Der BFH hat sich mit der Frage der Versteuerung von verrenteten begünstigten Alt-Lebensversicherungsverträgen (Abschluss vor dem 1. Januar 2005) bereits im Jahr 2021 auseinandergesetzt. Er hatte seinerzeit Folgendes entschieden: [1]

  • Die in den Rentenzahlungen enthaltenen Zinsen sind den Einkünften aus Kapitalvermögen zuzuordnen und bei Anwendung des sog. Lebensversicherungsprivilegs steuerfrei. [2]
  • Die Auszahlung des angesammelten Kapitalguthabens einschließlich Überschussanteile löst ferner keine Ertragsteuerpflicht aus, solange die Auszahlung diesen Betrag nicht überschreitet.

Praxishinweis

Der BFH hat sich gegen eine von der Finanzverwaltung vorgenommene Besteuerung der Rentenzahlung als sonstige Einkünfte mit dem Ertragsanteil ausgesprochen. Lange Zeit hat die Finanzverwaltung auf diese unliebsame Rechtsprechung nicht reagiert. Erst durch das JStG 2024 hat der Gesetzgeber eine rechtsprechungsbrechende Gesetzesänderung – und zwar rückwirkend in allen noch offenen Fällen – verabschiedet. In § 52 Abs. 28 Satz 5 EStG wird die vom BFH verworfene Verwaltungsauffassung gesetzlich festgeschrieben und die Besteuerung der Rentenzahlung mit dem Ertragsanteil bei den sonstigen Einkünften angeordnet.

Der Gesetzgeber begründet seine Rechtsänderung mit einer gesetzlichen Klarstellung. Ob diese Rechtsänderung überhaupt zu dem vom Gesetzgeber und der Finanzverwaltung gewünschten Besteuerungsziel führt, bleibt gegenwärtig abzuwarten.

  • Strittig ist zunächst, ob der Gesetzgeber in 2024 rückwirkend für die Vorjahre die durch die BFH-Rechtsprechung geklärte Rechtsauslegung durch eine rechtsprechungsbrechende Gesetzesänderung zu Gunsten der Ertragsbesteuerung ändern durfte. Hieran bestehen erhebliche verfassungsrechtliche Zweifel.
  • Strittig ist zudem, ob die Gesetzesänderung ab dem VZ 2024 zu dem gewünschten Besteuerungsziel führt oder ob dem Gesetzgeber eine Umqualifizierung der Einkunftsart von der Rechtsprechung untersagt wird.

Praxishinweis

Zu diesen Fragen ist vor dem FG Nürnberg ein Musterverfahren unter dem Az. 6 K 1408/24 anhängig. In der Praxis sollten laufende Einsprüche, deren Bearbeitung von den Rechtsbehelfsstellen der Finanzverwaltung nunmehr aufgenommen wird, nicht zurückgenommen werden. Es bleibt zu hoffen, dass die Finanzverwaltung im Hinblick auf das anhängige Musterverfahren vergleichbare Sachverhalte aus Zweckmäßigkeitsgründen weiterhin ruhend stellen wird. [3] Auch Ertragsanteilsbesteuerungen in 2023 und später sollten im Hinblick auf den ungewissen Verfahrensausgang im Einspruchsverfahren offengehalten werden.

[1] BFH-Urt. v. 1.7.2021 – VIII R 4/18

[2] § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 EStG 2004

[3] § 363 Abs. 2 Satz 1 AO