In seinem Urteil v. 11.7.2024 hat der Europäische Gerichtshof entschieden, dass Innenumsätze innerhalb einer umsatzsteuerlichen Organschaft nicht der Mehrwertsteuer unterliegen. Damit hat das Gericht die bisherige deutsche Auffassung bestätigt, dass solche Innenumsätze nicht steuerbar sind.

Hintergrund

Der Bundesfinanzhof (BFH) hatte dem EuGH erneut die Frage vorgelegt, ob die bisherige Annahme der Nichtsteuerbarkeit sogenannter Innenumsätze in einer umsatzsteuerlichen Organschaft beibehalten werden kann.

Im Januar 2022 hatte Generalanwältin Medina im Rahmen des ersten Vorlageverfahrens (Rechtssache C-269/20 Finanzamt T) unter anderem geäußert, dass eine Mehrwertsteuergruppe sich im Wesentlichen auf die Abgabe einer gemeinsamen Umsatzsteuererklärung beschränke und Innenleistungen möglicherweise der Umsatzsteuer unterliegen „könnten“. Der EuGH hatte dies in seinem späteren Urteil weder ausdrücklich bestätigt noch ausgeschlossen.

Generalanwalt Athanasios Rantos stellte in seinen Schlussanträgen vom 16. Mai 2024 zum aktuellen Verfahren (Finanzamt T II) jedoch fest, dass entgeltliche Leistungen zwischen Mitgliedern einer Mehrwertsteuergruppe nicht der Mehrwertsteuer unterliegen, selbst wenn der Leistungsempfänger nicht (oder nur teilweise) zum Vorsteuerabzug berechtigt ist.

Entscheidung des EuGH

Der EuGH folgte der Ansicht des Generalanwalts und entschied, dass gegen Entgelt erbrachte Leistungen zwischen Personen, die ein und derselben Mehrwertsteuergruppe angehören, die aus rechtlich selbständigen, aber durch gegenseitige finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Beziehungen eng miteinander verbundenen Personen besteht und von einem Mitgliedstaat als einzige Steuerpflichtige bestimmt wird, selbst dann nicht der Mehrwertsteuer unterliegen, wenn die vom Empfänger dieser Leistungen geschuldete oder entrichtete Mehrwertsteuer nicht als Vorsteuer abgezogen werden darf.

Die Gleichstellung einer Mehrwertsteuergruppe mit einem einzigen Steuerpflichtigen gemäß Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Sechsten Richtlinie schließt aus, dass die Mitglieder der Mehrwertsteuergruppe weiterhin getrennte Mehrwertsteuererklärungen abgeben und innerhalb und außerhalb ihrer Gruppe als Steuerpflichtige angesehen werden. Nur der einzige Steuerpflichtige ist befugt, diese Erklärungen (unter einer einzigen Mehrwertsteuernummer) abzugeben.

Nach Ansicht des EuGH bedeutet dies, dass ein Mitglied einer Mehrwertsteuergruppe nicht als eigenständiger Steuerpflichtiger betrachtet werden kann, wenn es für eine andere Einheit der Gruppe eine entgeltliche Leistung erbringt. Eine solche Leistung fällt daher nicht in den Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer.

Bezüglich der „Gefahr von Steuerverlusten“ betont der EuGH, dass das Recht auf Abzug der geschuldeten oder entrichteten Mehrwertsteuer als Vorsteuer der Gruppe selbst und nicht deren Mitgliedern zusteht. Die vom BFH hierzu angeführten Urteile vom 1. Dezember 2022 (Norddeutsche Gesellschaft für Diakonie, C-141/20 und Finanzamt T, C-269/20), die auf die Notwendigkeit hinweisen, Steuerverluste zu verhindern, beziehen sich laut EuGH auf eine andere Frage als die im vorliegenden Fall geprüfte (siehe Rz. 43 – 46 im Urteil).

 

EuGH-Urt. v. 11.07.2024 – C-184/23 (Finanzamt T II)

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