[vc_row el_class=“css_individuell_posts“][vc_column css=“.vc_custom_1453901736908{padding-right: 5% !important;padding-left: 5% !important;}“][vc_column_text]Gerichtsvollzieher: Wo liegt die erste Tätigkeitsstätte?
Ein Gerichtsvollzieher unterhält am Sitz des Amtsgerichts seine erste Tätigkeitsstätte, so das FG Baden-Württemberg.[1] Damit können die Fahrten des Gerichtsvollziehers nur in Höhe der Entfernungspauschale als Werbungskosten angesetzt werden.
Der Urteilsfall
In der ESt-Erklärung 2015 machte der Kl. als Werbungskosten aus nichtselbstständiger Arbeit u. a. Fahrtkosten zum Amtsgericht an 205 Tagen nach Reisekostengrundsätzen[2] geltend. Der Kl. unterhält im Amtsgerichts-Bezirk A ein Gemeinschaftsbüro mit vier Bürozimmern, welches er zusammen mit sieben weiteren Gerichtsvollziehern angemietet hat. Hiervon nutzt der Kl. ein Bürozimmer zu seinen Bürozeiten an zwei Tagen, jeweils dienstags und mittwochs, für ca. zwei Stunden. Daneben betreibt er in seinem in B belegenen Einfamilienhaus ein eigenes Büro, welches als weiteres Geschäftszimmer[3] genehmigt ist.
Auf Nachfrage des Finanzamts zu einer dienst- oder arbeitsrechtlichen Zuordnungsentscheidung teilte die Verwaltungsleiterin des Amtsgerichts mit, dass der Kl. beim Amtsgericht als Obergerichtsvollzieher beschäftigt sei. Im Gebäude des Amtsgerichts werde ihm kein Büro zur Verfügung gestellt. Er habe an seinem Amtssitz[4] in A ein Büro auf eigene Kosten zu unterhalten. Dieses Büro werde nur zu den Bürozeiten verwendet (2 x 1 Stunde/Woche). Die hauptsächliche Büroarbeit erledige der Gerichtsvollzieher in seinem Heimbüro am Wohnort.
Entscheidung des FG Baden-Württemberg[5]
Das FG Baden-Württemberg ließ einen Werbungskostenabzug nur in Höhe der Entfernungspauschale zu. Seine Entscheidung begründete das FG im Wesentlichen wie folgt:
- Eine erste Tätigkeitsstätte knüpft vorrangig an die Zuordnungsentscheidung des Arbeitgebers an.[6] Maßgeblich sind die arbeits- bzw. dienstrechtlichen Festlegungen des Arbeitgebers und damit dessen Direktionsrecht.
- Eine wirksame Zuordnungsentscheidung setzt aber ein gewisses Tätigwerden des Arbeitnehmers am Zuordnungsort voraus. Als ausreichend erachtet die Finanzverwaltung auch Hilfs- und Nebentätigkeiten in ganz geringem Umfang, sofern der Arbeitnehmer persönlich an der Tätigkeitsstätte erscheint.[7] Der Mitarbeiter muss an diesem Ort nicht seiner eigentlichen beruflichen Tätigkeit nachgehen.[8]
- Im öffentlichen Recht ist Dienststelle/Dienststätte die Stelle, bei der der Arbeitnehmer eingestellt oder zu der er versetzt, abgeordnet, zugeteilt, zugewiesen oder kommandiert worden ist.[9] Unter den weiteren Bedingungen liegt dort eine erste Tätigkeitsstätte.
- Am Sitzort des Arbeitgebers[10] ist auf eigene Kosten des Mitarbeiters[11] ein Geschäftszimmer zu unterhalten. Das Geschäftszimmer am Amtssitz des Gerichtsvollziehers ist aus steuerrechtlicher Sicht der arbeitgeberseitige Zuordnungsort und mithin die erste Tätigkeitsstätte.[12] Der Amtssitz ist nicht nur rein auf das Gerichtsgebäude bezogen zu verstehen.
Praxishinweis
Das letzte Wort wird der BFH in dem anhängigen Revisionsverfahren haben. Der BFH hat hierbei die Möglichkeit, zu den seit 2014 geltenden reisekostenrechtlichen Regelungen grundsätzlich Stellung zu nehmen. Hierbei gilt es auch die Frage zu beantworten, ob es für eine steuerliche Zuordnung ausreicht, wenn am Zuordnungsort eine Hilfs- und Nebentätigkeit erbracht wird.
[1] FG Baden-Württemberg, Urt. v. 23.7.2018 – 10 K 1935/17, EFG 2019, 530, Rev. eingelegt, Az. des BFH: VI R 35/18
[2] pauschal 0,30 EUR pro gefahrenen Km
[3] i.S.d. § 30 GVO
[4] § 30 GVO
[5] FG Baden-Württemberg, Urt. v. 23.7.2018 – 10 K 1935/17, EFG 2019, 530, Rev. eingelegt, Az. des BFH: VI R 35/18
[6] § 9 Abs. 4 Satz 1 und 2 EStG
[7] BMF-Schr. v. 24.10.2014, BStBl I 2014, 1412, Rz. 6 und 8
[8] A. A. Kreft in H/H/R, § 9 EStG Rz. 9a und Bergkemper in H/H/R, § 9 EStG Rz. 546
[9] BMF-Schr. v. 24.10.2014, BStBl I 2014, 1412, Rz. 20
[10] § 2 Satz 1 GVO des Landes Baden-Württemberg
[11] § 30 GVO des Landes Baden-Württemberg
[12] § 9 Abs. 4 Satz 1 und 2 EStG