Der BFH hat mit Urteil vom 16.07.2025 (Az.: I R 1/23) entschieden, dass Verluste einer Kapitalgesellschaft, die im Wirtschaftsjahr eines schädlichen Beteiligungserwerbs vor dem Erwerbszeitpunkt entstehen, zwar nicht in spätere Jahre vorgetragen, jedoch sehr wohl in das vorangegangene Jahr rückgetragen werden dürfen. Damit stellt sich der BFH gegen die Auffassung der Finanzverwaltung und stärkt die Position von Kapitalgesellschaften bei der Verlustverrechnung.

Sachverhalt: Verlust im Jahr der Verschmelzung

Mit Vertrag vom 31.10.2018 übertrug eine GmbH als übertragende Rechtsträgerin ihr Vermögen als Ganzes unter Auflösung ohne Abwicklung im Wege der Verschmelzung gemäß § 2 Nr. 1, §§ 4 ff., 46 ff. des Umwandlungsgesetzes auf die Klägerin als übernehmende Rechtsträgerin ohne Gewährung von Gesellschaftsrechten (Verschmelzung durch Aufnahme). Als „Verschmelzungsstichtag“ wurde in § 2 des Vertrags der 30.09.2018 bestimmt. Die Klägerin sollte das Vermögen der GmbH im Innenverhältnis „mit Wirkung zum Ablauf des 30.09.2018 (ab 01.10.2018, 0.00 Uhr)“ übernehmen; von diesem Zeitpunkt an sollten die Geschäfte der GmbH als für Rechnung der Klägerin geführt gelten. Die Verschmelzung wurde am 29.11.2018 in das Handelsregister eingetragen.

Die GmbH erzielte im Jahr 2017 einen Gewinn von etwa 1,84 Mio. €. Im Jahr 2018, das aufgrund der Verschmelzung zum 30.09.2018 endete, entstand ein Verlust von 14.058 €. Das Finanzamt lehnte anschließend den Verlustrücktrag in das Jahr 2017 unter Berufung auf § 8c KStG ab.

Nach Ansicht der Finanzverwaltung sei der Verlust gemäß § 8c Abs. 1 Satz 1 KStG nicht mehr abzugsfähig, da ein schädlicher Beteiligungserwerb vorliege. Verluste, die bis zum Zeitpunkt des Erwerbs entstanden seien, dürften weder vor- noch rückgetragen werden. Auch die rückwirkende Verschmelzung ändere daran nichts.

Entscheidung des BFH

Der BFH widersprach dieser Bewertung. Zwar sei § 8c KStG hinsichtlich des Verlustvortrags einschlägig, für den Verlustrücktrag gelte dies jedoch nicht. Die Vorschrift solle verhindern, dass neue Anteilseigner Verluste nutzen, die unter der vorherigen Gesellschafterstruktur entstanden sind. Wird ein Verlust jedoch in ein Jahr zurückgetragen, in dem die Gesellschafterverhältnisse noch unverändert waren, bleibt die wirtschaftliche Identität gewahrt. Ein solcher Rücktrag werde durch § 8c KStG nicht ausgeschlossen.

Rechtliche Bewertung und Konsequenzen

Der BFH stützt seine Entscheidung auf eine teleologische Auslegung der Norm und widerspricht damit ausdrücklich der Verwaltungsmeinung im BMF-Schreiben vom 28.11.2017. Nach Auffassung des Gerichts soll der Gesetzeszweck lediglich verhindern, dass neue Anteilseigner Verluste zu ihrem Vorteil nutzen, nicht aber eine Nutzung durch die ursprünglichen Gesellschafter mittels Rücktrag verhindern.

Die Entscheidung sorgt für mehr Rechtssicherheit in Fällen, in denen Kapitalgesellschaften im laufenden Jahr übernommen werden und im selben Zeitraum Verluste entstehen. Steuerpflichtige können sich nun darauf berufen, dass ein Verlustrücktrag in das Vorjahr zulässig bleibt, sofern die Verluste vor dem Anteilserwerb entstanden sind.

BFH-Urt. v. 16.07.2025 – I R 1/23

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