[vc_row el_class=“css_individuell_posts“][vc_column css=“.vc_custom_1453901736908{padding-right: 5% !important;padding-left: 5% !important;}“][vc_column_text]Aufwendungen für Notrufsysteme: Steuerermäßigung nach § 35a EStG zulässig!
Für die mit einer Betreuungspauschale abgegoltenen Aufwendungen für ein Notrufsystem, das innerhalb einer Wohnung im Rahmen des „Betreuten Wohnens“ Hilfeleistungen rund um die Uhr sicherstellt, kann eine Steuerermäßigung nach § 35a Abs. 2 Satz 1 EStG in Anspruch genommen werden. Dies entschied aktuell der BFH mit Urteil vom 2. September 2015.
Praxishinweis
Die Urteilsgrundsätze kommen in allen noch offenen Fällen zur Anwendung. Offen ist gegenwärtig allerdings, wie die Finanzverwaltung auf diese begünstigende Rechtsprechung reagieren wird.
Der Urteilsfall
Der im Jahre 1920 geborene Kläger bewohnt seit 1999 eine Drei-Zimmer-Wohnung in einer Seniorenresidenz im Rahmen des „Betreuten Wohnens“. Die Residenz ist in zwei Betriebe aufgeteilt, nämlich in das „Betreute Wohnen“ (Sozialstation) einerseits, und die Pflegestation andererseits.
Die Residenz ist auf zwei Gebäude verteilt, die durch eine Straße getrennt in unmittelbarer Nachbarschaft liegen.
In Haus A ist im Erdgeschoss die Verwaltung der Residenz untergebracht, getrennt in die Verwaltung für das Betreute Wohnen und für die Pflegestation. Im ersten Stock befinden sich betreute Wohnungen und im zweiten Stock die Pflegestation.
In Haus B befanden sich ausschließlich betreute Wohnungen, u.a. auch diejenige des Klägers.
Beide Betriebe haben eigenes Personal und eine eigene Notrufzentrale, die jeweils im Haus untergebracht ist. Die Pfleger, die in den Häusern ihre Arbeit verrichten, haben jeweils einen Piepser bei sich, der den Notruf sofort an sie weiterleitet.
Der Kläger schloss mit dem Eigentümer der Wohnung einen Mietvertrag ab. Zudem schloss er mit dem Betreiber der Residenz einen Seniorenbetreuungsvertrag. Darin verpflichtete sich der Betreiber zu nachfolgenden Leistungen, für die der Kläger eine monatliche Betreuungspauschale zu entrichten hatte:
- 24 Stunden pro Tag zur Verfügung stehendes Notrufsystem
- Beratungsangebot (Hilfe bei Behördenangelegenheiten und Schriftverkehr, Kopierdienst, Beratung in gesundheitlichen, hauswirtschaftlichen und persönlichen Angelegenheiten, handwerkliche Hilfen und Kleinreparaturen in der Wohnung, soweit sie vom Hausmeister erledigt werden können, Beratung und Unterstützung beim Nachrüsten der Wohnung im Sinne der Behindertensicherheit)
- Organisation von kulturellen Veranstaltungen
- Einräumung eines absoluten Vorrangs bei der Belegung der Pflegeabteilung.
Darüber hinaus waren nach einer von der Residenz herausgegebenen Aufgliederung der Betreuungspauschale folgende Leistungen enthalten:
- Bereitstellung des Mindestpersonals einschließlich Nachtwache,
- Soforthilfe im Notfall durch staatlich examiniertes Pflegepersonal,
- hauswirtschaftliche Versorgung im Krankheitsfall bis zu einer Woche (d.h. Mittagessen und ggf. andere Mahlzeiten in der Wohnung) sowie
- Grund- und Behandlungspflege bei kurzzeitiger Erkrankung bis zu einer Woche.
Die Betreuungspauschale war auch dann zu entrichten, wenn keine konkreten Leistungen in Anspruch genommen wurden. Die Pauschale diente vor allem dazu, das entsprechende Fachpersonal rund um die Uhr für Notfälle bereitzuhalten und die Organisation zu tragen. Der Betreuungsvertrag konnte nur in Verbindung mit der Wohnung gekündigt werden. Weitere Dienstleistungen, wie z.B. die Verpflegung im Seniorenrestaurant, konnten gegen zusätzliches Entgelt in Anspruch genommen werden.
Im Streitjahr 2011 bezahlte der Kläger eine Betreuungspauschale in Höhe von insgesamt 1.785 € (monatlich 148,75 €). Die Pauschale diente zu 80 % der Besetzung des Notrufsystems über 24 Stunden täglich und zu 20 % beratenden und kulturellen Leistungen. In der Steuererklärung machte der Kläger 1.357 € (76 %) als Aufwendungen für haushaltsnahe Dienstleistungen nach § 35a EStG geltend. Zusätzlich begehrte er die Steuerermäßigung nach § 35a EStG für anteilige Kosten für Hausmeister und Hausreinigung in Höhe von 474 €.
Das Finanzamt (kurz: FA) berücksichtigte die Aufwendungen für Hausmeister und Reinigung im Steuerbescheid für das Streitjahr antragsgemäß. Für die anteilige Betreuungspauschale gewährte das FA die Steuerermäßigung hingegen nicht.
Entscheidung des BFH
Der BFH ließ für die geltend gemachten Aufwendungen die Steuerermäßigung nach § 35a Abs. 2 EStG zu. Es handele sich bei den streitigen Aufwendungen um solche für eine haushaltsnahe Dienstleistung, die in einem inländischen Haushalt erbracht werde.
Praxishinweis
Der BFH hat sich damit wie die Vorinstanz für die Steuerermäßigung ebenso ausgesprochen. Von grundsätzlicher Bedeutung sind auch die Urteilsgründe, die auf andere Sachverhalte übertragen werden können.
Gesetzliche Grundlagen
Nach § 35a Abs. 2 Satz 1 EStG ermäßigt sich die tarifliche Einkommensteuer für haushaltsnahe Beschäftigungsverhältnisse oder für die Inanspruchnahme von haushaltsnahen Dienstleistungen auf Antrag um 20 %, höchstens 4.000 €, der Aufwendungen des Mandanten. Dies gilt auch für die Inanspruchnahme von Pflege- und Betreuungsleistungen sowie für Aufwendungen, die einem Mandanten wegen der Unterbringung in einem Heim oder zur dauernden Pflege erwachsen, soweit darin Kosten für Dienstleistungen enthalten sind, die mit denen einer Hilfe im Haushalt vergleichbar sind.
Die Steuerermäßigung kann nur in Anspruch genommen werden, wenn die Dienstleistung in einem in der Europäischen Union oder dem Europäischen Wirtschaftsraum liegenden Haushalt des Steuerpflichtigen oder – bei Pflege- und Betreuungsleistungen – der gepflegten oder betreuten Person ausgeübt oder erbracht wird.
Begriffsbestimmung: Haushalt
Nach der BFH-Rechtsprechung ist unter dem Begriff des Haushalts die Wirtschaftsführung mehrerer (in einer Familie) zusammenlebender Personen oder einer einzelnen Person zu verstehen. Das Wirtschaften im Haushalt umfasst Tätigkeiten, die für die Haushaltung oder die Haushaltsmitglieder erbracht werden. Dazu gehören Einkaufen von Verbrauchsgütern, Zubereitung von Mahlzeiten, Wäschepflege, Reinigung und Pflege der Räume, des Gartens und auch Pflege, Versorgung und Betreuung von Kindern, alten und kranken Haushaltsangehörigen.
Praxishinweis
Ein solcher Haushalt kann grundsätzlich auch von dem Bewohner eines Wohnstifts geführt werden.
Haushaltsnahe Leistungen
„Haushaltsnahe“ Leistungen sind solche, die eine hinreichende Nähe zur Haushaltsführung haben bzw. damit im Zusammenhang stehen. Dazu gehören Tätigkeiten, die gewöhnlich durch Mitglieder des privaten Haushalts oder entsprechend Beschäftigte erledigt werden und in regelmäßigen Abständen anfallen.
Praxishinweis
Nach diesen Grundsätzen handelt es sich bei dem mit der Betreuungspauschale abgegoltenen Notrufsystem um eine haushaltsnahe Dienstleistung.
Denn durch die Rufbereitschaft wird sichergestellt, dass ein Bewohner, der sich im räumlichen Bereich seines im Rahmen des „Betreuten Wohnens“ geführten Haushalts aufhält, im Bedarfsfall Hilfe rufen kann. Eine solche Rufbereitschaft leisten typischerweise in einer Haushaltsgemeinschaft zusammenlebende Familien- oder sonstige Haushaltsangehörige und stellt damit im räumlichen Bereich des Haushalts sicher, dass kranke und alte Haushaltsangehörige im Bedarfsfall Hilfe erhalten.
Leistung wird „in einem Haushalt erbracht“
Die Leistung wird auch „in einem … Haushalt des Steuerpflichtigen … erbracht“.
„In“ einem Haushalt wird die haushaltsnahe Dienstleistung erbracht, wenn sie im räumlichen Bereich des vorhandenen Haushalts geleistet wird. Der Begriff des Haushalts ist räumlich-funktional auszulegen.
Im Streitfall stellt das Notrufsystem die Rufbereitschaft für den Fall sicher, dass der Bewohner sich in seiner Wohnung aufhält, um dort im Not- und sonstigen Bedarfsfall eine Hilfeleistung zu gewährleisten.
Praxishinweis
Da der Leistungserfolg damit in der Wohnung des Mandanten eintritt, wird die Leistung mithin im räumlichen Bereich des Haushalts erbracht. Diese Urteilsbegründung dürfte für neue Grundsatzdiskussionen mit der Finanzverwaltung z. B. in Bezug auf die Steuerermäßigung für den Arbeitslohnanteil von Müllgebühren führen. Auch bei der Leistung durch die Müllabholung tritt der Leistungserfolg im Hausstand ein. Unerheblich dürfte die Entsorgung außerhalb des Hausstandes sein.
Fazit
Eine Steuerermäßigung wurde dem Kläger in der begehrten Höhe gewährt. Der Kläger führte in seiner Drei-Zimmer-Wohnung einen Haushalt. Diejenigen Entgeltanteile, die auf das Notrufsystem und das Bereithalten von Personal für den Einsatz im Bedarfsfall anfallen, sind haushaltsnahe Dienstleistungen i.S. des § 35a Abs. 2 Satz 1 EStG.
Praxishinweis
Der BFH konnte offen lassen, ob es sich bei allen Leistungen, zu denen sich das Wohnstift im Betreuungsvertrag verpflichtet hat, um solche i.S. des § 35a EStG handelt. Denn der Kläger hat nur für 76 % der angefallenen Aufwendungen die Steuerermäßigung begehrt. Auf die Steuerermäßigung für diesen Anteil der Aufwendungen hat er bereits deshalb Anspruch, weil 80 % der Aufwendungen auf das Notrufsystem entfallen. Entsprechend der Urteilsgrundsätze dürften auch Aufwendungen für die Rufbereitschaft bei Unterhaltung einer privaten Wohnung begünstigt sein (z. B. DRK-Notruftelefon). Auch hierdurch tritt der Leistungserfolg in der privaten Wohnung, d. h. im eigenen Hausstand ein.[/vc_column_text][/vc_column][/vc_row][vc_row el_class=“est_seminar_blog_footer“][vc_column css=“.vc_custom_1453901736908{padding-right: 5% !important;padding-left: 5% !important;}“][vc_column_text el_class=“meldungen_footer“][shortcode id=“1539″][/vc_column_text][/vc_column][/vc_row][vc_row][vc_column][vc_empty_space height=““ el_class=“abstand_content_footer“][/vc_column][/vc_row]