Neues BMF-Schreiben zum steuerlichen Reisekostenrecht veröffentlicht
Das BMF hat mit Schreiben vom 25. November 2020[1] ein Schreiben zur steuerlichen Behandlung der Reisekosten von Arbeitnehmern veröffentlicht. Dieses Schreiben ersetzt das bisherige BMF-Schreiben vom 24. Oktober 2014.[2]
Das neue BMF-Schreiben reagiert auf die jüngere BFH-Rechtsprechung zum seit 2014 geltenden steuerlichen Reisekostenrecht.
Praxishinweis
Die Ausführungen sind auch für das Lohnsteuerrecht von Bedeutung, weil Arbeitgeber eine steuerfreie Reisekostenerstattung in Höhe der ansonsten beim Arbeitnehmer als Werbungskosten abziehbaren Aufwendungen erbringen können.[3] Insbesondere bei der doppelten Haushaltsführung treten Auslegungsänderungen ein. Darauf gehen wir nachfolgend detailliert ein.
Doppelte Haushaltsführung – Gesetzliche Regelung
Nach § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 5 EStG können als Werbungskosten geltend gemacht bzw. steuerfrei erstattet werden …
„1notwendige Mehraufwendungen, die einem Arbeitnehmer wegen einer beruflich veranlassten doppelten Haushaltsführung entstehen.2Eine doppelte Haushaltsführung liegt nur vor, wenn der Arbeitnehmer außerhalb des Ortes seiner ersten Tätigkeitsstätte einen eigenen Hausstand unterhält und auch am Ort der ersten Tätigkeitsstätte wohnt. 3Das Vorliegen eines eigenen Hausstandes setzt das Innehaben einer Wohnung sowie eine finanzielle Beteiligung an den Kosten der Lebensführung voraus.“
Auseinanderfallen „Hauptwohnung“ und „Ort der ersten Tätigkeitsstätte“
Eine doppelte Haushaltsführung kann nur vorliegen, wenn der Ort des eigenen (Haupt-)Hausstands und der Ort der ersten Tätigkeitsstätte (bzw. der Beschäftigungsort) auseinanderfallen.
Kann der ArbN von seiner Hauptwohnung (eigener Hausstand) aus in zumutbarer Weise täglich zu seiner ersten Tätigkeitsstätte fahren, liegt die Hauptwohnung am Beschäftigungsort. Damit sind die Aufwendungen für eine weitere Wohnung (Zweitwohnung) am Beschäftigungsort steuerlich nicht zu berücksichtigen und durch ArbG auch nicht steuerfrei erstattbar.
Praxishinweis
Nach Auffassung das FG Nürnberg[4] kann der ArbN bei einer Entfernung von 40 km und einer Fahrzeit von 42 Minuten in zumutbarer Weise täglich zur ersten Tätigkeitsstätte fahren. Der BFH hat sogar eine Fahrzeit von bis zu einer Stunde je Wegstrecke unter Zugrundelegung individueller Verkehrsverbindungen und Wegezeiten als zumutbar angesehen.[5]
Die Finanzverwaltung hatte sich zu dieser Frage bislang nicht näher geäußert. Sie führte lediglich zur beruflichen Veranlassung aus, dass aus Vereinfachungsgründen von einer beruflichen Veranlassung des Beziehens der Zweitwohnung oder -unterkunft ausgegangen werden könne, wenn die kürzeste Straßenverbindung von der Zweitwohnung oder -unterkunft zur ersten Tätigkeitsstätte weniger als die Hälfte der kürzesten Straßenverbindung zwischen der Hauptwohnung (Mittelpunkt der Lebensinteressen) und der ersten Tätigkeitsstätte betrage oder die Fahrzeit zur ersten Tätigkeitsstätte für eine Wegstrecke halbiert werde.
Befinden sich der eigene Hausstand und die Zweitwohnung innerhalb desselben Ortes (derselben Stadt oder Gemeinde), kann weiterhin für die Frage der beruflichen Veranlassung diese Vereinfachungsregelung (Entfernung Zweitwohnung und erste Tätigkeitsstätte im Vergleich zur Entfernung zwischen Hauptwohnung und erste Tätigkeitsstätte) herangezogen werden.[6]
Neben dieser Prüfung sind nunmehr zwei weitere Prüfungen vorzunehmen.
- Es muss geprüft werden, ob die (Haupt-)Wohnung außerhalb des Beschäftigungsortes liegt.
- Er muss geprüft werden, ob die Zweitwohnung in der Nähe der ersten Tätigkeitsstätte liegt.
Eine Hauptwohnung[7] ist nach dem BMF-Schreiben v. 25. November 2020[8] am Ort der ersten Tätigkeitsstätte belegen, wenn der Steuerpflichtige von dieser Wohnung seine erste Tätigkeitsstätte in zumutbarer Weise täglich erreichen kann. Eine Fahrzeit von bis zu einer Stunde je Wegstrecke unter Zugrundelegung individueller Verkehrsverbindungen und Wegezeiten kann in der Regel als zumutbar angesehen werden.[9]
Praxishinweis
Aus Vereinfachungsgründen kann für die Frage, ob die Hauptwohnung am Ort der ersten Tätigkeitsstätte belegen ist oder nicht, z. B. wenn sie innerhalb derselben politischen Gemeinde, Stadt oder in deren unmittelbaren Umkreis liegen, die Entfernung der kürzesten Straßenverbindung[10] zwischen Hauptwohnung und erster Tätigkeitsstätte herangezogen werden. Beträgt die Entfernung zwischen Hauptwohnung und erster Tätigkeitsstätte mehr als 50 km, geht die FinVerw. davon aus, dass sich die Hauptwohnung außerhalb des Ortes der ersten Tätigkeitsstätte befindet.[11]
Diese neue Regelung dürfte auch für den steuerfreien Arbeitgeberersatz bedeutsam sein. Arbeitgeber sollten sich vom Arbeitnehmer bestätigen lassen, dass die Hauptwohnung die neuen räumlichen Voraussetzungen des BMF-Schreibens vom 25. November 2020[12] einhält.
Was heißt „Zweitwohnung in der Nähe der ersten Tätigkeitsstätte“?
Liegt die im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung unterhaltene Zweitwohnung nicht direkt am Ort der ersten Tätigkeitsstätte, stellt sich die Frage, wann die Zweitwohnung oder Zweitunterkunft noch als in der Nähe der ersten Tätigkeitsstätte liegend gilt. Hierzu enthält das BMF-Schreiben vom 25. November 2020[13] – auch als Reaktion auf das BFH-Urteil v. 19. April 2012[14] – nähere Ausführungen.
Eine Zweitwohnung oder -unterkunft in der Nähe des Ortes der ersten Tätigkeitsstätte steht danach einer Zweitwohnung am Ort der ersten Tätigkeitsstätte gleich. Aus Vereinfachungsgründen geht die Finanzverwaltung davon aus, dass die Zweitwohnung noch am Ort der ersten Tätigkeitstätte belegen ist, wenn die Entfernung der kürzesten Straßenverbindung[15] zwischen Zweitwohnung oder -unterkunft und erster Tätigkeitsstätte nicht mehr als 50 km beträgt.
Liegt die Zweitwohnung mehr als 50 km von dem Ort der ersten Tätigkeitsstätte entfernt, ist zu prüfen, ob die erste Tätigkeitsstätte von der Zweitwohnung oder -unterkunft noch in zumutbarer Weise täglich erreicht werden kann. Eine Fahrzeit von bis zu einer Stunde je Wegstrecke unter Zugrundelegung individueller Verkehrsverbindungen und Wegezeiten wird dabei als zumutbar angesehen.[16]
Zusammenfassendes Beispiel
Nunmehr hat eine mehrstufige Prüfung zu erfolgen: Zunächst muss geprüft werden, ob die Hauptwohnung am Beschäftigungsort liegt. Danach gilt es zu prüfen, ob die Zweitwohnung auch am Beschäftigungsort liegt. In einen weiteren Schritt muss geprüft werden, ob eine berufliche Veranlassung vorliegt. Dies dürfte entsprechend auch für den steuerfreien Arbeitgeberersatz gelten.
Beispiel
Der verheiratete ArbN A unterhält seinen eigenen (Haupt-)Hausstand in Bonn und seine neue ersten Tätigkeitsstäte in München. Die Entfernung zwischen dem (Haupt-)Hausstand und der neuen ersten Tätigkeitsstätte beträgt 550 Kilometer. Der ArbN A unterhält eine Zweitwohnung in Augsburg (74 km von der ersten Tätigkeitsstätte entfernt). Die Fahrzeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln von der Zweitwohnung zur ersten Tätigkeitsstätte beträgt ca. 50 Minuten.
- Frage: Liegt der (Haupt-)Hausstand außerhalb der ersten Tätigkeitsstätte?
Der Haupthausstand liegt außerhalb der ersten Tätigkeitsstätte, schon weil die Entfernung zwischen beiden Orten mehr als 50 Kilometer beträgt.
- Frage: Liegt die Zweitwohnung in der Nähe der ersten Tätigkeitsstätte?
Die Zweitwohnung liegt in der Nähe der ersten Tätigkeitsstätte. Die Entfernung zwischen der Zweitwohnung und der ersten Tätigkeitsstätte beträgt zwar mehr als
50 Kilometer. Von der Zweitwohnung aus kann die erste Tätigkeitsstätte aber in zumutbarer Weise täglich erreicht werden. Eine Fahrzeit von bis zu einer Stunde je Wegstrecke unter Zugrundelegung individueller Verkehrsverbindungen und Wegezeiten ist zumutbar (hier: 50 Minuten).
- Frage: Ist die doppelte Haushaltsführung beruflich veranlasst?
Die Entfernung zwischen der (Haupt-)Wohnung und der ersten Tätigkeitsstätte beträgt 550 Kilometer.
Die Entfernung zwischen der Zweitwohnung und der ersten Tätigkeitsstätte beträgt 74 Kilometer.
Die Zweitwohnung ist aufgrund der Entfernung beruflich veranlasst, weil sie weniger als die Hälfte der Entfernung von der Hauptwohnung in Bonn zur neuen ersten Tätigkeitsstätte in München entfernt liegt (1/2 von 550 km = 275 km).
Praxishinweis
Das Vorliegen eines eigenen Hausstandes (Haupthausstand) muss zudem – wie auch bislang – geprüft werden. Es setzt neben dem Innehaben einer Wohnung aus eigenem Recht als Eigentümer oder Mieter bzw. aus gemeinsamen oder abgeleitetem Recht als Ehegatte, Lebenspartner oder Lebensgefährte sowie Mitbewohner auch eine finanzielle Beteiligung an den Kosten der Lebensführung (laufende Kosten der Lebensführung) voraus.[17]
Kosten für Unterkunft / Einrichtungsgegenstände
Als Unterkunftskosten für eine doppelte Haushaltsführung im Inland werden die dem ArbN tatsächlich entstandenen Aufwendungen für die Nutzung der Wohnung oder Unterkunft höchstens bis zu einem nachgewiesenen Betrag von 1.000 EUR im Monat (Höchstbetrag) anerkannt.
Die Prüfung der Notwendigkeit und Angemessenheit entfällt; auch auf die Zahl der Wohnungsbenutzer (Angehörige) kommt es nicht an.
Steht die Zweitwohnung oder -unterkunft im Eigentum des ArbN, sind die tatsächlichen Aufwendungen (z.B. AfA, Schuldzinsen, Reparaturkosten, Nebenkosten) bis zum Höchstbetrag von 1.000 EUR monatlich zu berücksichtigen.
Der Höchstbetrag umfasst sämtliche entstehenden Aufwendungen wie Miete, Betriebskosten, Kosten der laufenden Reinigung und Pflege der Zweitwohnung oder -unterkunft, Zweitwohnungsteuer, Rundfunkbeitrag, Miet- oder Pachtgebühren für Kfz-Stellplätze, Aufwendungen für Sondernutzung (wie Garten), die vom ArbN selbst getragen werden, nicht jedoch Aufwendungen für Hausrat, Einrichtungsgegenstände oder Arbeitsmittel, mit denen die Zweitwohnung ausgestattet ist. Aufwendungen für die erforderliche Einrichtung und Ausstattung der Zweitwohnung, soweit sie nicht überhöht sind, können als sonstige notwendige Mehraufwendungen der doppelten Haushaltsführung berücksichtigt werden.[18] Das neue BMF-Schr. v. 25. November 2020[19] übernimmt die positive BFH-Rechtsprechung und konkretisiert, in welchen Fällen von angemessenen Kosten für Einrichtungsgegenstände zu sprechen ist.
Praxishinweis
Übersteigen die Anschaffungskosten des ArbN für Einrichtung und Ausstattung der Zweitwohnung (ohne Arbeitsmittel) insgesamt nicht den Betrag von 5.000 EUR einschließlich USt, geht die FinVerw.[20] aus Vereinfachungsgründen davon aus, dass es sich um notwendige Mehraufwendungen der doppelten Haushaltsführung handelt.
Eine klare Aussage, wie beim steuerfreien Arbeitgeberersatz zu verfahren ist, enthält das BMF-Schreiben v. 25. November 2020[21] hierzu nicht. Dies gilt es nachzuholen. Es bleibt zudem zu hoffen, dass die FinVerw. eine steuerfreie Arbeitgebererstattung für Einrichtungsgegenstände bei Anschaffung in voller Höhe zulassen wird, wenngleich ein ArbN diese Kosten nur über die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer absetzen kann (Ausnahme: geringwertige Wirtschaftsgüter).
Wird die Zweitwohnung oder -unterkunft möbliert angemietet, überschreitet die Miete den Höchstbetrag und enthält der Mietvertrag keine Aufteilung der Miete in die Überlassung der Wohnung und der Einrichtung und Ausstattung, lässt es die FinVerw. zu, die Miete im Schätzwege aufzuteilen.[22] Dies dürfte auch bei der steuerfreien Erstattung gelten. Die FinVerw. wendet diesen Grundsatz in allen noch offenen Fällen an. Sofern in der Vergangenheit solche Vorteile pauschal lohnsteuerpflichtig abgerechnet wurden[23], kommt m. E. eine Rückforderung der bislang vom Arbeitgeber als Steuerschuldner geleisteten Pauschalsteuer im Rahmen der allgemeinen Verjährungsregelungen in Frage.
Auf folgende Besonderheiten ist zudem zu achten:
- Aufwendungen für einen separat angemieteten Garagenstellplatz sind unverändert in die Höchstbetragsberechnung einzubeziehen und können nicht als „sonstige“ notwendige Mehraufwendungen zusätzlich berücksichtigt werden.
- Maklerkosten, die für die Anmietung einer Zweitwohnung oder
-unterkunft entstehen, sind als Umzugskosten zusätzlich als Werbungskosten abziehbar.[24] Sie sind nicht in die Höchstbetragsberechnung mit einzubeziehen. - Bei Beendigung der doppelten Haushaltsführung ist eivne Vorfälligkeitsentschädigung wegen vorzeitiger Ablösung einer Grundschuld aufgrund der Veräußerung der Zweitwohnung nicht als Werbungskosten zu berücksichtigen.[25]
[1] BMF-Schr. v. 25.11.2020 – IV C 5 – S 2353/19/10011 :006
[2] BMF-Schr. v. 24.10.2020 – BStBl I 2014, 1412
[3] § 3 Nr. 16 EStG
[4] FG Nürnberg, Urt. v. 6.11.2019 – 3 K 911/18, Juris
[5] BFH-Urt. v. 16.11.2017 – VI R 31/16, BStBl II 2018, 404
[6] BMF-Schr. v. 25.11.2020 – IV C 5 – S 2353/19/10011 :006, Rz. 104
[7] § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 2 EStG
[8] BMF-Schr. v. 25.11.2020 – IV C 5 – S 2353/19/10011 :006, Rz. 102
[9] BFH-Urt. v. 16.11.2017 – VI R 31/16, BStBl II 2018, 404
[10] § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 4 EStG
[11] BMF-Schr. v. 25.11.2020 – IV C 5 – S 2353/19/10011 :006, Rz. 103
[12] BMF-Schr. v. 25.11.2020 – IV C 5 – S 2353/19/10011 :006
[13] BMF-Schr. v. 25.11.2020 – IV C 5 – S 2353/19/10011 :006 Rz. 103
[14] BFH-Urt. v. 19.4.2012 – VI R 59/12, BStBl II 2012, 833
[15] § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 4 EStG
[16] BFH-Urt. v. 19.4.2012 – VI R 59/12, BStBl II 2012, 833
[17] § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 3 EStG
[18] BFH-Urt. v. 4.4.2019 – VI R 18/17, BStBl II 2019, 449
[19] BMF-Schr. v. 25.11.2020 – IV C 5 – S 2353/19/10011 :006, Rz. 106 ff.
[20] BMF-Schr. v. 25.11.2020 – IV C 5 – S 2353/19/10011 :006, Rz. 108
[21] BMF-Schr. v. 25.11.2020 – IV C 5 – S 2353/19/10011 :006
[22] BFH-Urt. v. 4.4.2019 – VI R 18/17, BStBl II 2019, 449
[23] § 37b Abs. 2 EStG
[24] R 9.9 Abs. 2 LStR 2015
[25] BFH-Urt. v. 3.4.2019 – VI R 15/17, BStBl II 2019, 446