Regelmäßig wiederkehrende Einnahmen und Ausgaben setzen voraus, dass sie kurze Zeit vor Beginn bzw. kurze Zeit nach Beendigung des Kalenderjahres der wirtschaftlichen Zugehörigkeit nicht nur gezahlt, sondern auch fällig geworden sind.[1]

 

BFH-Urt. v. 16.2.2022 – X R 2/21, DStR 2022, 1101

Mit Urteil vom 16.2.2022[2] hat sich der BFH zur Frage geäußert, ob es für die Anwendung der sog. 10 Tagesregelung[3] sowohl auf die Fälligkeit als auch auf die Zahlung innerhalb dieses Zeitkorridors ankommt. Der Entscheidungsfall verhielt sich folgendermaßen:

 

Kläger §     Die Eheleute werden zusammen zur ESt veranlagt.

§     Der EM erzielte Einkünfte aus Gewerbebetrieb, die
durch Einnahme-Überschussrechnung ermittelt wurden.

§     Die Umsatzsteuer-Vorauszahlungen für Mai bis Juli 2017 von rd. 3.000 EUR wurden am 9.1.2018 gezahlt und wurden offensichtlich auch erst am 9.1.2018 an die Finanzverwaltung übermittelt.

§     Es wurde ein Betriebsausgabenabzug in 2017 begehrt.

Finanzamt §     Betriebsausgabenabzug ist erst in 2018 möglich, da die reguläre (gesetzliche) Fälligkeit außerhalb der 10 Tagesfrist liegt.
FG München §     Urteil v. 15.10.2020 – 15 K 2604/19[4]

§     Ein Betriebsausgabenabzug ist erst im VZ 2018 zulässig.

 

Entscheidung des BFH in der Rs. X R 2/21

Die Entscheidung des BFH in der Rs. X R 2/21 lässt sich wie folgt zusammenfassen:

  • Die zeitliche Zuordnung von regelmäßig wiederkehrenden Einnahmen und Ausgaben zum Jahr der wirtschaftlichen Zugehörigkeit setzt voraus, dass diese kurze Zeit vor Beginn bzw. kurze Zeit nach Beendigung des Kalenderjahres der wirtschaftlichen Zugehörigkeit gezahlt und auch fällig geworden sind.
  • Das Tatbestandsmerkmal Fälligkeit ergibt sich nicht aus § 11 EStG.
  • Durch die Einbeziehung der Fälligkeit in die Prüfung der Erfüllung der 10 Tagesregelung soll eine „überbordende“ Anwendung der Vorschrift verhindert werden.[5]

 

Anmerkungen

Der BFH definiert in seiner vorliegenden Entscheidung den Begriff der „Fälligkeit“ nicht näher. Die FinVerw. geht von der gesetzlichen Fälligkeit aus – unabhängig davon, ob bis zu diesem Zeitpunkt die Voranmeldung übertragen wurde oder nicht.[6]

Dieser Auffassung der FinVerw. dürfte auch der BFH durch den Hinweis auf Vermeidung einer „überbordenden“ Anwendung der
10 Tagesregelung zustimmen.

 

Praxishinweis

Bemerkenswert ist, dass der BFH sich die Rechtsauslegungsdiskussion selbst verschafft hat. So hat er z. B. in seiner Entscheidung vom 27.6.2018[7] selbst offen gelassen, ob die Anwendung von § 11 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 1 Satz 2 EStG von einer Fälligkeit der Zahlungen innerhalb des Zehn-Tages-Zeitraums abhängt. Dies wurde so gedeutet, dass der BFH von seiner bisherigen Entscheidungslinie abweichen und künftig den Gesetzeswortlaut wortgetreu auslegen will. Diese Deutung, bei Anwendung der 10 Tagesregelung nur  auf den Zahlungszeitpunkt abzustellen, hat sich jedoch höchstrichterlich nicht durchgesetzt.

 

 

[1] Siehe § 11 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 Satz 2 EStG

[2] BFH-Urt. v. 16.2.2022 – X R 2/21, DStR 2022, 1101

[3] Siehe § 11 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 Satz 2 EStG

[4] FG München, Urt. v. 15.10.2020 – 15 K 2604/19, EFG 2021, 1532

[5] BFH-Urt. v. 16.2.2022 – X R 2/21, DStR 2022, 1101 Rz. 18

[6] FinMin SH – aktualisierte Kurzinfo v. 14.2.2022 – StED 2022, 127; siehe auch § 18 Abs. 1 Satz 3 UStG

[7] BFH-Urt. v. 27.6.2018 – X R 2/17, BFH/NV 2018, 1286 Rz. 13