Das Bundeskabinett hat am 5. April 2023 den Entwurf eines Gesetzes zur Unterstützung und Entlastung in der Pflege[1] beschlossen und in das Gesetzgebungsverfahren eingebracht.[2] Danach soll die gesetzliche Pflegeversicherung in zwei Schritten reformiert werden. Folgendes ist vorgesehen:
- Der Beitragssatz zur sozialen Pflegeversicherung soll zum 1. Juli 2023 um 0,35 Prozentpunkte auf 3,4 Prozent[3] angehoben werden.
- Die Bundesregierung soll darüber hinaus ermächtigt werden, den Beitragssatz künftig durch Rechtsverordnung festzusetzen, um auf kurzfristigen Finanzierungsbedarf reagieren zu können.
- Der Beitragszuschlag für Kinderlose beträgt ab dem 1. Juli 2023
0,6 Prozent.[4] - In Umsetzung des BVerfG-Beschl. v. 7. April 2022[5] soll der Beitragssatz schließlich zum 1. Juli 2023 nach der Kinderzahl differenziert werden: Bei kinderlosen Mitgliedern soll ein Beitragssatz von 4 %, bei Mitgliedern mit einem Kind[6] ein Beitragssatz von 3,4 % gelten. Ab zwei Kindern soll der Beitrag während der Erziehungsphase bis zum 25. Lebensjahr um 0,25 Beitragssatzpunkte je Kind bis zum fünften Kind weiter abgesenkt werden. Damit ergeben sich folgende Beitragssätze:
- 3,40 Prozent für Eltern mit einem Kind
- 3,15 Prozent für Eltern mit 2 Kindern
- 2,90 Prozent für Eltern mit 3 Kindern
- 2,65 Prozent für Eltern mit 4 Kindern
- 2,40 Prozent für Eltern mit 5 und mehr Kindern
- Arbeitgeber außerhalb von Sachsen übernehmen von dem Beitrag zur Pflegeversicherung 1,7 %.[7] Der Restbetrag wird vom Mitarbeiter getragen. Datenverarbeitungsprogramme werden diese automatisch ab Juli zu berücksichtigen haben.
Praxishinweis
- 55 Abs. 3 SGB XI bestimmt zur Umsetzung der Beitragssatzsenkung ab dem zweiten Kind Folgendes:
Der Beitragssatz für jedes Kind mindert sich ab dem zweiten Kind bis zum fünften Kind um jeweils einen Abschlag in Höhe von 0,25 Beitragssatzpunkten bis zum Ablauf des Monats, in dem das jeweilige Kind das 25. Lebensjahr vollendet hat; bei der Ermittlung des Abschlags nicht berücksichtigungsfähig sind Kinder, die das 25. Lebensjahr vollendet haben.
Dies gilt auch für Eltern, die selbst das 23. Lebensjahr noch nicht vollendet haben.
Die Elterneigenschaft sowie die Angaben zu den Kindern sind in geeigneter Form gegenüber der beitragsabführenden Stelle, von Selbstzahlern gegenüber der Pflegekasse, nachzuweisen, sofern diesen die Angaben nicht bereits aus anderen Gründen bekannt sind.
Um eine einheitliche Rechtsanwendung sicherzustellen und ein möglichst effizientes, schnelles und digitales Verwaltungshandeln zu gewährleisten, wird das Bundesministerium für Gesundheit gemeinsam mit dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales und im Einvernehmen mit dem Bundesministerium des Inneren und für Heimat sowie dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft ein Verfahren zur Erhebung und zum Nachweis der Anzahl der Kinder bis spätestens zum
1. Juli 2023 entwickeln.[8]
Der Spitzenverband Bund der Pflegekassen gibt Empfehlungen darüber, welche Nachweise geeignet sind.
Erfolgt die Vorlage des Nachweises innerhalb von drei Monaten nach der Geburt des Kindes, gilt der Nachweis mit Beginn des Monats der Geburt als erbracht, ansonsten wirkt der Nachweis ab Beginn des Monats, der dem Monat folgt, in dem der Nachweis erbracht wird.
Nachweise für vor dem 1. Juli 2023 geborene Kinder, die bis zum
31. Dezember 2023 erbracht werden, wirken vom 1. Juli 2023 an.
Können die Abschläge von den beitragsabführenden Stellen und den Pflegekassen nicht ab dem 1. Juli 2023 berücksichtigt werden, sind sie so bald wie möglich, spätestens bis zum 31. Dezember 2024, zu erstatten[9]; § 27 Absatz 1 des Vierten Buches findet bis einschließlich 31. Dezember 2023 keine Anwendung.
- Zur Stärkung der häuslichen Pflege soll das Pflegegeld zum 1. Januar 2024 um 5 % erhöht werden. Aus diesem Grund sollen auch die ambulanten Sachleistungsbeträge zum 1. Januar 2024 um 5 % erhöht werden.
- Außerdem soll das Pflegeunterstützungsgeld von Angehörigen künftig pro Kalenderjahr für bis zu zehn Arbeitstage je pflegebedürftiger Person in Anspruch genommen werden können und nicht mehr beschränkt auf einmalig insgesamt zehn Arbeitstage je pflegebedürftiger Person sein (Anwendung ab 2024).
- Zum 1. Januar 2024 sollen die Zuschläge,[10] die die Pflegekasse an die Pflegebedürftigen in vollstationären Pflegeeinrichtungen zahlt, erhöht werden.
- Zum 1. Januar 2025 und zum 1. Januar 2028 sollen die Geld- und Sachleistungen regelhaft in Anlehnung an die Preisentwicklung automatisch dynamisiert werden.
[1] Pflegeunterstützungs- und -entlastungsgesetz (kurz: PUEG)
[2] BR-Drucks. 165/23 v. 20.4.2023
[3] § 55 Abs. 1 SGB XI
[4] § 55 Abs. 3 SGB XI
[5] BVerfG-Beschl. v. 7.4.2022 – 1 BvL 3/18, 1 BvR 717/16, 1 BvR 2257/16 und 1 BvR 2824/17
[6] Unabhängig vom Alter des Kindes
[7] Sachsen: 1,2 %
[8] Der Bundesrat fordert eine Übermittlung der verbindlich zugrunde zu legenden Kinderzahl durch die Träger der Pflegeversicherung – BR-Drucks. 165/1/23 v. 28.4.2023
[9] Der Bundesrat fordert eine Verlängerung bis zum 30.6.2025 – BR-Drucks. 165/1/23 v. 28.4.2023
[10] Nach § 43c SGB XI