Entgegen der bisherigen Rechtsauslegung stellt das Entgelt für den Verzicht auf die Ausübung eines Nießbrauchrechts an einem dem Privatvermögen zugehörigen Grundstück eine steuerbare Entschädigung i.S.d. § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG dar, wenn der Nießbraucher
- das Grundstück zum Zeitpunkt des Verzichts tatsächlich vermietet und
- hieraus Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielt.[1]
Praxishinweis
Das Nießbrauchrecht an einer durch den Nießbrauchberechtigten vermieteten Immobilie ist ein Wirtschaftsgut.[2] Wird auf dieses Wirtschaftsgut entgeltlich verzichtet, löst dieses keine Versteuerung nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG aus. Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften sind gegenüber anderen Einkunftsarten nachrangig.[3]
Der Tatbestand des § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG setzt nach neuer Auffassung des BFH nicht voraus, dass der Steuerpflichtige, dem eine Entschädigung als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen zufließt, bei Abschluss einer entsprechenden Vereinbarung unter rechtlichem, wirtschaftlichem oder tatsächlichem Druck stand. Die bislang gegenteilige BFH-Rechtsprechung[4] wird abgelehnt, auch weil ein solcher Tatbestand im Wortlaut des § 24 Nr. 1 Buchst. a) EStG erwähnt ist. Damit ist auch eine freiwillig vereinbarte Abfindung steuerbar.[5]
Die steuerbare Abfindung führte im Entscheidungsfall zu steuerpflichtigen Einkünften aus Vermietung und Verpachtung
Praxishinweis
Nach bisheriger Auffassung der Finanzverwaltung wird die Ablösung eines Vorbehalts- oder Vermächtnisnießbrauchs gegen Einmalzahlung als nicht steuerbare Vermögensumschichtung angesehen.[6] Dies wurde damit begründet, dass das Verzichtsentgelt nicht deshalb gezahlt werde, weil dem Nießbraucher Einnahmen entgehen, sondern weil er ein Wirtschaftsgut aufgebe. Diese Auffassung lehnte der BFH mit seiner Entscheidung vom 10.10.2025[7] ab. Das Entgelt für den Verzicht auf die Ausübung des Nießbrauchrechts stelle jedenfalls dann eine steuerbare Entschädigung dar, wenn der Nießbraucher das Grundstück zum Zeitpunkt des Verzichts tatsächlich vermiete und hieraus Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erziele.[8] Der BFH überträgt damit die zur Ablösung eines Nießbrauchrechts an einem GmbH-Anteil ergangene Rechtsprechung auch auf die Ablösung eines Nießbrauchrechts vermieteter Immobilien.[9]
Sachverhalt
Im Entscheidungsfall stand der Klägerin ein lebenslanges Nießbrauchrecht an einem Grundstück zu. Eigentümerin war eine Erbengemeinschaft, der die Kinder der Klägerin angehörten.
Die Klägerin vermietete als Nießbraucherin das Grundstück zunächst an einen fremden Dritten und erzielte hieraus Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung.
Ab 2012 vermietete die Klägerin das Grundstück an die A-KG, deren Komplementärin sie war. Aufgrund dessen wurde das Nießbrauchrecht dem Sonderbetriebsvermögen der Klägerin bei der A-KG zugeordnet. Die Klägerin erzielte aus der Vermietung gewerbliche Einkünfte.
2018 schied die Klägerin aus der A-KG aus. Das Nießbrauchrecht wurde in das Privatvermögen überführt. Die Mieteinnahmen gehörten fortan zu den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung.
Nachdem die Erbengemeinschaft das Grundstück veräußert hatte, verzichtete die Klägerin auf ihr Nießbrauchrecht. Hierfür erhielt sie eine Entschädigung in Millionenhöhe.
Entscheidung des BFH
Der entgeltliche Verzicht auf das Nießbrauchrecht an einer durch die Nießbraucherin vermieteten Immobilie löst eine steuerbare und steuerpflichtige Entschädigung aus.[10] Die steuerbare Entschädigung ist kausal mit den entgehenden oder entgangenen Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung der Klägerin verknüpft.
Praxishinweis
Der X. Senat hat auf Anfrage des IX. Senats des BFH mitgeteilt, an seiner bisherigen gegenteiligen Rechtsprechung nicht mehr festzuhalten.
Der BFH hat die Entscheidung an die Vorinstanz zurückverwiesen, weil geprüft werden müsse, ob der Klägerin im Zusammenhang mit der vereinnahmten Entschädigung nunmehr zu berücksichtigende Werbungskosten entstanden seien. Zudem müsse geprüft werden, ob für den zusammengeballten Zufluss der Entschädigung die Steuertarifermäßigung nach § 34 Abs. 1 EStG (Fünftelungsregelung) angewandt werden könne.[11]
Es bleibt abzuwarten, wie die Finanzverwaltung auf diesen Paukenschlag reagieren wird. Es erscheint nicht ausgeschlossen, dass die Finanzverwaltung die neue BFH-Rechtsprechung zumindest ab dem Tag der Veröffentlichung auf der Internetseite des Bundesfinanzhofs (4.12.2025) anwenden wird. Mandanten sollten auf die Gefahr der zusätzlichen Steuerbelastung bei Abschluss entsprechender Vereinbarungen hingewiesen werden.


