BFH: Warenlieferungen im paneuropäischen Versand über Amazon
Liefert ein Verkäufer Waren über die Internetseite der Amazon Services Europe s.a.r.l. (Amazon) im Rahmen des Modells „Verkauf durch Händler, Versand durch Amazon“ (auch „fulfillment by amazon“ bzw. „Paneuropäischer Versand durch Amazon“), ist Leistungsempfänger der Warenlieferung des Verkäufers nicht Amazon, sondern der Endkunde, dem die Verfügungsmacht am Gegenstand der Lieferung verschafft wird (BFH-Beschluss v. 29.4.2020 – XI B 113/19).
Sachverhalt:
Die Klägerin und Beschwerdeführerin, eine niederländische B.V., handelt mit Nahrungsergänzungsmitteln und Medizinprodukten. Sie besitzt ein Lager in den Niederlanden. Sie verkauft ihre Produkte an deutsche Kunden überwiegend über die Internetseiten von Amazon entsprechend dem „Amazon Services Europe Business Solutions Vertrag“. Streitig ist die umsatzsteuerliche Behandlung bei Auswahl der Option „Verkauf durch die Klägerin, Versand durch Amazon“.
Bei dieser Option sandte die Klägerin die Waren aus den Niederlanden an diverse Logistikzentren von Amazon in der EU, wobei die Waren für deutsche Privatkunden überwiegend in deutsche Logistikzentren geliefert würden. Bei den Logistikzentren in Deutschland handele es sich um Tochterunternehmen von Amazon. Diese lagerten die Ware für Amazon ein und stellten diese zum Verkauf an die Endkunden bereit. Ihr, der Klägerin, sei teilweise nicht bekannt, in welchem Logistikzentrum sich die Ware befinde, weil Amazon die angelieferten Waren eigenständig auf andere Logistikzentren verteilen könne. Die Waren würden über Amazon direkt an die Privatkunden verkauft.
Die Klägerin erklärte steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen an Amazon (Sitz in Luxemburg). Das Finanzamt unterwarf die Umsätze hingegen der deutschen USt, da es der Meinung war, dass die Klägerin auch insoweit Lieferungen an deutsche Endkunden ausgeführt habe, als sie am Paneuropäischen Versand im Rahmen der Option „Verkauf durch die Klägerin, Versand durch Amazon“ bzw. „fulfillment by amazon“ (Auftragsabwicklung durch Amazon) teilgenommen habe. Sie habe die Ware nicht an Amazon verkauft, so dass Amazon auch keine Vertragspartei des Kaufvertrags mit dem Endkunden werde. Darauf weise Amazon in den sehr umfangreichen Bedingungen hin. Amazon erbringe an die Verkäufer (d.h. die Händler) als Leistungsempfänger elektronische Dienstleistungen. Die hierfür von Amazon erhobenen Gebühren unterlägen der Umsatzsteuer. Der Ort der sonstigen Leistungen von Amazon an die Klägerin liege in den Niederlanden und die Umsatzsteuer für die sonstige Leistung von Amazon werde von der Klägerin als Leistungsempfängerin geschuldet. Mit der Einlagerung der Waren in die Logistikzentren von Amazon führe die Klägerin ein innergemeinschaftliches Verbringen aus. Die nach der Einlagerung getätigten Lieferungen an die inländischen Kunden seien steuerbar und im Rahmen der Versandhandelsregelung in Deutschland steuerpflichtig.
Das FG Düsseldorf wies die Klage ab (Urteil v. 11.10.2019 – 1 K 2693/17 U). Es entschied, die Klägerin habe unter Einschaltung von Amazon als sog. Fulfillment-Dienstleister Lieferungen an deutsche Endkunden ausgeführt. Soweit die Ware von der Klägerin zuvor in ein deutsches Logistikzentrum verbracht worden sei, sei die Lieferung an deutsche Kunden steuerpflichtig gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 3 Abs. 6 UStG. Leistungsempfänger sei der Endkunde. Der Kaufvertrag des Endkunden komme mit der Klägerin zustande.
Der „Amazon Services Europe Business Solutions Vertrag“ sei nicht als Kaufvertrag der Klägerin mit Amazon über die in die Logistikzentren verbrachten Waren anzusehen. Vielmehr handele es sich um einen Dienstleistungsvertrag, aufgrund dessen Amazon im Namen der Klägerin Kaufverträge für diese abschließe, während der Versand und das Inkasso durch Amazon in eigenem Namen aber im Auftrag der Klägerin erfolge.
Soweit die Klägerin Ware aus den NL in ein deutsches Logistikzentrum von Amazon verbracht habe, habe sie damit ein innergemeinschaftliches Verbringen verwirklicht, das in den Niederlanden steuerfrei ist. In Deutschland findet ein innergemeinschaftlicher Erwerb statt, bei dem die Klägerin allerdings zum Vorsteuerabzug berechtigt sei.
Entscheidung des BFH:
In seinem Beschluss über die eingelegte NZB verweist der BFH überwiegend auf das Urteil des FG, welches er in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung und der umsatzsteuerlichen Behandlung in der Literatur für zutreffen erachtet. Ergänzend weist er darauf hin, dass für die Auffassung, dass der Marktplatz-Betreiber nicht generell die Lieferungen an den Endkunden ausführt, spricht auch Art 14a MwStSystRL und § 25e UStG betreffend die Haftung eines Betreibers eines elektronischen Marktplatzes für nicht entrichtete USt aus der Lieferung eines Unternehmers über den bereitgestellten Marktplatz.
BFH-Beschluss v. 29.4.2020 – XI B 113/19 >>
Webinarempfehlung: Umsatzsteuer und Compliance im Online- und Versandhandel
Stand: 02.06.2020