersteigen (anschaffungsnahe Herstellungskosten). 2Zu diesen Aufwendungen gehören nicht die Aufwendungen für Erweiterungen im Sinne des § 255 Absatz 2 Satz 1 des Handelsgesetzbuchs sowie Aufwendungen für Erhaltungsarbeiten, die jährlich üblicherweise anfallen.“

Der Begriff der Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen i.S.d. § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG ist gesetzlich nicht definiert und bedarf daher der Auslegung. Als Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen sind bauliche Maßnahmen zu verstehen, durch die im Zeitpunkt der Anschaffung des Gebäudes[1] bereits vorhandene – wenngleich versteckte – Mängel oder Schäden an vorhandenen Einrichtungen eines bestehenden Gebäudes oder am Gebäude selbst beseitigt werden oder das Gebäude durch Erneuerung in einen zeitgemäßen Zustand versetzt wird.

Praxishinweis

Zu den Aufwendungen i. S. von § 6 Abs. 1 Nr. 1a Satz 1 EStG gehören daher sämtliche Aufwendungen für bauliche Maßnahmen, die im Rahmen einer im Zusammenhang mit der Anschaffung des Gebäudes vorgenommenen Instandsetzung und Modernisierung anfallen. Zu den Aufwendungen in diesem Sinne zählen insbesondere Aufwendungen für die Instandsetzung oder Erneuerung vorhandener Sanitär-, Elektro- und Heizungsanlagen, der Fußbodenbeläge, der Fenster und der Dacheindeckung sowie sog. Schönheitsreparaturen, die – ohne die Regelung des § 6 Abs. 1 Nr. 1a Satz 1 EStG – vom Grundsatz her als sofort abziehbare Erhaltungsaufwendungen zu beurteilen wären.[2]

Nicht zu den Aufwendungen i. S. des § 6 Abs. 1 Nr. 1a Satz 1 EStG gehören nach dem Wortlaut des Satzes 2 ausdrücklich nur Aufwendungen für Erweiterungen i. S. von § 255 Abs. 2 Satz 1 HGB sowie Aufwendungen für Erhaltungsarbeiten, die jährlich üblicherweise anfallen.

Praxishinweis

Die Zurechnung von anschaffungsnahen Aufwendungen zu den Herstellungskosten bedeutet allerdings nicht, dass es in diesen Jahren überhaupt keinen sofort abziehbaren Erhaltungsaufwand geben kann.

Aufwendungen, die mit den Umbau-, Modernisierungs- und Instandsetzungsmaßnahmen nicht im Zusammenhang stehen, können als sofort abziehbare Werbungskosten zu berücksichtigen sein.

Hierunter fallen insbesondere Erhaltungsaufwendungen, die jährlich üblicherweise anfallen und ausdrücklich nicht zu den Aufwendungen für Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen gehören. Zu den jährlich üblicherweise anfallenden Erhaltungsaufwendungen in diesem Sinne gehören insbesondere Aufwendungen für regelmäßige Wartungsarbeiten wie laufende Heizungs- oder Aufzugswartungen, Beseitigung von Rohrverstopfungen und -verkalkungen oder Ablesekosten.[3]

Die Regelvermutung, wonach Aufwendungen für Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen innerhalb von drei Jahren nach der Anschaffung des Gebäudes den anschaffungsnahen Aufwendungen zuzurechnen sind, wird aber in einem weiteren wesentlichen Fall durchbrochen: Fallen Kosten für Instandsetzungsmaßnahmen zur Beseitigung eines Schadens an, der im Zeitpunkt der Anschaffung nicht vorhanden war, sondern nachweislich erst zu einem späteren Zeitpunkt z. B. durch das schuldhafte Handeln eines Dritten am Gebäude verursacht wurde, sind diese nach Auffassung des BFH nicht den anschaffungsnahen Herstellungskosten zuzurechnen.[4] Hierunter dürften auch Aufwendungen infolge einer nach Gebäudeanschaffung eingetretenen Umweltkatastrophe fallen, die nicht vollumfänglich von der Versicherung getragen werden.

 

Offene Frage

In dem vom FG Münster zu entscheidenden Sachverhalt war streitig, ob es sich bei gezahlten Mieterabfindungen um sofort abzugsfähige Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung handelt oder diese als anschaffungsnahe Herstellungskosten[5] zu qualifizieren sind.

Sachverhalt

Der der Entscheidung zu Grunde liegende Sachverhalt verhielt sich wie folgt:

  • Die Klin. erwarb im Jahr 2016 eine Immobilie für einen Kaufpreis von 1,2 Mio. EUR und renovierte diese bis zum Jahr 2018 für insgesamt rund 615 000 EUR.
  • Sowohl vor Durchführung der Renovierung als auch im Anschluss daran nutzte die Klin. die Immobilie ausschließlich zur Vermietung für fremde Wohnzwecke.
  • Um die vorherigen Mieter zur vorzeitigen Räumung ihrer Wohnungen zu bewegen und die entsprechenden Renovierungsarbeiten durchführen zu können, zahlte die Klin. im Streitjahr 2017 an die früheren Mieter einen Betrag i. H. v. 35 000 EUR.
  • Die Abfindungszahlung machte die Klin. im Streitjahr als sofort abziehbare WK geltend.

Das Finanzamt lehnte den Abzug mit der Begründung ab, die gezahlten Mieterabfindungen seien – ebenso wie es unstreitig bei den Kosten für die in den Jahren 2016 bis 2018 vorgenommenen Renovierungsarbeiten der Fall sei – als anschaffungsnahe HK des Gebäudes zu qualifizieren. Die Mieterabfindungen stünden mit den Renovierungskosten in einem engen wirtschaftlichen Zusammenhang und teilten daher deren Schicksal.

 

Entscheidung des FG Münster

Auch das FG Münster ordnete die Abfindungszahlungen an Mieter, die zwecks Durchführung von Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen geleistet würden, den anschaffungsnahen Herstellungskosten zu.

Das FG Münster legt den Begriff Aufwendungen „für“ Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen weit aus. Auch die in engem wirtschaftlichem Zusammenhang stehenden sonstigen Aufwendungen, die durch die Durchführung der Maßnahme veranlasst seien und dieser dienen sollten, seien dieser zuzurechnen. Es erfolge keine Beschränkung auf die Aufwendungen für bauliche Maßnahmen.

Praxishinweis

Bislang wurde entschieden, dass lediglich eine Abstandszahlung an Mieter zu den Herstellungskosten eines neu errichteten Gebäudes gehört, wenn hierdurch das bislang vermietete Gebäude abgebrochen und ein neues Gebäude erbaut werden kann.[6] Ansonsten stellen Abfindungszahlungen keine Anschaffungs- oder Herstellungskosten des Gebäudes dar.[7] Zur Frage der Zuordnung einer Abstandszahlung zu den anschaffungsnahen Herstellungskosten liegt – soweit erkennbar – bislang keine höchstrichterliche Rechtsprechung vor.

Praxisanmerkungen

Das FG Münster legt den Begriff der Aufwendungen „für“ Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen weit aus. Wenngleich abzuwarten bleibt, wie der BFH in dem Revisionsverfahren entscheiden wird, lauert in dieser Entscheidung eine Praxisgefahr. Die Finanzverwaltung kann die Entscheidung zum Anlass nehmen, die neben den originären Instandhaltungs- und Modernisierungsmaßnahmenkosten anfallenden Aufwendungen darauf hin zu untersuchen, ob auch die mittelbaren Kosten wie z. B. pauschal geltend gemachte Fahrt- und/oder Telefonkosten in die Berechnung der 15 %-Grenze einzubeziehen sein sollen.

 

 

[1]           BFH-Urt. v. 9.5.2017 – IX R 6/16, BStBl II 2018, 9

[2]           BFH-Urt. v. 14.6.2016 – IX R 22/15, BStBl II 2016, 999 und IX R 25/14, BStBl II 2016, 992

[3]           BFH-Urt. v. 14.6.2016 – IX R 22/15, BStBl II 2016, 999 Rn. 24

[4]           BFH-Urt. v. 9.5.2017 – IX R 6/16, BStBl II 2018, 9

[5]           § 6 Abs. 1 Nr. 1a Satz 1 EStG i.V.m. § 9 Abs. 5 Satz 2 EStG

[6]           BFH-Urt. v. 9.2.1983 – I R 29/79, BStBl II 1983, 451

[7]           Siehe auch BFH-Urt. v. 26.1.2011 – IX R 24/10, BFH/NV 2011, 1480