Bei der lohnsteuerlichen Beurteilung von Veranstaltungskosten kehrt keine Ruhe ein. Nunmehr hat sich das Niedersächsische FG zur lohnsteuerlichen Behandlung von Aufwendungen für eine Feier des Arbeitgebers anlässlich einer Arbeitnehmerverabschiedung geäußert.[1] Diese Entscheidung, die mittlerweile vor dem BFH rechtsanhängig ist, hat über den Einzelfall hinaus in allen noch offenen Fällen Bedeutung.
Auffassung der Finanzverwaltung
Nach Auffassung der Finanzverwaltung ist u. a. in folgenden Fällen nicht von Arbeitslohn auszugehen:
R 19.3 Abs. 2 Nr. 3 LStR
- Übliche Sachleistungen des Arbeitgebers aus Anlass der Diensteinführung, eines Amts- oder Funktionswechsels, eines runden Arbeitnehmerjubiläums oder der Verabschiedung eines Arbeitnehmers; betragen die Aufwendungen des Arbeitgebers einschl. Umsatzsteuer mehr als 110 EUR je teilnehmender Person, sind die Aufwendungen dem Arbeitslohn des Arbeitnehmers hinzuzurechnen; auch Geschenke bis zu einem Gesamtwert von 60 EUR sind in die 110 EUR-Grenze einzubeziehen.
Praxishinweis
Die LStR beschreiben nicht unmittelbar, in welchen Fällen von einem „runden Arbeitnehmerjubiläum“ auszugehen ist. In dem zur Betriebsveranstaltung ergangenen BMF-Schreiben v. 14.10.2015 befindet sich aber der Hinweis, dass in folgenden Fällen von einem „runden“ Arbeitnehmerjubiläum zu sprechen ist: 10-, 20-, 25-, 30-, 40-, 50-, 60-jähriges Arbeitnehmerjubiläum.
R 19.3 Abs. 2 Nr. 4 LStR
- Übliche Sachleistungen bei einem Empfang anlässlich eines runden Geburtstages eines Arbeitnehmers, wenn es sich unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles um ein Fest des Arbeitgebers (betriebliche Veranstaltung) handelt.
Die anteiligen Aufwendungen des Arbeitgebers, die auf den Arbeitnehmer selbst, seine Familienangehörigen sowie private Gäste des Arbeitnehmers entfallen, gehören jedoch zum steuerpflichtigen Arbeitslohn, wenn die Aufwendungen des Arbeitgebers mehr als 110 EUR je teilnehmender Person betragen; auch Geschenke bis zu einem Gesamtwert von 60 EUR sind in die 110 EUR-Grenze einzubeziehen.
Praxishinweis
Durch das Wachstumschancengesetz[2] hat der Gesetzgeber die bisherige Geschenkegrenze[3] von 35 EUR auf 50 EUR erhöht. Diese Erhöhung gilt erstmals für die Wirtschaftsjahre, die nach dem 31.12.2023 beginnen. Es bleibt zu hoffen, dass die lohnsteuerliche Geschenkegrenze von 60 EUR im Verwaltungswege zumindest ab 2025 auf z. B. 80 EUR erhöht wird. Wir werden berichten, falls Änderungen beschlossen werden.
Offene Frage
Kann auf eine Lohnversteuerung im Falle einer betrieblichen Veranstaltung zur Verabschiedung eines Mitarbeiters selbst dann verzichtet werden, wenn die Kosten mehr als 110 EUR je Teilnehmer betragen?
Entscheidung des Niedersächsischen FG[4]
Der 8. Senat des Nds. FG hat sich in einem Urteil v. 14.5.2024[5] gegen die Auffassung der Finanzverwaltung gestellt, wonach Aufwendungen für eine Verabschiedungsveranstaltung eines Arbeitnehmers insgesamt als Arbeitslohn bei diesem zu behandeln sind, wenn die Kosten die Freigrenze von 110 EUR pro Teilnehmer überschreiten.
Nach der in R 19.3 Abs. 3 Nr. 3 LStR niedergelegten Verwaltungsauffassung werden die Kosten für Verabschiedungen dem Arbeitnehmer unabhängig davon als steuerpflichtiger Arbeitslohn zugerechnet, ob die Veranstaltung im betrieblichen Interesse liegt oder nicht.
Dagegen wird bei Geburtstagsfeiern nach R 19.3 Abs. 3 Nr. 4 LStR, die von der Finanzverwaltung als Folge einer Entscheidung des BFH[6] aus dem Jahr 2003 in die LStR aufgenommen wurde, nur der auf den Arbeitnehmer und seine Gäste entfallende Anteil als Arbeitslohn behandelt, wenn die Freigrenze von 110 EUR (brutto) überschritten wird.
Im konkreten Fall entschied das Nds. FG, dass die Klägerin, ein Geldinstitut, zu Unrecht für die Lohnsteuer auf die Aufwendungen für eine Veranstaltung anlässlich der Verabschiedung ihres bisherigen Vorstandsvorsitzenden in Haftung genommen wurde.
Die Veranstaltung fand in den Geschäftsräumen der Klägerin statt und wurde von dieser organisiert und finanziert, wobei in diesem Rahmen auch der neue Vorstandsvorsitzende vorgestellt wurde.
Der Lohnsteueraußenprüfer hatte die Veranstaltung nicht als Betriebsveranstaltung anerkannt und die Kosten dem bisherigen Vorstandsvorsitzenden als Arbeitslohn zugerechnet, da nicht alle Mitarbeiter eingeladen waren und die Aufwendungen die Freigrenze von 110 EUR je Teilnehmer überschritten.
Das Gericht stellte hingegen fest, dass es sich um ein Fest der Klägerin gehandelt habe, da die Gästeliste überwiegend nach geschäftlichen Gesichtspunkten erstellt worden und die Klägerin als Gastgeberin aufgetreten sei. Die Teilnahme privater Gäste des bisherigen Vorstandsvorsitzenden sei nur in geringem Umfang erfolgt. Nach Auffassung des Gerichts war der Empfang im überwiegenden betrieblichen Interesse der Klägerin, da neben der Verabschiedung des bisherigen Vorstandsvorsitzenden auch die Einführung seines Nachfolgers stattgefunden habe.
Die Verwaltungsauffassung, wonach die Aufwendungen bei Verabschiedungen von Arbeitnehmern insgesamt als Arbeitslohn zu behandeln sind, wenn sie die Freigrenze von 110 EUR überschreiten, während bei Geburtstagsfeiern nur die auf den Arbeitnehmer und seine Gäste entfallenden Kosten als Arbeitslohn gelten, wurde vom Gericht als nicht sachgerecht verworfen.
Der Empfang stellte sich laut FG im Streitfall unter Berücksichtigung aller Umstände als betriebliche Veranstaltung dar. Damit seien nur die auf den bisherigen Vorstandsvorsitzenden und seine Familienangehörigen entfallenden Aufwendungen als Arbeitslohn zu werten.
Das Gericht ließ die Revision zur Rechtsfortbildung zu, da die Unterscheidung in den Lohnsteuerrichtlinien zwischen Verabschiedung und Geburtstag eines Arbeitnehmers mit unterschiedlichen Rechtsfolgen nicht gerechtfertigt erscheine.
[1] Niedersächsisches FG, Urt. v. 14.5.2024 – 8 K 66/22, Rev. eingelegt, Az. des BFH: VI R 18/24
[2] Wachstumschancengesetz v. 27.3.2024 – BGBl I 2024 Nr. 108
[3] § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 Satz 2 EStG
[4] A.a.O.
[5] A.a.O.
[6] BFH, Urt. v. 28.1.2003 – VI R 48/99, BStBl II 2003, 724