Entwurf eines JStG 2020 liegt vor: Begriff der „Leistung zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn“ wird gesetzlich definiert

 

Das BMF hat den Referentenentwurf eines Jahressteuergesetzes 2020 (kurz: JStG 2020) vorgelegt. Dieser Gesetzesentwurf enthält auch eine lange erwartete bzw. befürchtete Definition des Begriffs der Arbeitgeber-Zusatzleistung.

Nach § 8 Abs. 4 EStG-E soll künftig Folgendes gelten:

Im Sinne dieses Gesetzes werden Leistungen des Arbeitgebers oder auf seine Veranlassung eines Dritten (Sachbezüge oder Zuschüsse) für eine Beschäftigung nur dann zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn erbracht, wenn

  1. die Leistung nicht auf den Anspruch auf Arbeitslohn angerechnet,
  2. der Anspruch auf Arbeitslohn nicht zugunsten der Leistung herabgesetzt,
  3. die verwendungs- oder zweckgebundene Leistung nicht anstelle einer bereits ver-einbarten künftigen Erhöhung des Arbeitslohns gewährt und
  4. bei Wegfall der Leistung der Arbeitslohn nicht erhöht

wird.

 

Zum Hintergrund

Mit Urteilen vom 1. August 2019 hat der BFH seine Rechtsprechung zu der in verschiedenen Steuerbefreiungs- und Pauschalbesteuerungsnormen oder anderen steuerbegünstigenden Normen des EStG enthaltenen Tatbestandsvoraussetzung geändert, wonach die jeweilige Steuervergünstigung davon abhängt, dass eine bestimmte Arbeitgeberleistung „zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn“ erbracht werden muss (Zusätzlichkeitsvoraussetzung).[1]

Der BFH verneint, dass bestimmte Steuervergünstigungen für Sachverhalte mit Gehaltsverzicht oder -umwandlung (je nach arbeitsvertraglicher Ausgestaltung) durch die Zusätzlichkeitsvoraussetzung ausgeschlossen würde. Voraussetzung sei nur, dass der verwendungsfreie Arbeitslohn zugunsten verwendungs- oder zweckgebundener Leistungen des Arbeitgebers arbeitsrechtlich wirksam herabgesetzt werde (Lohnformwechsel). Ansonsten liege eine begünstigungsschädliche Anrechnung oder Verrechnung vor.[2]

Tarifgebundener verwendungsfreier Arbeitslohn kann somit nicht zugunsten bestimmter anderer steuerbegünstigter verwendungs- oder zweckgebundener Leistungen herabgesetzt oder zugunsten dieser umgewandelt werden, da der tarifliche Arbeitslohn nach Wegfall der steuerbegünstigten Leistungen wiederauflebt.

 

Praxishinweis

Die vorgenannte BFH-Rechtsprechung betrifft z. B. die Vorschriften

  • 3 Nr. 11a (Steuerfreie Corona-Beihilfe), 15 (öffentliche Verkehrsmittelkosten),
    33 (Kindergartenleistungen), 34 (bestimmte Gesundheitsförderungsmaßnahmen),
    34a (bestimmte Betreuungsleistungen), 37 (Dienstradüberlassung) und 46 EStG (Ladekosten) und
  • 37b Abs. 2 EStG,
  • 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 und 6 EStG (Übereignung von Datenverarbeitungsgeräten und Ladevorrichtungen sowie Arbeitgeberzuschuss zu den privaten Internetkosten),
  • 100 Abs. 3 Nr. 2 EStG (Förderbetrag zur betrieblichen Altersversorgung) sowie
  • die mit dem „Gesetz zur weiteren Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften“ eingeführten Regelungen zu den Zuschüssen zu den Aufwendungen des Arbeitnehmers für Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte etc.[3], zur Übereignung betrieblicher Fahrräder,[4] und zur Anwendung der 44-EUR-Freigrenze bei Gutscheinen und Geldkarten.[5]

Der Gesetzgeber hat bislang auf die Formulierung „zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn“ zurückgegriffen, wenn Sachverhalte mit Gehaltsverzicht oder -umwandlung explizit von der Steuerbegünstigung ausgeschlossen werden sollten.[6]

Bereits gegenwärtig wendet die Finanzverwaltung die zuvor genannten BFH-Entscheidungen nicht über den entschiedenen Einzelfall hinaus an.[7]

Mit der nunmehr vorgesehenen gesetzlichen Regelung in § 8 Abs. 4 EStG-E soll für das EStG klargestellt werden, dass nur „echte“ Zusatzleistungen des Arbeitgebers steuerbegünstigt sein sollen. Leistungen des Arbeitgebers oder auf seine Veranlassung hin eines Dritten (Sachbezüge oder Zuschüsse) für eine Beschäftigung werden nach diesem Gesetzesentwurf nur dann „zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn“ erbracht, wenn

  • die Leistung nicht auf den Anspruch auf Arbeitslohn angerechnet,
  • der Anspruch auf Arbeitslohn nicht zugunsten der Leistung herabgesetzt,
  • die verwendungs- oder zweckgebundene Leistung nicht anstelle einer bereits vereinbarten künftigen Erhöhung des Arbeitslohns gewährt und
  • bei Wegfall der Leistung der Arbeitslohn nicht erhöht wird.

 

Praxishinweis

Offen ist, ob eine Erhöhung des Arbeitslohns im Zusammenhang mit dem Wegfall einer ansonsten begünstigten Arbeitgeberleistung schädlich für eine Leistung zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn ist, selbst wenn diese Erhöhung nicht bei Beginn der ansonsten begünstigten Arbeitgeberleistung vereinbart war. Eine gesetzliche Konkretisierung ist m. E. erforderlich, um neue Diskussionen zu verhindern.

Dies soll im Hinblick auf den Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung unabhängig davon gelten, ob der Arbeitslohn tarifgebunden ist oder nicht.

 

Praxishinweis

Der neue § 8 Abs. 4 EStG-E soll erstmals anzuwenden sein auf Leistungen des Arbeitgebers oder auf seine Veranlassung eines Dritten (Sachbezüge oder Zuschüsse), die in einem nach dem 31. Dezember 2019 endenden Lohnzahlungszeitraum oder als sonstige Bezüge nach dem 31. Dezember 2019 zugewendet werden.[8]

Aufgrund des BMF-Schr. v. 5. Februar 2020[9] wendet die Finanzverwaltung diese Auslegung auch für die Zeiträume vor 2020 an.

Ob die Rechtsprechung diesen Nichtanwendungserlass – zumindest für die Zeiträume vor 2020 – als rechtens beurteilen wird, wird sicherlich in weiteren BFH-Entscheidungen zu klären sein.[10]

Mit Verabschiedung des JStG 2020 ist erst gegen Jahresende 2020 zu rechnen. Es ist zu erwarten, dass gerichtlich zu entscheiden sein wird, ob die Anwendung der in § 8 Abs. 4 EStG-E festgeschriebenen Gesetzesänderung für Sachverhalte erst am Tag nach der Verkündung oder rückwirkend für das gesamte Jahr 2020 zur Anwendung kommen wird. Arbeitgeber, die das Haftungsrisiko scheuen, sollten sich bereits gegenwärtig an der restriktiven Auslegung der Finanzverwaltung und der geplanten Gesetzesänderung orientieren.

Durch die Corona-Krise und der damit oftmals verbundenen Einnahmeausfällen der Arbeitgeber wird zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern oftmals die Frage diskutiert, in welchem Maße Lohnkosten nebst Lohnnebenkosten zur Sicherung von Arbeitsplätzen gemindert werden können. Die Arbeitgeber versuchen hierbei, die Nettoauszahlung an den Mitarbeiter so hoch wie möglich zu halten. Wünschenswert wäre es, die vom BFH zugelassenen Entgeltgestaltungen nicht durch eine Gesetzesänderung zu verhindern. Das weitere Gesetzgebungsverfahren bleibt abzuwarten; wir werden berichten.

 

[1] BFH-Urt. v. 1.8.2019 – VI R 32/18, BStBl II 2020, 106; VI R 21/17, BFH/NV 2019, 1339; und VI R 40/17, BFH/NV 2019, 1341

[2] BFH-Urt. v. 1.8.2019 – VI R 32/18, BStBl II 2020, 106 Rz. 30; siehe auch Seifert, AktStR 2020, 167

[3] § 40 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Buchst. b EStG

[4] § 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG

[5] § 8 Abs. 2 Satz 11 2. HS EStG

[6] Siehe auch BT-Drs. 19/14909 S. 44 zur ab 2020 geltenden Gesetzesänderung in § 8 Abs. 2 Satz 11 EStG

[7] BMF-Schr. v. 5.2.2020 – BStBl I 2020, 222

[8] § 52 Abs. 1 EStG-E

[9] A.a.O.

[10] Siehe auch Seifert, AktStR 2/2020 S. 167 (183)

 

 

Stand: 17.08.2020