Nachträgliche Betriebsausgaben sind durch den Betriebsübergeber Jahre nach der unentgeltlichen Betriebsübergabe zulässig. Dies gilt nach Auffassung des BFH zumindest, wenn der Betriebsübergeber später eine eigene Schuld bedient, zu deren Kostenübernahme sich der Betriebsübernehmer nur „intern“ verpflichtet hat und er diese Kosten infolge eigener Insolvenz nicht mehr tragen kann (BFH, Urt. v. 6.5.2014 – III R 7/22).

 

Bei einer Betriebsveräußerung und einer Betriebsaufgabe ist der daraus resultierende Gewinn grds. unter Berücksichtigung eines Freibetrags
(§ 16 Abs. 4 EStG) einkommensteuerpflichtig. Der steuerpflichtige Teil kann entweder nach der Fünftelungsregelung oder dem 56 %igen Durchschnittsteuersatz versteuert werden.

Von der Betriebsveräußerung und Betriebsaufgabe sind unentgeltliche Betriebsübertragungen zu unterscheiden. Die unentgeltliche Betriebsübergabe führt weder zu einer Betriebsveräußerung noch zu einer Betriebsaufgabe; es kommt nicht zu einer Aufdeckung der stillen Reserven und der Rechtsnachfolger führt die Aktiva und Passiva fort.

 

 Offene Frage

Der BFH hatte über folgende Fragen zu befinden:

  • Ist die Übertragung eines Betriebs unter Familienangehörigen selbst dann unentgeltlich, wenn das Eigenkapital bei Übertragung negativ ist?
  • Ist ein unrichtiger nicht mehr änderbarer Bilanzansatz in den Bilanzen des Betriebsübergebers in der ersten offenen Bilanz des Betriebsübernehmers erfolgswirksam zu korrigieren?
  • Sind infolge der Insolvenz des Betriebsübernehmers nunmehr vom Betriebsübergeber gezahlte Kosten bei diesem als nachträgliche Betriebsausgaben bei Zahlung abziehbar?

 

Sachverhalt

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt verhielt sich wie folgt:

  • Die Kläger wurden in den Streitjahren zusammen zur Einkommensteuer veranlagt.
  • Vom 1.5.2000 bis zum 30.9.2004 betrieb die Klägerin einen von ihrem Vater (kurz: V) übernommenen Maler- und Lackiererbetrieb.
  • Die Klägerin übertrug dieses Unternehmen am 1.10.2004 mit sämtlichen Aktiva und Passiva an V zurück.
  • Nach den Vereinbarungen erfolgte die Übertragung unentgeltlich.
  • V übernahm „mit dem Betriebsübergang sämtliche Rechte und Pflichten betreff des Betriebes, ggf. auch nur im Innenverhältnis“. Auch die Arbeitsverhältnisse gingen auf den neuen Betriebsinhaber über. Das Kapital betrug am 30.9.2004 EUR 2.695,34 EUR.
  • Die Klägerin führte während ihrer Betriebsführung Beiträge zur Urlaubskasse nicht ab. Sie wurde zur Zahlungen verurteilt.
  • Urteil v. 3.9.2003: rd. 46.000 EUR für den Zeitraum Mai 2000 bis Dezember 2001 und nochmals rd. 46.000 EUR für den Zeitraum Januar bis Dezember 2002. Die Berufung wurde am 28.2.2005 zurückgewiesen. Die Urlaubskasse stimmte einer Schuldübernahme durch den Rechtsnachfolger V (vgl. §§ 414, 415 BGB) nicht zu.
  • Diese Sachverhalte fanden weder in der zum 31.12.2003 aufgestellten Bilanz vom 15.8.2005 noch in der zum 30.9.2004 aufgestellten Bilanz vom 10.2.2006 Berücksichtigung.
  • In der Folgezeit leistete V die offene Schuld an die Urlaubskasse durch Ratenzahlung.
  • In 2016 wurde bei V das Insolvenzverfahren eröffnet.
  • Die Klägerin (Betriebsübergeberin) zahlte vor diesem Hintergrund in 2014 rd. 6.000 EUR, in 2015 und 2016 jeweils 12.000 EUR an die Urlaubskasse und begehrte hierfür den Ansatz von gewinnmindernden nachträglichen Betriebsausgaben.

Das Thüringer FG (Urt. v. 23.11.2021 – 3 K 308/18) verwehrte den begehrten nachträglichen Betriebsausgabenabzug. Eine Berichtigung des falschen Bilanzansatzes habe in der Bilanz des Betriebsübernehmers zu erfolgen. Dem Betriebsübergeber besteht der betriebliche Zusammenhang der vormaligen Betriebsschuld nicht mehr, so dass auch ein nachträglicher Betriebsausgabenabzug ausgeschlossen sei.

 

Der BFH (Urt. v. 6.5.2024 – III R 7/22) ließ einen Kostenabzug der nachträglich geltend gemachten Betriebsausgaben zu. Dies begründete der BFH im Wesentlichen wie folgt:

  • Unentgeltliche Betriebsübergabe liegt vor

Das Einzelunternehmen ging zum 1.10.2004 unentgeltlich auf V über (§ 6 Abs. 3 EStG). Die Vermutung der „Unentgeltlichkeit“ bei Übertragungen zwischen einander nahestehenden Personen gelte selbst dann, wenn das Eigenkapital bei Übertragung negativ sei (Rz. 24) und der Übernehmer sämtliche Betriebsschulden übernimmt. Außerdem spreche für die Unentgeltlichkeit auch die dem Betriebsübernehmer bei Vertragsabschluss bekannte Verbindlichkeit gegenüber der Urlaubskasse.

  • Bilanzierungsfehler: Formeller Bilanzzusammenhang und unentgeltliche Betriebsübergabe

Für die Zahlungsverpflichtung gegenüber der Urlaubskasse bildete die Klägerin keine Verbindlichkeitsrückstellung bzw. Verbindlichkeit (Rz. 31). Dieser Bilanzierungsfehler ist im Jahr der fehlerhaften Bilanzierung zu berichtigen. Scheidet in diesem Jahr die Richtigstellung aus, erfolgt die erfolgswirksame Korrektur in der ersten noch offenen Schussbilanz (formeller Bilanzzusammenhang). Die Korrekturverpflichtung (Rz. 32) geht bei Betriebsübergabe auf den Rechtsnachfolger über (Rz. 30). Im Entscheidungsfall war der Betriebsübernehmer zur Bilanzkorrektur verpflichtet: Es handelte sich zwar nicht um eine eigene Schuld gegenüber der Urlaubskasse; aufgrund der Betriebsübergabevereinbarung hat er die Verpflichtung der Klägerin zumindest im Innenverhältnis zu übernehmen. Zu passivieren war daher eine Freistellungsverpflichtung gegenüber der Betriebsübergeberin (Rz. 34).

  • „Schlummerndes“ Betriebsvermögen und nachträgliche Betriebsausgaben

Die originär von der Klägerin geschuldeten Beitragsverbindlichkeiten gegenüber der Urlaubskasse bleiben bei ihr – trotz Betriebsübertragung – (schlummerndes) Betriebsvermögen. Der Verbindlichkeit steht ein Anspruch auf interne Übernahme durch den Betriebsübernehmer gegenüber. Infolge des (schlummernden) Betriebsvermögens wirken sich eigene Zahlungen auf die Beitragsschuld – selbst wenn sie erst ein Jahrzehnt später erbracht werden – als nachträgliche Betriebsausgaben aus.

 

Die Rezensionsentscheidung ist über den entschiedenen Einzelfall hinaus bedeutsam.

Es fehlt jedoch eine Auseinandersetzung des BFH mit der Frage, wie sich die Kostentragung durch die ehemalige Betriebsinhaberin ertragsteuerlich auf die Bilanz des insolventen Betriebsübernehmers auswirkt. M. E. dürfte nach dem Korrespondenzprinzip eine gewinnerhöhende Rückstellungsauflösung im Zeitpunkt der tatsächlichen Kostenübernahme durch den originären Schuldner zu erfolgen haben.

Nach der Rezensionsentscheidung dürfte für die Geltendmachung von nachträglichen Betriebsausgaben auch danach zu unterscheiden sein, ob der Tilgungsbetrag eine eigene Schuld oder eine fremde Schuld ist. Liegt – wie im Entscheidungsfall – eine eigene Schuld der Klägerin vor, die aber infolge der Insolvenz des Betriebsübernehmers nicht mehr von diesem bedient wird, kommt ein Kostenabzug in Frage. Geht die Schuld auf den Betriebsübernehmer über und übernimmt der Betriebsübergeber grundlos (= ohne rechtliche Verpflichtung) Kosten aus früheren Zeiten, dürfte ein nachträglicher Betriebsausgabenabzug ausscheiden. In Betriebsübergabeverträgen sollte vor dem Hintergrund des Insolvenzrisikos des Übernehmers und einer spätere Inanspruchnahme des Übergebers eine klare Regelung getroffen werden, um den nachträglichen Kostenabzug beim in Anspruch genommenen Betriebsübergeber sicherzustellen.

 

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