Jahressteuergesetz 2020: Esszimmertischarbeit und 5 EUR-Pauschale

 

Gesetzgebungsverfahren

Der Bundestag hat am 16. Dezember 2020 dem Entwurf eines Jahressteuergesetzes 2020[1] unter Berücksichtigung der Beschlussempfehlungen und dem Bericht des Bundestag-Finanzausschusses[2] beschlossen. Der Bundesrat hat dem vom Bundestag am 16. Dezember 2020 verabschiedeten Gesetz am 18. Dezember 2020 zugestimmt. In letzter Sekunde hat der Finanzausschuss des Bundestags auch eine Regelung aufgenommen, die einen pauschalen Kostenabzug bei einer beruflichen oder betrieblichen Tätigkeit in der eigenen Wohnung aber außerhalb eines häuslichen Arbeitszimmers vorsieht. Auf die beschlossene Regelung und die ersten offenen Fragen wird nachfolgend näher eingegangen.

 

Arbeit zu Hause

Die Abzugsfähigkeit der Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer setzt eine ausschließliche oder fast ausschließliche berufliche oder betriebliche Nutzung voraus. Die Kosten für ein wenn auch büromäßig für die Home-Office-Tätigkeit eingerichtetes Zimmer sind nicht abziehbar, sofern der Raum auch anderen Zwecken dient (z. B. Zimmernutzung als Spiel-, Gäste- oder/und Bügelzimmer).[3]

 

Praxishinweis

Eine Abziehbarkeit bestand bislang auch nicht, wenn die beruf­liche Tätigkeit am heimischen Esszimmertisch oder in einer Arbeitsecke (übergangsweise) erledigt wird, insbesondere weil die ganze Familie das „häusliche Arbeitszimmer“ aufgrund der geschlossenen Kindergärten während der Corona-Zeit – auch private – nutzte.

Vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie und der damit verstärkten Tätigkeit zu Hause hat der Gesetzgeber unter engen Voraussetzungen einen neuen Kostenabzug auch für diese Fälle zugelassen.

§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 4 EStG bestimmt Folgendes:

„Liegt kein häusliches Arbeitszimmer vor oder wird auf einen Abzug der Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer nach den Sätzen 2 und 3 (des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG) verzichtet, kann der Steuerpflichtige für jeden Kalendertag, an dem er seine betriebliche oder berufliche Tätigkeit ausschließlich in der häuslichen Wohnung ausübt und keine außerhalb der häuslichen Wohnung belegene Betätigungsstätte aufsucht, für seine gesamte betriebliche und berufliche Betätigung einen Betrag von 5 Euro abziehen, höchstens 600 Euro im Wirtschafts- oder Kalenderjahr;“.

 

Zeitlicher Anwendungsbereich

Die gesetzliche Neuregelung ist zeitlich befristet und gilt für nach dem 31. Dezember 2019 und vor dem 1. Januar 2022 in der häuslichen Wohnung ausgeübte Tätigkeiten.

Der pauschale Kostenabzug i.H.v. 5 EUR kommt zur Anwendung

  • für den Betriebsausgabenabzug,
  • für den Werbungskostenabzug[4] und
  • für den Sonderausgabenabzug bei Berufsausbildung.[5]

Werden die Gewinneinkünfte nach einem vom Kalenderjahr abweichenden Wirtschaftsjahr ermittelt, besteht die Berechtigung zur Inanspruchnahme der 5 EUR-Pauschale nur für den Teil des Wirtschaftsjahres, der in 2020 oder 2021 liegt.

 

Kein häusliches Arbeitszimmer / Option zur Kostenpauschale

Die neue Kostenpauschale gilt für die Fälle, in denen kein häusliches Arbeitszimmer vorliegt. Liegt ein häusliches Arbeitszimmer vor und ist ein Kostenabzug bis 1.250 EUR oder der Höhe nach unbeschränkt zulässig, kann hierauf zugunsten des neuen pauschalen Betrags verzichtet werden.

Praxishinweis

Der Gesetzgeber lässt den pauschalen Kostenabzug optional statt des möglichen Kostenabzugs für ein häusliches Arbeitszimmer zu. Der pauschale Kostenabzug kann sich im Falle von geringeren Kosten als vorteilhaft erweisen. Er erweist sich auch als Steuervereinfachung, weil die ansonsten nötige Kostenermittlung nicht mehr erfolgen muss.

Der Gesetzgeber bestimmt – im Gegensatz zur Regelung zu den pauschalen Übernachtungsnebenkosten[6] – nicht, ob die Option zum pauschalen Kostenabzug je einzelnem Tätigkeitstag oder einmal jährlich einheitlich zu treffen ist. Da der pauschale Kostenabzug auf den einzelnen Tätigkeitstag ausgerichtet ist, dürfte vieles für ein arbeitstägliches Wahlrecht sprechen. Die Gesetzesbegründung geht auf diese Fragestellung nicht näher ein.

 

Ausschließliche Tätigkeitsausübung in der häuslichen Wohnung

Der pauschale Abzugsbetrag für die Nutzung des Arbeitsplatzes in der Wohnung wird nur für die Kalendertage gewährt, an denen der Steuerpflichtige seine betriebliche/berufliche Tätigkeit ausschließlich in der häuslichen Wohnung ausübt und keine andere betriebliche/berufliche Betätigungsstätte aufsucht.

Zur Betätigungsstätte gehören jede Tätigkeitsstätte, ein weiträumiges Tätigkeitsgebiet oder auch ein fester Ort (Sammelpunkt), der am jeweiligen Kalendertag aufgesucht wird und außerhalb der Wohnung liegt.

Wird an einem Kalendertag eine Fahrt z. B. zur Betriebsstätte oder zur ersten Tätigkeitsstätte durchgeführt, kann die Tagespauschale von 5 Euro nicht geltend gemacht werden, sondern ausschließlich die abziehbaren Aufwendungen für Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte/erster Tätigkeitsstätte oder im Falle einer  auswärtigen betrieblichen/beruflichen Betätigung Fahrtkosten nach Reisekostengrundsätzen.

Der Gesetzgeber stellt auf die ausschließliche betriebliche oder berufliche Tätigkeit in der häuslichen Wohnung ab. Es ist auf die Arbeitszeit am jeweiligen Kalendertag abzustellen.

Durch die Ausschließlichkeitsregelung dürfte selbst ein kurzer Botengang zur Post oder das Verlassen der häuslichen Wohnung zur Durchführung eines betrieblich oder beruflich veranlassten Telefonats abzugsschädlich für den Pauschalbetrag von 5 EUR sein. Abzugsschädlich dürfte ebenso das Verlassen der häuslichen Wohnung zwecks Aufsuche des Arbeitgebers zum Zwecke der Aktenrückgabe sein. Ein privates Verlassen der Wohnung z. B. während der Mittagspause dürfte hingegen steuerunschädlich sein.

Ob das Kriterium der Ausschließlichkeit für die Finanzverwaltung überprüfbar ist, kann bezweifelt werden.

 

Praxishinweis

Die Neuregelung soll der Förderung der häuslichen betrieblichen oder beruflichen Tätigkeit dienen. Ein Nebeneinander des pauschalen Abzugsbetrages an einem Tag (Tagesbetrachtung) für einen häuslichen Arbeitsplatz und der Entfernungspauschale oder ein Abzug tatsächlicher Fahrtkosten nach Reisekostengrundsätzen wird diesem Ansatz nicht gerecht.

Gerade mit den Einkommensteuer-Erklärungen 2020 ist eine Hinterfragung der Anzahl der Fahrten zur ersten Tätigkeitsstätte durch die Finanzverwaltung zu erwarten. Dies macht der Blick in den neuen Erklärungsvordruck 2020 der Anlage N bereits deutlich, der neben den Urlaubs- auch die Heimarbeitstage abfragt.

Nicht plausibel dürfte die pauschale Angabe von 220 Arbeitstagen zur ersten Tätigkeitsstätte neben einer Arbeitszimmerpauschale sein. Hier ist zu erwarten, dass die Finanzverwaltung die Anzahl der tatsächlichen Arbeitstage am Ort der ersten Tätigkeitsstätte hinterfragen wird.

 

Pauschaler Kostenabzug

Der pauschale Kostenabzug löst sich von den tatsächlichen Aufwendungen und pauschaliert den betrieblichen oder beruflichen Abzugsbetrag mit täglich 5 EUR.

Diese Pauschalierung ohne Option, im Einzelfall höhere Kosten in Ansatz bringen zu können, dürfte verfassungsgemäß sein.

Insgesamt ist der Abzug der Tagespauschale für einen häuslichen Arbeitsplatz auf einen Höchstbetrag von 600 Euro im Wirtschafts- oder Kalenderjahr für die gesamte betriebliche und berufliche Betätigung begrenzt.

Die kostenunabhängige Tagespauschale von 5 EUR gilt je Steuerpflichtigen. Werden Ehegatten zusammen zur Einkommensteuer veranlagt, gilt die Tagespauschale je einzelnem Partner selbst dann, wenn sie einen gemeinsamen Arbeitstisch in der Wohnung nutzen.

Praxishinweis

Unterstellt der Gesetzgeber einen beruflichen Tagesaufwand von 5 EUR für die Nutzung der eigenen Wohnung, dürfte es sachgerecht sein, diese Pauschale auch für eine steuerfreie Arbeitgebererstattung für die Home-Office-Tätigkeit (Auslagenersatz nach § 3 Nr. 50 EStG) heranzuziehen. Klarstellende Erlasse der Finanzverwaltung bleiben abzuwarten. Zur Haftungsverhinderung ist dem Arbeitgeber eine Anrufungsauskunft anzuraten.

 

Betriebsvermögenseigenschaft

Nach gegenwärtiger Auffassung kann das häusliche Arbeitszimmer notwendiges Betriebsvermögen auslösen, sofern kein Fall der untergeordneten Bedeutung vorliegt.[7] Die Betriebsvermögensproblematik stellt sich bei Ansatz der Arbeitszimmerpauschale nicht, weil die für das notwendige Betriebsvermögen nötige ausschließliche oder fast ausschließliche betriebliche Nutzung nicht vorliegt.

 

Verhältnis 5 EUR-Tagespauschale und Arbeitnehmer-Pauschbetrag

Bei Arbeitnehmern wird i.d.R. ein Arbeitnehmer-Pauschbetrag von 1.000 EUR gewährt.[8] Der Pauschbetrag beträgt lediglich 102 EUR, sofern der Mitarbeiter Versorgungsbezüge erhält.[9]

Im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens wurde diskutiert, ob die neue Arbeitszimmer-Pauschale von 5 EUR täglich (maximal 600 EUR im Jahr) neben dem Arbeitnehmer-Pauschbetrag zum Ansatz kommt. Der Gesetzgeber hat eine solche Regelung jedoch nicht verabschiedet.

 

Praxishinweis

Der Ansatz der neuen Arbeitszimmer-Pauschale löst bei Arbeitnehmern nicht automatisch auch eine steuerliche Auswirkung aus. Vielmehr müssen die tatsächlichen Werbungskosten in der Summe den Arbeitnehmer-Pauschbetrag übersteigen.

 

[1] BT-Drs. 19/22850 v. 25.9.2020

[2] BT-Drs. 19/25160 v. 10.12.2020

[3] BFH-Beschl. V. 27.7.2015 – GrS 1/14, BStBl II 2016, 265

[4] § 9 Abs. 5 Satz 1 i.V.m. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG

[5] § 10 Abs. 1 Nr. 7 Satz 4 i.V.m. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG

[6] § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5b Satz 2 EStG

[7] § 8 EStDV

[8] § 9a Satz 1 Nr. 1 Buchst. a) EStG

[9] § 9a Satz 1 Nr. 1 Buchst. b) EStG

 

 

Stand: 18.12.2020