Grundsätzliches

Das Gesetz zur temporären Senkung des Umsatzsteuersatzes auf Gaslieferungen über das Erdgasnetz enthält auch eine neue Steuerfreiheit nach § 3 Nr. 11c EStG (= steuerfreie Inflationsausgleichsprämie).[1] Das Gesetz hat der Bundestag am 30. September 2022 beschlossen und der Bundesrat hat diesem am 7. Oktober 2022 zugestimmt.[2]

Danach bleiben steuerfrei …

„zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn vom Arbeitgeber in der Zeit vom … (einsetzen: Datum des auf den Tag der Verkündung des vorliegenden Änderungsgesetzes folgenden Tages) bis zum 31. Dezember 2024 in Form von Zuschüssen und Sachbezügen gewährte Leistungen zur Abmilderung der gestiegenen Verbraucherpreise bis zu einem Betrag von 3 000 Euro;“

Grundsätzliches

§3 Nr. 11c EStG regelt, dass Arbeitgeber Leistungen zur Abmilderung der Inflation bis zu einem Betrag von 3.000 EUR steuerfrei und damit auch beitragsfrei an ihre Arbeitnehmer gewähren können (Inflationsausgleichsprämie). Zudem handelt es sich um eine „echte“ Steuerfreiheit, d. h. die steuerfreie Leistung unterliegt nicht dem Progressionsvorbehalt. Die Anwendung der neuen Befreiungsregelung ist an diverse Voraussetzungen geknüpft.

Begünstigungszeitraum

Nach § 3 Nr. 11c EStG sind Arbeitgeberleistungen, die in der Zeit ab dem Tag nach Verkündung des Gesetzes im BGBl bis zum 31. Dezember 2024 erbracht werden, steuerfrei.

Die Steuerfreiheit von max. 3.000 EUR je Dienstverhältnis gilt jahresübergreifend. Es ist unerheblich, ob der Arbeitgeber seine Leistung auf einen Schlag oder im Begünstigungszeitraum verteilt erbringt.

Sofern eine vermeintlich steuerfreie Inflationsausgleichsprämie im Dezember 2024 abgerechnet wird, die Zahlung aber erst im Januar 2025 erfolgt, dürfte die Befreiungsvorschrift nicht mehr anwendbar sein.

Praxishinweis

Die nach § 3 Nr. 11c EStG begünstigten Leistungen des Arbeitgebers kann dieser in mehreren Einzelleistungen während des Begünstigungszeitraums gewähren. Dem Arbeitgeber steht ein Betriebsausgabenabzug hierfür zu.

 

Leistungen zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn

Die Steuerfreiheit nach § 3 Nr. 11c EStG kommt nur auf Arbeitgeberleistungen zur Anwendung, die zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn erbracht werden.

Die Arbeitgeberzusatzleistung definiert sich nach § 8 Abs. 4 EStG. Danach kann von einer Zusatzleistung i.S.d. EStG selbst dann ausgegangen werden, wenn der Arbeitnehmer arbeitsvertraglich oder auf Grund einer anderen arbeits- oder dienstrechtlichen Rechtsgrundlage (wie Einzelvertrag, Betriebsvereinbarung, Tarifvertrag, Gesetz) einen Anspruch auf diese hat.[3]

Liegen einzelvertragliche Vereinbarungen vor, muss arbeitsrechtlich geprüft werden, inwieweit die weiteren Mitarbeiter gleich zu behandeln sind. Aus einer eventuellen Ungleichbehandlung von Arbeitnehmern sind allerdings keine negativen lohnsteuerlichen Folgen zu ziehen.

Beispiel

Der Arbeitgeber A gewährt arbeitsrechtlich freiwillig[4] jeweils im Dezember 2022 ein Weihnachtsgeld. In 2022 leistet der A statt des freiwilligen Weihnachtsgeldes eine steuerfreie Inflationsausgleichsprämie.

Lösung

Die Inflationsausgleichsprämie ist nach § 3 Nr. 11c EStG steuerfrei. Es ist zulässig, eine freiwillige Leistung durch eine andere zweckgebundene freiwillige Leistung auszutauschen.

Praxishinweis

Es muss im jeweiligen Einzelfall nach arbeitsrechtlichen Grundsätzen geprüft werden, ob eine freiwillige Arbeitgeberleistung allein durch Aufnahme eines Freiwilligkeitsvermerks vorliegt. Schriftliche Einschätzungen sollen für künftige Außenprüfungen im Lohnkonto hinterlegt werden.

 

Arbeitgeberleistungen

Für die Inanspruchnahme der neuen Steuerfreiheit gem. § 3 Nr. 11c EStG ist es unerheblich, ob die Arbeitgeberleistung in Form von Barlohn oder einer Sachzuwendung erbracht wird.

Praxishinweis

Die Steuerfreiheit löst keinen Verbrauch der 50 EUR-Freigrenze[5] aus.

Freibetrag

§3 Nr. 11c EStG normiert einen steuerfreien Höchstbetrag von 3.000 EUR, der branchenunabhängig gewährt wird. Da es sich um einen Freibetrag handelt, wird eine über diesen (Höchst-)Betrag hinausgehende Arbeitgeberleistung nur in Höhe des übersteigenden Werts steuerpflichtig erfasst.

Eine steuerpflichtige Erfassung von individuellem Arbeitslohn kann verhindert werden, wenn andere Steuerbefreiungen, Bewertungsvergünstigungen oder Pauschalierungsmöglichkeiten anwendbar sind.[6]

Praxishinweis

Bei dem Betrag von 3.000 EUR handelt es sich um einen Freibetrag und nicht um eine Freigrenze. Wird der Freibetrag überschritten, kann auf den übersteigenden Betrag aber eine andere Lohnsteuerbegünstigung, z. B. die 50 EUR-Freigrenze[7], der Rabattfreibetrag[8] oder eine Lohnsteuerpauschalierung nach § 40 Abs. 2 EStG zur Anwendung kommen.

 

Arbeitgeberbezogene Inflationsausgleichsprämie

Die steuerfreie Inflationsausgleichsprämie bezieht sich auf Leistungen vom jeweiligen Arbeitgeber. M. E. dürfte je Dienstverhältnis die Steuerfreiheit von 3.000 EUR zur Anwendung kommen.[9]

Wenn der Mitarbeiter während des Begünstigungszeitraums unter Berücksichtigung von Unterbrechungen mehrfach in einem Dienstverhältnis zu ein und demselben Arbeitgeber steht, steht der maximale Höchstbetrag für diesen Arbeitgeber insgesamt nur einmal zur Verfügung.

Die Steuerfreiheit nach § 3 Nr. 11c EStG gilt für Arbeitnehmer i.S.d. Steuerrechts. Durch den Bezug auf die Arbeitnehmereigenschaft i.S.d. Steuerrechts kann sie auch bei (sozialversicherungsfreien) Gesellschaftern/Geschäftsführern und pauschal besteuerten

  • kurzfristig beschäftigten Mitarbeitern i.S.d. § 40a Abs. 1 EStG bzw.
  • geringfügig entlohnten Mitarbeitern i.S.d. § 40a Abs. 2 EStG bzw.
  • kurzfristigen, im Inland ausgeübten Tätigkeiten beschränkt steuerpflichtiger Arbeitnehmer i.S.d. § 40a Abs. 7 EStG

zur Anwendung kommen.

Beispiel

Der Arbeitgeber A leistet an die Mitarbeiterin B in den Monaten Oktober, November und Dezember 2023 eine Inflationsausgleichsprämie von monatlich jeweils 1.000 EUR. Die Arbeitgeberleistung erfüllt ansonsten die Voraussetzungen gem. § 3 Nr. 11c EStG.

Die Arbeitgeberleistungen von (1.000 EUR x 3 =) 3.000 EUR bleiben nach
§ 3 Nr. 11c EStG steuerfrei. Wie sich die Arbeitgeberleistungen während des Begünstigungszeitraums verteilen, ist unerheblich.

Fortführung des Beispiels

Die Mitarbeiterin B befindet sich in einem weiteren Beschäftigungsverhältnis zum Arbeitgeber C. Dieses Dienstverhältnis wird nach § 40a Abs. 2 EStG pauschal versteuert abgerechnet (geringfügig entlohnte Beschäftigung = 520 EUR-Job).Im Rahmen des weiteren Dienstverhältnisses kann B eine weitere steuerfreie Inflationsausgleichsprämie von dem Arbeitgeber C erhalten.

Beispiel

Der ArbN M nimmt zum 1.1.2023 eine Beschäftigung bei dem ArbG S auf. Der ArbG S leistet im Juli 2023 (mit Ablauf der Probezeit) eine Inflationsausgleichsprämie von 3.000 EUR.

Lösung

Die Inflationsausgleichsprämie ist steuer- und sozialversicherungsfrei.

Der ArbG leistet diese zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn.

Der neue ArbG muss nicht prüfen, ob der vorherige ArbG eine steuerfreie Inflationsausgleichsprämie geleistet hat.

Praxishinweis

Die Betriebsübergabe und Gesamtrechtsnachfolge gem. § 613a BGB (z. B. Übergang eines Einzelunternehmens auf eine GmbH) gelten nicht als „neues“ Dienstverhältnis.

Sofern mehrere Dienstverhältnisse im Begünstigungszeitraum zu ein und demselben Arbeitgeber (nacheinander) vorliegen, ist trotz einer Unterbrechungszeit insgesamt nur ein Inflationsausgleich von bis zu 3.000 EUR steuerfrei leistbar.

Beispiel

Der ArbG A beschäftigt C bis zum 30. Juni 2023 und wiederum ab 1. Januar 2024.

Der ArbG A zahlte C eine steuerfreie Inflationsausgleichsprämie von 3.000 EUR im Dezember 2022.

Kann in 2024 eine weitere Inflationsausgleichsprämie durch den ArbG A steuerfrei geleistet werden?

Lösung

Das Dienstverhältnis von C wird zeitlich zum ArbG A unterbrochen.

Gleichwohl ist für das zeitlich unterbrochene Dienstverhältnis insgesamt nur eine steuerfreie Inflationsausgleichsprämie in Höhe von 3.000 EUR während des Begünstigungszeitraums nach § 3 Nr. 11c EStG vom ArbG A leistbar.

Bei einem Gesellschafter-Geschäftsführer einer Kapitalgesellschaft kann eine steuerfreie Inflationsausgleichsprämie i.S.d. § 3 Nr. 11c EStG zu Arbeitslohn oder zu einer vGA führen.

Arbeitslohn liegt vor, wenn hierfür ein überzeugender betrieblicher Grund vorliegt. Liegt kein überzeugender betrieblicher Grund vor, soll eine Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis gegeben sein.[10]

Es ist wie bei Arbeitnehmern ohne Gesellschafterstellung darzulegen, dass es sich um eine Arbeitgeberleistung zur Abmilderung der gestiegenen Verbraucherpreise handelt. Hierzu dürfte eine Aufführung in einer entsprechenden Lohnart ausreichend sein. Wird diese Voraussetzung erfüllt, liegt Arbeitslohn vor, der unter den weiteren Voraussetzungen nach § 3 Nr. 11c EStG steuerfrei bleibt.

 

Praxishinweis

Wird den weiteren Mitarbeitern eine steuerfreie Inflationsausgleichprämie geleistet und erhält auch der GmbH-GGF eine solche Leistung, dürfte von einer betrieblichen Veranlassung auch für den GmbH-GGF auszugehen sein. Dies dürfte nur dann nicht gelten, wenn die Arbeitgeberleistungen der Höhe nach unverhältnismäßig sind (z. B. 3.000 EUR zugunsten des GmbH-GGF und 100 EUR an die weiteren Mitarbeiter).

Bei familiennahen Dienstverhältnissen stellt sich die Frage, ob die Inflationsausgleichsprämie i.S.d. § 3 Nr. 11c EStG der Vereinbarung zwischen Fremden entspricht (Fremdvergleich).

 

Praxishinweis: Arbeitszeitnachweis

Der BFH[11] hat sich mit den Anforderungen an die steuerliche Anerkennung eines geringfügigen Ehegattenarbeitsverhältnisses auseinandergesetzt. Er betont, dass es der Fremdüblichkeit nicht entgegenstehe, wenn der Arbeitgeber selbst Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (hier: Obergerichtsvollzieher) beziehe.

Für die Anerkennung eines Arbeitsverhältnisses zwischen nahen Angehörigen – insbesondere für die Anerkennung von (geringfügigen) Beschäftigungsverhältnissen, die einfache Büroarbeiten zum Gegenstand haben – muss auf den Stundenzetteln auch grundsätzlich nicht vermerkt werden, welche Arbeitsleistungen der Arbeitnehmer während der Arbeitszeiten konkret geleistet hat.

Sofern für ein Finanzgericht Zweifel, ob der Angehörige die in den Stundenzetteln ausgewiesenen Arbeitsstunden tatsächlich geleistet hat, dann stellt es eine unzulässige vorweggenommene Beweiswürdigung dar, wenn diesbezüglich angebotenen Zeugenbeweisen im Vorhinein jegliche Geeignetheit zum Beweis der behaupteten Tatsachen abgesprochen werden.

  1. E. ist es aber bedeutsam, die Arbeitszeiten aufzuzeichnen und zu dokumentieren. Ob die Entscheidung des BAG zur Einführung einer (elektronischen) Zeiterfassung[12] auch zur Folge hat, dass für die tatsächliche Durchführung auch ein Arbeitszeitnachweis zwingend erforderlich ist, bleibt abzuwarten. M. E. dürfte vieles für einen zwingenden Arbeitszeitnachweis sprechen; die Praxis sollte sich hierauf einstellen.

    Verhältnis zur Steuerfreiheit nach § 3 Nr. 11b EStG (Corona-Pflegebonus)

Im Gegensatz zur Corona-Beihilfe nach § 3 Nr. 11a EStG, die auf den Corona-Pflegebonus nach § 3 Nr. 11b EStG angerechnet wird, kommt § 3 Nr. 11c EStG auch neben anderen Steuerbefreiungen, Bewertungsvergünstigungen oder Pauschalbesteuerungsmöglichkeiten zur Anwendung.

Praxishinweis

Die Steuerbefreiung für den „Corona-Pflegebonus“[13] geht der Steuerbefreiung für die „Corona-Prämie“[14] vor. Das bedeutet, dass Leistungen, die der Arbeitgeber in der Zeit vom 18.11.2021 bis 31.3.2022 an seine in begünstigten Einrichtungen oder Diensten tätige Arbeitnehmer gewährt, nur unter die Steuerbefreiung des § 3 Nr. 11b EStG fallen.[15]

Beispiel

Der Arbeitgeber der Pflegekraft A zahlt im August 2022 einen steuerfreien Corona-Pflegebonus gem. § 3 Nr. 11b EStG in Höhe von 4.500 EUR aus. Zudem soll die Pflegekraft A im Dezember 2022 einen steuerfreien Inflationsausgleich von 3.000 EUR erhalten.

Lösung

Beide Steuerfreiheiten können bis zum jeweiligen Höchstbetrag angewandt werden. Der steuerfreie Corona-Pflegebonus mindert den steuerfreien Inflationsausgleich nicht.

 

Sozialversicherungsrecht

Einnahmen, die zusätzlich zum Arbeitsentgelt gewährt werden, sind dem sozialversicherungspflichtigen Arbeitsentgelt nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 SvEV nicht zuzurechnen, wenn sie lohnsteuerfrei sind und vom Arbeitgeber mit der Entgeltabrechnung für den jeweiligen Abrechnungszeitraum lohnsteuerfrei belassen werden. Damit wirkt sich die neue Steuerfreiheit nach § 3 Nr. 11c EStG auch auf das Sozialversicherungsrecht aus.[16]

 

Praxishinweis

Wird an einen geringfügig entlohnten pauschal versteuerten Beschäftigten eine Inflationsausgleichsprämie lohnsteuerfrei ausgezahlt, wird diese nicht in die
520 EUR-Prüfgrenze einbezogen.

 

Aufzeichnung im Lohnkonto

Die Steuerfreiheit nach § 3 Nr. 11c EStG ist eine „echte“ Steuerbefreiung; solche Arbeitgeberleistungen sind im Lohnkonto aufzuzeichnen.[17] Sie sind nicht auf der Lohnsteuerbescheinigung betragsmäßig zu vermerken und sie unterliegen nicht dem Progressionsvorbehalt.

 

 

Webinarempfehlung: Kurz + Knackig: Steuerfreie Inflationsausgleichsprämie – Gestaltungsmöglichkeiten und Gestaltungsgrenzen verwalten

 

 

[1]             BR-Drs. 476/22

[2]             BR-Drs. 476/22 (Beschluss) v. 7.10.2022

[3]             § 8 Abs. 4 Satz 2 EStG

[4]             Arbeitsrechtliche Prüfung ist nötig

[5]             § 8 Abs. 2 Satz 11 EStG

[6]             BMF-Schr. v. 26.10.2020 – IV C 5-S 2342/20/10012:003, BStBl I 2020, 1277

[7]             § 8 Abs. 2 Satz 11 EStG

[8]             § 8 Abs. 3 EStG

[9]             So auch zum Corona-Pflegebonus: FAQ „Corona“ (Steuern) v. 7.7.2022 unter VIII. unter Nr. 15

[10]           H 8.5 KStH „Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis“

[11]           BFH-Urt. v. 18.11.2020 – VI R 28/18, BStBl II 2021, 596

[12]           BAG-Beschluss v. 13.9.2022 – 1 ABR 22/21

[13]           § 3 Nr. 11b EStG

[14]           § 3 Nr. 11a EStG

[15]           FAQ „Corona“ (Steuern) v. 7.7.2022 unter VIII. unter Nrn. 10, 11 und 13

[16]           Siehe auch Besprechungsergebnis des GKV-Spitzenverbandes etc. v. 25.11.2020 TOP 2

[17]           § 4 Abs. 2 Nr. 4 LStDV