Grundsätzliche

Das Bundeskabinett hat am 14. September 2022 den Entwurf eines Jahressteuergesetzes 2022 beschlossen. Mit diesem Beschluss beginnt das Gesetzgebungsverfahren, nachdem das Bundesfinanzministerium zuvor einen Referentenentwurf am 28. Juli 2022 veröffentlicht hat.

 

Für das Gesetzgebungsverfahren ist gegenwärtig folgender Zeitplan vorgesehen:

  • Referentenentwurf 07.2022
  • Kabinettentwurf09.2022
  • Beratung im BR-Finanzausschuss: 10.2022
  • Bundestag, 1. Lesung: 10.2022
  • Beratung BR: 28.10.2022
  • Abschließende Beratung im Bundestag-Finanzausschuss:11.2022
  • Bundestag, 2./3. Lesung: 12.2022
  • Beratung Bundesrat: 16.12.2022

 

Wesentliche Änderungen im Vergleich zum Referentenentwurf

Im Vergleich zum Referentenentwurf ergeben sich folgende wesentlichen Neuerungen:

  • Neuerungen bei der Abziehbarkeit der Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer
  • Änderungen bei der Gebäude-Abschreibung
  • Kurzfristige Beschäftigung und Lohnsteuerpauschalierung
  • Einkommensteuer: Steuerfreiheit für Einnahmen aus bestimmten Photovoltaikanlagen
  • Umsatzsteuer: Umsatzsteuersatz 0 % für Photovoltaikanlagen und Speicher

Praxishinweis

Nachfolgend soll auf die Neuerungen beim Kostenabzug wegen häuslichem Arbeiten eingegangen werden. Die weiteren geplanten Änderungen werden zu einem späteren Zeitpunkt dargestellt.

 

Häusliches Arbeiten – neue Abzugsregelungen

Der Gesetzgeber beabsichtigt, die Abziehbarkeit von Aufwendungen für das häusliche Arbeiten neu zu regeln. Ob die Neuregelung zu einer Besser- oder Schlechterstellung führt, muss im jeweiligen Einzelfall beurteilt werden. Durch die Reform wird allerdings das häusliche Arbeiten gerade unter Berücksichtigung der gestiegenen Kosten der Höhe nach nur unzureichend berücksichtigt.

 

Häusliches Arbeitszimmer und Kostenabzug

In dem neuen Recht wird in § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG-E die Abziehbarkeit der Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer geregelt.

Ein Aufwandsabzug ist nunmehr in Höhe einer Jahrespauschale von 1.250 EUR abziehbar, wenn für die betriebliche und berufliche Tätigkeit dauerhaft kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht.

 

Praxishinweis

Durch die Umwandlung in einen Jahrespauschbetrag bedarf es künftig nicht mehr eines Kostennachweises. Wird das häusliche Arbeitszimmer für verschiedene Tätigkeiten genutzt, bedarf es der sachgerechten Aufteilung auf die jeweilige Einkunftsart. Der Pauschbetrag von 1.250 EUR wird je häuslichem Arbeitszimmer gewährt; er vervielfältigt sich nicht je Tätigkeit. Die Jahrespauschale ist zudem raumbezogen anzuwenden. Üben mehrere Personen ihre betriebliche oder berufliche Tätigkeit in demselben häuslichen Arbeitszimmer aus, ist der Betrag von 1.250 EUR auf die Nutzenden aufzuteilen. Der Betrag wird nicht mehr personenbezogen vervielfacht, sondern insgesamt nur einmal gewährt. Dies stellt im Detail eine gravierende Änderung im Vergleich zur bisherigen Rechtslage dar. Unerheblich dürfte im Übrigen sein, ob der Arbeitsplatz, der dauerhaft zur Verfügung steht, beim Arbeitgeber oder bei einem Kunden liegt.

Steht dauerhaft kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung und bildet das häusliche Arbeitszimmer darüber hinaus auch den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung, können anstelle der Jahrespauschale die tatsächlichen Aufwendungen geltend gemacht werden.

 

Praxishinweis

Der vollständige Kostenabzug wird im Vergleich zur bisherigen Regelung erheblich eingeschränkt. Allein ein Tätigkeitsmittelpunkt im häuslichen Arbeitszimmer reicht künftig für den vollständigen Kostenabzug nicht mehr aus. Vielmehr wird neben dem Tätigkeitsmittelpunkt zudem verlangt, dass für die Betätigung dauerhaft kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht. Muss die Tätigkeit nur tageweise in dem häuslichen Arbeitszimmer ausgeübt werden, weil an den übrigen Arbeitstagen ein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht, kommt ein Abzug der Aufwendungen nur über § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6c EStG in Frage.

 

Beispiel ArbN ist 3 Tage im Homeoffice und 2 Tage in der Firma tätig.
Bisher Tätigkeitsmittelpunkt = unbeschränkter Abzug.
Nunmehr Dauerhaft liegt ein anderer Arbeitsplatz vor; ein Kostenabzug ist allenfalls
nach der neuen Home-Work-Pauschale (siehe nachfolgende Ausführungen) möglich.

 

Praxishinweis

Bildet das häusliche Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung und steht den Steuerpflichtigen dauerhaft kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung, können die Steuerpflichtigen aus Vereinfachungsgründen zwischen dem Abzug der tatsächlichen Kosten und der Jahrespauschale in Höhe von 1 250 Euro wählen.

 

Home-Work-Tagespauschale

Die bisherige Homeoffice-Pauschale wird nunmehr in § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6c EStG gesetzlich geregelt. Sie wird mit einer Tagespauschale von 5 EUR festgelegt, höchstens 1.000 EUR im Wirtschaftsjahr oder Kalenderjahr.

Praxishinweis

Die bis Ende 2022 geltende Homeoffice-Pauschale beträgt 5 EUR, maximal 600 EUR im Jahr. Damit wirken sich maximal 120 Arbeitstage steuerlich aus. Nunmehr erhöht sich die Anzahl der steuerwirksamen Arbeitstage auf 200.Gleichwohl tritt eine steuerliche Auswirkung bei Arbeitnehmereinkünften nur dann ein, wenn die Summe der Werbungskosten 1.200 EUR im Veranlagungsjahr übersteigt.

Der bisherige Begriff der Homeoffice-Pauschale war irritierend, da er den Anschein der Notwendigkeit der Unterhaltung eines häuslichen Arbeitszimmers erweckte. Nunmehr spricht der Gesetzgeber von einer Tätigkeit in der häuslichen Wohnung – wohl unerheblich, ob es die Haupt- oder die Ferienwohnung ist. Mit Fug und Recht kann nunmehr von einer Home-Work-Tagespauschale gesprochen werden.

Diese wird für jeden Kalendertag, an dem die betriebliche oder berufliche Tätigkeit überwiegend in der häuslichen Wohnung ausgeübt und keine außerhalb der häuslichen Wohnung belegene erste Tätigkeitsstätte aufgesucht wird, gewährt.

Praxishinweis

Im Gegensatz zur bisherigen Regelung reicht für die Tagespauschale eine überwiegende Tätigkeit in der häuslichen Wohnung aus. Bislang wird für die Homeoffice-Pauschale eine ausschließliche berufliche oder betriebliche Tätigkeit in der häuslichen Wohnung verlangt. Eine klare Verbesserung zur geltenden Rechtslage, wenngleich sich Fragen nach der Dokumentation bzw. der Glaubhaftmachung der überwiegenden häuslichen Tätigkeit anschließen werden.

Beispiel §    Dem ArbN wird vom ArbG im Betrieb ein Arbeitsplatz dauerhaft zur Verfügung
gestellt.§    Er arbeitet am 5.5.2023 insgesamt 5 Stunden zu Hause und 3 Stunden
auswärts.
Lösung §    Kostenabzug i. H. v. 5 EUR.
Abwandlung §    wie Beispiel zuvor, allerdings fährt er für 3 Stunden in den Betrieb
(= erste Tätigkeitsstätte).
Lösung §    Kein Kostenabzug von 5 EUR zulässig.

Ein Ansatz der Tagespauschale scheidet aus, sofern eine erste Tätigkeitsstätte im Laufe eines Kalendertages aufgesucht wird. Selbst ein nur kurzzeitiges Aufsuchen der ersten Tätigkeitsstätte verhindert den Ansatz der Tagespauschale; unerheblich dürfte sein, ob eine überwiegende Tätigkeit in der häuslichen Wohnung ausgeübt wird.

Praxishinweis

Ein Ansatz der Tagespauschale und der Entfernungspauschale ist für ein und denselben Kalendertag in diesen Fällen ausgeschlossen.

Steht für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit dauerhaft kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung, ist ein Abzug der Tagespauschale selbst dann zulässig, wenn die Tätigkeit am gleichen Kalendertag auch auswärts oder an der ersten Tätigkeitsstätte ausgeübt wird. Auch bei dieser Fallvariante muss die überwiegende Arbeit zu Hause erbracht werden.

Praxishinweis

Fahrten zur ersten Tätigkeitsstätte führen nach der Neuregelung nicht mehr automatisch zum Abzugsverbot der Home-Work-Pauschale. Steht dauerhaft ein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung, kann für die Fahrten zur ersten Tätigkeitsstätte nur die Entfernungspauschale und nicht die Tagespauschale von 5 EUR angesetzt werden. Sofern eine erste Tätigkeitsstätte unterhalten wird, aber kein dauerhaft anderer Arbeitsplatz vorliegt, sind die Fahrten zur ersten Tätigkeitsstätte nach den Entfernungspauschalengrundsätzen und daneben die Tagespauschale von 5 EUR abziehbar. Es ist mit einer Vielzahl neuer Rechtsauslegungsschwierigkeiten zu rechnen.

Neu aufgenommen wurden Ausschlussgründe für die Gewährung der Tagespauschale. Sie ist nicht zulässig, soweit für die Wohnung Unterkunftskosten nach den Grundsätzen für ein häusliches Arbeitszimmer (§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG-E) oder nach den Grundsätzen der doppelten Haushaltsführung abgezogen werden.

Praxishinweis

Bislang konnte die Homeoffice-Pauschale neben den Unterkunftskosten einer doppelten Haushaltsführung geltend gemacht werden. Künftig soll dieser zusätzliche Kostenabzug entfallen.

Zu Recht wird bemängelt, dass der Gesetzgeber es dem Arbeitgeber nicht ermöglicht, die 5 EUR Tagespauschale steuerfrei und damit beitragsfrei zu erstatten. Wenngleich vereinzelt die Auffassung vertreten wird, der Pauschbetrag von 5 EUR sei bereits gegenwärtig steuerfrei erstattbar, entspricht dies nicht der Auffassung der Finanzverwaltung. Gleichwohl sollte der Gesetzgeber zur Förderung des mobilen Working diese starre Haltung aufgeben und eine eindeutige gesetzliche Öffnung z. B. über eine Ergänzung in § 3 Nr. 50 EStG ermöglichen.