Finanzverwaltung streitet intern über den TSE-Umrüstungszeitpunkt

 

Das BMF hat in einem erst jetzt veröffentlichten Schreiben vom 18. August 2020[1] die Auffassung vertreten, dass die Verlängerungen der Nichtbeanstandungsregelung durch 15 Bundesländer nicht von der Rechtslage gedeckt sei. Da jedoch das BMF-Schreiben keine aufsichtsrechtliche Weisung an die Landesfinanzverwaltungen enthält, bleiben die entsprechenden Länderverfügungen rechtskräftig.

 

Zum Hintergrund:

Elektronische Kassen(systeme) müssen nach dem sog. Kassengesetz seit Jahresbeginn 2020 mit einer zertifizierten technischen Sicherheitseinrichtung (TSE) gegen nachträgliche Kassenmanipulationen geschützt sein. Auf Grund von zeitlichen Verzögerungen bei der Beschreibung von entsprechenden Sicherheitsprofilen durch das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) waren zu diesem Zeitpunkt jedoch noch keine funktionsfähigen TSE-Module vorhanden. Nicht zuletzt auf Intervention der Wirtschaftsverbände hin hatte das BMF mit Schreiben vom
6. November 2019[2] eine sog. Nichtbeanstandungsregelung erlassen, wonach elektronische Kassen(Systeme) spätestens bis zum 30. September 2020 mit einer TSE ausgerüstet sein müssen.

Da jedoch auch bis zum 30. September 2020 keine zertifizierten Cloud-TSE-Lösungen vorhanden sein werden und Unternehmen überdies mit den Folgen der Corona-Pandemie zu kämpfen haben, hatten sich insbesondere auch die Wirtschaftsverbände für eine weitere Verlängerung der Nichtbeanstandungsregelung ausgesprochen. Entgegen der Auffassung des BMF haben daraufhin alle Bundesländer bis auf Bremen dieses Petitum aufgegriffen und sachgerechte Verlängerungen bis zum 31. März 2021 im Wege von Allgemeinverfügungen ausgesprochen.

 

Praxishinweis

Im Detail sind die Landesregelungen unterschiedlich. Der Freistaat Bayern hatte Folgendes bestimmt:[3]

„Gemäß BMF-Schreiben vom 6. November 2019[4] müssen die technisch notwendigen Anpassungen und Aufrüstungen umgehend durchgeführt und die rechtlichen Voraussetzungen unverzüglich erfüllt werden. Zur Umsetzung einer flächendeckenden Aufrüstung elektronischer Aufzeichnungssysteme im Sinne des
§ 146a AO wird es jedoch nicht beanstandet, wenn diese elektronischen Aufzeichnungssysteme längstens bis zum 30. September 2020 noch nicht über eine TSE verfügen.

Durch die mit der Corona-Pandemie verbundenen Einschränkungen kommt es zu teils erheblichen Verzögerungen hinsichtlich der Implementierungsarbeiten.

Die kurzfristig vorrangig vorzunehmende Anpassung der Umsatzsteuersätze in den Kassensystemen zum 1. Juli 2020 hat zu weiterem erheblichem Aufwand geführt. Eine fristgerechte Umsetzung bis 30. September 2020 wird daher für viele Unternehmen trotz intensiver Bemühungen nicht möglich sein. Nicht verfügbar sind zudem derzeit noch cloud-basierte TSE-Lösungen. Für diese konnte bisher noch kein Zertifizierungsverfahren abgeschlossen werden. Unternehmen, welche sich für eine cloud-basierte Lösung entschieden haben, wird es daher nach aktuellem Stand mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit unmöglich sein, bis 30. September 2020 ihr Kassensystem mit einer TSE auszurüsten.

Daher sind elektronische Aufzeichnungssysteme ohne TSE für die in Bayern ansässigen Steuerpflichtigen unter den folgenden Voraussetzungen längstens bis zum 31. März 2021 nicht zu beanstanden:

a)

Der Unternehmer hat die erforderliche Anzahl an TSE bei einem Kassenfachhändler oder einem anderen Dienstleister bis zum 30. September 2020 nachweislich verbindlich bestellt oder in Auftrag gegeben oder

b)

es ist der Einbau einer cloud-basierten TSE vorgesehen, eine solche aber nachweislich noch nicht verfügbar. Ein gesonderter Antrag ist nicht erforderlich. Die erforderlichen Nachweise sind der Verfahrensdokumentation zur Kassenführung beizufügen und für die Dauer der gesetzlichen Aufbewahrungsfrist vorzuhalten.“

Als Reaktion auch auf diese und die weiteren Länderverfügungen hat sodann das BMF mit Schreiben vom 18. August 2020[5] reagiert, welches den Ländern erst am
8. September 2020 zugestellt wurde, und darauf hingewiesen, dass die Rechtsauffassung der Länder fehlerhaft und ein Aufschub der Nichtbeanstandungsregelung nicht möglich sei.

Die Bundesländer Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Hamburg, Hessen, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Saarland, Mecklenburg-Vorpommern, Thüringen, Berlin, Brandenburg, Baden-Württemberg und auch der Freistaat Bayern[6] haben daraufhin in eigenen Erlassen an ihre Finanzämter darauf hingewiesen, dass – entgegen der Auffassung des BMF – die länderrechtlichen Allgemeinverfügungen weiterhin Bestand haben.

Mit Blick auf das Schreiben des BMF vom 18. August 2020[7] käme dem Bund kein Weisungsrecht gem. Art. 85 Abs. 3 Grundgesetz zu, da dieses nur bei der Behandlung von konkreten Einzelsachverhalten zum Tragen käme, nicht jedoch bei landesrechtlichen Allgemeinverfügungen. Auch seien die Voraussetzungen für ein allgemeines Weisungsrecht gem. § 21a FVG nicht gegeben, da dieses die vorherige Durchführung eines Abstimmungsprozesses mit den Bundesländern und die mehrheitliche Zustimmung der Bundesländer voraussetze.

 

Praxishinweis

Es bleibt zu hoffen, dass im Sinne der von der Kassenumstellung Betroffenen und deren Beratern eine eindeutige bundeseinheitliche Regelung – nach Möglichkeit auf Grundlage des Erlasses des Bayerischen Staatsministeriums der Finanzen und für Heimat – bestimmt wird. Wir werden berichten.

 

[1] BMF-Schr. v. 18.8.2020 – BStBl I 2020, 656

[2] BMF-Schr. v. 6.11.2019 – BStBl I 2019, 1010

[3] Bayerisches Staatsministerium der Finanzen und für Heimat v. 10.7.2020 – 33 – S 0319 – 1/2

[4] BMF-Schr. v. 6.11.2019 – BStBl I 2019, 1010

[5] BMF-Schr. v. 18.8.2020 – BStBl I 2020, 656

[6]           Siehe Bayerisches Staatsministerium der Finanzen und für Heimat v. 14.9.2020 – 33-0319-1/2

[7]           BMF-Schr. v. 18.8.2020 – BStBl I 2020, 656

 

 

Stand: 28.09.2020