Vorab entstandene Werbungskosten bei doppelter Haushaltsführung
Einen weiteren interessanten und praxisbedeutsamen Sachverhalt hat der BFH mit Urteil v. 23. Oktober 2019[1] entschieden.
Sachverhalt
Der dem Urteil zugrunde liegende Sachverhalt lässt sich folgendermaßen zusammenfassen:
- Die Klägerin war Oberärztin und unterhielt eine angemietete 2 ½ Zimmer-Wohnung in Berlin.
- Infolge der Geburt der Tochter befand sie sich in Elternzeit und zog zu dem Lebensgefährten nach Hannover.
- Während der Elternzeit nahm die Klägerin eine Teilzeitstelle in dem während der Elternzeit möglichen Umfang – offensichtlich in Hannover oder Umgebung – an.
- Die Planung der Familie war, dass der Familienwohnsitz mit dem Kind in Hannover bleiben sollte und die Klägerin nach Ende der Elternzeit wieder ihre bisherige Vollzeitstelle in Berlin aufnehmen würde.
- Wegen des starken Wohnungsmangels in Berlin und wegen des preisgünstigen Mietvertrages behielt die Klägerin die dortige Wohnung auch während der Elternzeit bei und setzte die entstandenen Kosten (unter Berücksichtigung der Einnahmen aus einer Untervermietung) als WK bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit ab.
- Die Wohnung in Berlin wurde erst zu dem Zeitpunkt gekündigt, als die Klägerin sich für eine andere (Vollzeit-) Stelle in Hannover oder Umgebung entschieden hatte.
Das FG Berlin-Brandenburg ließ einen Kostenabzug zu.[2]
Entscheidung des BFH
Nach Auffassung des BFH hat das FG Berlin-Brandenburg die Aufwendungen für die Wohnung allerdings zu Unrecht als Werbungskosten anerkannt.
Begründung
- Die Klin. konnte die Kosten nicht als Kosten der doppelten Haushaltsführung geltend machen, weil sie in Berlin keine erste Tätigkeitsstätte mehr unterhielt. Während der Elternzeit ruhte ihr Arbeitsverhältnis mit der Klinik kraft Gesetzes. Die Elternzeit führte zur Befreiung von der Arbeitspflicht. Die Klin. war damit nicht mehr im Rahmen des Dienstverhältnisses nachhaltig, fortlaufend und immer wieder in Berlin tätig.
- Ein Kostenabzug nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG als Werbungskosten scheitert ebenso. Der BFH betont, dass die Mietkosten einer Wohnung, ohne dass die Voraussetzungen einer doppelten Haushaltsführung vorliegen[3], grundsätzlich nicht ersatzweise nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG abgezogen werden können.
- Auch vorweggenommene Werbungskosten lagen im Entscheidungsfall nicht vor. Hierzu muss ein endgültiger Entschluss gefasst werden, die Wohnung zukünftig im Rahmen einer steuerlich anzuerkennenden doppelten Haushaltsführung zu nutzen. Im Entscheidungsfall wurde dies lediglich behauptet. Der BFH war aber nach den vorliegenden Feststellungen nicht davon überzeugt, dass die Klin. den endgültigen Entschluss gefasst hatte, die Wohnung auch künftig im Rahmen einer steuerlich anzuerkennenden doppelten Haushaltsführung zu nutzen. Sie orientierte sich vielmehr durch den Umzug um, so dass das Vorhalten der Wohnung offensichtlich nur noch privat veranlasst war.
Praxishinweis
Der BFH zweifelt in seiner Urteilsbegründung zudem an, ob eine gegenteilige Rechtsprechung des FG Münster[4] mit diesen BFH-Grundsätzen in Einklang steht. Mit diesem „Wink mit dem Zaunpfahl“ will der BFH offensichtlich klarstellen, dass er den Entscheidungsfall des FG Münsters anders entschieden hätte.
[1] BFH, Urt. v. 23.10.2019 – VI R 1/18, BFH/NV 2020, 354
[2] FG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 1.6.2017 – 3 K 3278/14, EFG 2017, 1580 (nachfolgend BFH-Urt. v. 23.10.2019 – VI R 1/18, BFH/NV 2020, 354)
[3] Entsprechendes dürfte auch für Unterkunftskosten i.R. einer beruflich veranlassten Auswärtstätigkeit gelten
[4] FG Münster, Urt. v. 12.6.2019 – 7 K 57/18 E, EFG 2019, 1278, rkr.